Mystische und prophetische Visionen
Dr. Pater Ivan Dugandzic, Franziskanerpater
Aufgrund ihres Zieles unterscheidet die Theologie mystische und prophetische Visionen. Die ersteren betreffen nur die Person und ihr persönliches und geistliches Wachstum, wie dies bei vielen Mystikern der Kirche der Fall ist. Trotzdem schließt dies nicht eine gewisse öffentliche Dimension aus, die diese Visionen bekommen in dem Fall einer späteren Verehrung dieser Mystiker, nachdem sie selig oder heilig gesprochen worden sind. In diesem Sinne können wir diese Visionen im engen Sinne als privat und im weiten Sinne als Charisma bezeichnen. Die prophetischen Visionen haben von Anfang an einen öffentlichen Charakter. Sie sind Gabe oder Charisma einer oder mehrerer Personen für die ganze Kirche. Der Seher ist dazu berufen, sich an seine Umgebung oder an die ganze Kirche zu richten mit der Botschaft, die er empfangen hat. Ein Beispiel des ersten Typus der Visionen ist Gemma Galgani, für den zweiten Margerite-Marie Alacoque.
Was die Erfahrung des Sehers betrifft, so hat die mystische Vision immer einen intensiveren und stärkeren Einfluß auf das Privatleben des Sehers, was nicht im gleichen Maß der Fall ist bei einer prophetischen Vision. Dies ist verständlich, da die Personen, die von mystischen Visionen Nutzen ziehen, generell schon einen hohen Grad der Heiligkeit erreicht haben, wohingegen die Träger der prophetischen Vision oft einfache Gläubige sind, die durch "Zufall" ausgewählt wurden und sehr oft auch Kinder, die noch unreif für tiefe mystische Erfahrungen sind. Deshalb beeinflussen solche Visionen nicht so stark die Person des Sehers und er entwickelt sich langsamer im Sinne der Reife und der Heiligkeit seines persönlichen Lebens.
Weil es sich zuerst um ein Charisma für die anderen handelt, braucht der Seher immer jemanden, der mehr in die Geheimnisse des geistlichen Lebens eingeführt ist und ihn in diesem Sinne führt. Sonst würde die Gefahr einer Verschiebung zwischen seiner ihm anvertrauten Rolle und der Heiligkeit seines persönlichen Lebens entstehen. Aufgrund der Tatsache, daß die Seher oft Kinder sind, bleiben ihre Visionen oft oberflächlich, selbst wenn sie einen körperlichen und objektiven Charakter haben (dreidimensional), wohingegen die mystischen Visionen normalerweise bildhaft sind (des inneren Zustandes der Seele). Zudem bewirken sie nie eine rasche und plötzliche Veränderung des Sehers. Die Bedeutung dieser Vision liegt in der langsamen Veränderung der Gläubigen, an die die Botschaft gerichtet ist. Es ist offensichtlich, daß man niemals diesen Effekt erreichen würde, wenn diejenigen, die die Botschaft erhalten, sich nicht auch zum Besseren verändern würden. Sie können es allerdings nicht, wenn ihnen nicht geholfen wird.
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