"Ich sehe die Madonna, aber ich bin keine Heilige!"
Interview mit der Seherin Maria Pavlovic-Lunetti.
Häufig werde ich gefragt: "Sind Sie die Marija von Medjugorje?" Sofort kommt mir das Schriftwort in den Sinn: 'Zu wem hältst Du? Ich halte zu Paulus - ich zu Apollos - ich zu Kephas (1 Kor 1,12)'. Auch wir fragen uns: Zu wem halten wir? Wir sagen: Nicht zu Medjugorie. Ich würde antworten: zu Jesus Christus!
Mit diesen Worten begann die Seherin Marija ihren Vortrag im Sportpalast zu Florenz, wo sich am 18. Mai 2001 rund 8000 Personen versammelt hatten, um die 20 Jahre der Erscheinungen von Medjugorje zu feiern. Auf einfache, familiäre Art wandte sich Marija an die Anwesenden und teilte mit ihnen ihre Erfahrung als Seherin und ihre Empfindungen als Christin, verpflichtet wie wir alle, den Weg der Heiligkeit zu gehen.
"Ich wollte nicht, dass die Gottesmutter mir erscheine, aber Sie ist erschienen," fährt Marija fort. "Ich habe Sie einmal gefragt: warum gerade mir? Noch heute erinnere ich mich ihres Lächelns: 'Gott hat es mir erlaubt und ich habe euch erwählt!' - antwortete die Gospa. Aber all zu häufig heben die Leute uns deswegen auf ein Podest: sie wollen aus uns Heilige machen ... Es ist wahr, ich habe mich für den Weg der Heiligkeit entschieden, aber ich bin noch keine Heilige!"
Die Versuchung, Menschen, die übernatürliche Erfahrungen machen, vor der Zeit zu "heiligen", ist sehr verbreitet, aber sie entlarvt eher eine dürftige Kenntnis von Gottes Welt und einen verschleierten Fetischismus. Sie hängen sich an die von Gott als Instrument gewählte Person, suchen auf eine gewisse Art, Gott selber zu verstehen, damit Er sich ihnen spürbar zeigen möge. "Es ist schwierig, wenn die Leute dich als heilig betrachten und du weisst, dass du es nicht bist" bekräftigt Marija. "Auf dem Weg zur Heiligkeit werde ich müde wie alle andern; nicht immer ist es leicht für mich zu lieben, zu fasten, zu beten. Ich fühle mich nicht selig, nur weil die Muttergottes mir erscheint! Ich lebe ganz konkret mein Leben in der Welt als Frau, Gattin, Mutter ... Manche halten uns geradezu für Magier und verlangen, dass wir ihnen die Zukunft voraussagen!" Es war eine klare Ermunterung, die uns von einer Seherin entgegenkam, die nun seit zwanzig Jahren jeden Tag sich mit der Muttergottes trifft, eine Einladung, sie nicht als Ideal oder Star zu betrachten. Eigentlich sind die Seher die Spiegel einer übernatürlichen Wirklichkeit: sie sehen und reflektieren sie, damit die Gemeinschaft der Gläubigen auf gewisse Art sich von ihr ein Bild machen und dadurch bereichert werden kann.
"Die Gottesmutter hat uns verschiedene übernatürliche Wirklichkeiten gezeigt, einschliesslich die Dimensionen, in die wir nach unserm Tod eintreten werden. Zuletzt sagte sie: Ihr habt gesehen, jetzt bezeugt! Ich glaube, dass unsere wichtigste Aufgabe ist, Zeugnis zu geben von dem, was wir sehen, aber auch, als erste den Lehren der Gottesmutter nachzuleben: denn sie ist nicht nur Mutter sondern auch Lehrerin, Schwester, Freundin. Wir haben so zu leben, dass die andern sich in Maria verlieben. Wir haben uns aller Art von Forschungen und medizinischen Untersuchungen zur Verfügung gestellt, einzig um die Nicht-Glaubenden zum Glauben zu bringen und die Gläubigen zu tieferem Glauben. Jetzt ist es wichtig, durchzuhalten, damit dieser Baum, den die Königin des Friedens gepflanzt hat, immer weiter wachse. In Wirklichkeit ist heute - nach den zwanzig Jahren - aus dem kleinen Samenkorn ein riesiger Baum geworden, der mit seinen Zweigen Schatten bis an die äussersten Grenzen der Erde wirft. Jeder Tag sieht eine von Medjugorje inspirierte neue Gebetsgruppe entstehen, sogar in China, wo der christliche Glaube sehr stark verfolgt ist." Es ist ein Gespräch voller Anregungen, das aber vor allem die Wichtigkeit eines authentischen geistlichen Weges, verwurzelt im Glauben, in der Hoffnung und der Liebe für all jene unterstreicht, die der Herr als seine Werkzeuge erwählt hat, und die auf verschiedene Weisen ihre mystischen Erfahrungen leben. Einmal sagte uns Maria: In diesem Mosaik ist jede Person wichtig ... Jeder entdecke durch das Gebet seinen Auftrag und wisse sich selber zu sagen "Ich bin wichtig in den Augen Gottes!" Danach wird es ein Leichtes sein, das Gebot Jesu in die Praxis umzusetzen: "Was man euch ins Ohr flüstert, das verkündigt von den Dächern (Mt 10,27)."
So schloss Marija Pavlovic ihre Ansprache, wandelte aber sofort die Ermunterungen, die sie selbst eingebracht hatte, in die Praxis um: mit den Tausenden von Teilnehmern verharrte sie im Gebet. Nach dem von ihr während der Eucharistischen Anbetung angeführten Rosenkranz besiegelte die Erscheinung Marias alle Gespräche, auch die der andern Teilnehmer, die durch ihre Reden ein weites Panorama der Medjugorje-Bewegung gezeichnet hatten. So viele verschiedene Steinchen, jedes original in Farbe, Form und Beschaffenheit, aber alle wichtig, um dieses wunderbare Mosaik zu fügen, das die Gottesmutter der Welt schenken will.
Stefania Consoli
Quellennachweis: www.ecodimaria.net/de/ Nr. 158
2001