Zeugnis von G.S.
Innere Heilung und Versöhnung in Medjugorje (Juli 2020)
In diesem Juli 2020 ist es genau 20 Jahre her, dass ich zum 2. Mal in Medjugorje war und dort innere Heilung und Versöhnung erfahren habe. Es ist also für mich ein Jubiläumsjahr und ein besonderer Anlass, heute davon Zeugnis abzulegen:
Damit das Zeugnis recht verstanden werden kann, muss ich ein wenig von meiner Geschichte erzählen:
Ich bin das 6. von 9 Kindern und in einer katholischen Familie aufgewachsen und kurz gesagt: Wir wurden im Glauben erzogen und haben auch am kirchlichen Leben aktiv teilgenommen.
Es geht in meiner Lebensgeschichte um eine sehr intensive traumatische Kindheitserfahrung, die mein ganzes Leben geprägt hat:
Als ich 2 Jahre alt war, wurde ich von unserem Schäferhund umgerannt, als ich zuschauen wollte, wie mein Vater den Hund von der Kette löst. Unglücklicherweise stand ich genau in der Laufrichtung des Hundes, der mich einfach überrannte. Von diesem Erlebnis an hatte ich Angst vor Hunden. Da mein Vater Hunde liebte, war es für ihn unvorstellbar, dass eines seiner Kinder Angst vor Hunden hat, sodass er mir diese Angst – leider auf recht drastische Weise – abgewöhnen wollte. Er zwang mich, unseren Hund zu streicheln, auf Spaziergängen mitzugehen, wo unser Hund unangeleint mitlief oder er hetzte den Hund auf mich, wenn ich ahnungslos draußen spielte. Dann stand der Hund Pfoten auf meiner Schulter und Maul auf über mir und im Hintergrund stand mein Vater und lachte. Das ging bis mindestens zu meinem 6. Lebensjahr so, aber auch danach gab es bei niemandem Verständnis, Beistand, Trost, Hilfe…. für mich. Unter diesen Umständen war es mir unmöglich, ein Vertrauensverhältnis zu meinem Vater aufzubauen und da auch meine Mutter mich davor nicht schützte, baute ich auch zu ihr kein Vertrauensverhältnis auf. Unter meinen Geschwistern gab es auch niemanden, der mir beigestanden hätte – im Gegenteil – einige handelten mir gegenüber ähnlich wie mein Vater. Und auch bei Nachbarn oder Bekannten machte ich ähnliche Erfahrungen. So hatte ich nicht nur Angst vor Hunden, sondern lernte auch, dass man Menschen nicht vertrauen kann. Ich erkannte, dass hinter der „Tat des Hundes“ die Tat des Menschen stand. Ich gewöhnte mir recht schnell an, mich in gewisser Weise versteckt/unsichtbar in der Familie aufzuhalten (meist unter dem Küchentisch), wo ich die Lage sondierte. War die Stimmung einigermaßen unverfänglich oder wurde ich gesucht, tauchte ich wieder auf, war die Stimmung schlecht, verkroch ich mich und sorgte dafür, dass ich nicht entdeckt wurde. Als ich mit 5 Jahren fließend lesen konnte, waren Bücher meine Begleiter. (Ich schreibe hier jetzt das, was mich sehr nachhaltig negativ geprägt hat, aber das war nicht nur so. Es gab auch viel Schönes und Gutes in meiner Familie, an dem ich auch Anteil hatte, aber eben oft nur passiv.)
In der Schule war ich ein sehr ängstliches, zurückhaltendes Kind und das zog sich durch bis zum Erwachsenenalter. Ich war kaum in der Lage, Antworten zu geben, vorzulesen oder etwas vorzutragen, was allerdings auch durch negative Erlebnisse mit meiner Grundschullehrerin zusammenhing. Ich war auch nicht wirklich in der Lage zu lernen, weil ich immer damit beschäftigt war die Gefahren um mich herum auszumachen. Irgendwie habe ich mich so mittelmäßig durch die Schulzeit laviert. Ich war verschlossen und lebensunfähig, und würde von meinem Leben zusammenfassend sagen:
Nach außen hin existierte ich zwar, aber innerlich fühlte ich mich wie in einem Gefängnis in Einzelhaft und noch schlimmer: leblos und tot, ermordet. Die einzige Hilfe bekam ich durch einen Franziskanerpater, der viel in unsere Familie kam, und den ich mit ca. 20 Jahren um Gespräche bat, wobei „Gespräch“ anfangs eine lange Zeit gar nicht möglich war. Aber der Priester hatte sehr viel Geduld mit mir.
1989 war ich zum 1. Mal in Medjugorje, allerdings nur, weil ich im Urlaub wegfahren wollte, niemanden fand der mit mir fuhr und ich mich dann mit einer weiteren Schwester meiner Schwester anschloss, die zum 2. Mal nach Medjugorje fuhr. Ich dachte mir, dass, wenn ich schon nach Medjugorje fahre, ich auch spüren möchte, dass die Muttergottes da ist. Da ich das aber nicht erlebte, war mein Fazit dieser Medjugorjefahrt: Ja, die Muttergottes erscheint in Medjugorje, aber sie erscheint ja nicht mir und ich habe sie auch nicht gespürt, also muss ich da auch nicht noch einmal hin. Ich interessierte mich auch nach dieser Reise nicht mehr weiter für Medjugorje.
Für mich persönlich hatte sich danach die Lage in meiner Familie so sehr zugespitzt, dass ich kurz davor stand Selbstmord zu begehen. Ich entschied mich dann aber dafür, den Kontakt zu meinen Eltern und einem Teil meiner Geschwister komplett abzubrechen und mich auf eigene Füße zu stellen ohne diese ständigen Belastungen. Ich wusste, dass das kein Dauerzustand sein konnte, aber ich war auch nicht in der Lage, das zu ändern. Erst nach 3 Jahren, als ich meinen Mann kennenlernte, der auch meine Eltern kannte, gab es den ersten Besuch und danach eine langsame weitere Annäherung.
Mein Mann hatte von Medjugorje gehört und interessierte sich dafür. Ihm zuliebe wollte ich noch einmal nach Medjugorje fahren. Als ich dann aber nach 2 Fehlgeburten wieder schwanger wurde, sagte ich ihm, er solle ohne mich fahren, was er dann auch tat. Mein Mann fuhr dann jedes Jahr nach Medjugorje, während ich froh war, die kleinen Kinder zu haben. Damit war für mich das Thema erledigt. Allerdings gab es in jeder Gemeinde in der ich war immer wieder Gespräche über Medjugorje und ich erlebte das immer so: die einen, die Medjugorje kannten, waren extrem dafür und die anderen, die noch nie dort gewesen waren, waren total dagegen. Ich lag irgendwie dazwischen. Ich glaubte an die Erscheinungen der Muttergottes in Medjugorje, aber es zog mich nichts dahin, also war ich auch nicht so euphorisch. Allerdings fand ich es auch nicht richtig, so extrem gegen Medjugorje zu sein, wenn man noch nicht dort war. Im November 1999 hatte es wiedermal ein Gespräch über Medjugorje gegeben und ich dachte auf einmal: „Du glaubst doch, dass die Muttergottes dort erscheint. Wenn sie kommt, dann kommt sie ja nicht einfach so. Was will sie eigentlich von uns?“ Diese Frage veranlasste mich, ein Buch mit den Botschaften der Muttergottes aus dem Regal zu holen, wo es schon 3 Jahre unberührt stand, und fing abends im Bett an, darin zu lesen. Bei fast jeder Botschaft weinte ich und dachte: „Das möchte ich leben. Das möchte ich leben.“ Das Lesen dieser Botschaften löste eine ganz starke Sehnsucht in mir aus, noch einmal nach Medjugorje zu fahren.
Vom 05. – 12. Juli 2000 wurde eine Flugreise angeboten zu der ich mich dann anmeldete. Ich fühlte mich zwar von den Botschaften der Muttergottes angesprochen, aber wenn ich an meine 1. Medjugorjereise dachte, dann zog mich auch nicht mehr so viel dahin. Damals war meine Schwester, die in die Gemeinschaft „Oase des Friedens“ eingetreten war, gerade in Medjugorje und ich dachte, wenn mir die Leute da alle zu fromm sind, dann besuche ich halt einfach meine Schwester. Als die Reise dann begann war ich in der 11./12. Schwangerschaftswoche.
Ich hatte mir vorgenommen, in Medjugorje beichten zu gehen und mal irgendwie mein ganzes Leben zu bereinigen. Und so stellte ich mich (mit noch 2 weiteren Frauen aus unserer Gruppe) schon am 2. Tag bei dem einzigen deutschsprachigen Priester der damals dort war zum Beichten an. Jedes Mal, kurz bevor ich oder eine der beiden Frauen dran waren, stand der Priester auf und ging weg. Und jedes Mal fiel mir noch etwas ein, was ich auch noch beichten wollte.
Da ich schwanger war und mir zu der Zeit auch oft schlecht war, ging ich nicht mit der Gruppe auf den Kreuzberg, wo ich ja sowieso nie mehr in meinem Leben hinwollte. Aber meine Schwester wollte unbedingt, dass ich da rauf gehe und bot sich an, an einem Abend mit mir dorthin zu gehen, wenn es nicht mehr so heiß ist.
Am 8. Juli war es dann so weit. Schon am Fuße des Kreuzbergs war ein Hund, der sich, sobald wir den Aufstieg begannen, uns anschloss und uns begleitete. Für mich mit meiner Hundeangst war das eine Tortur und vom Kreuzweg, den meine Schwester vorbetete bekam ich kaum etwas mit. Zur 2. Station gingen wir extra einen anderen Weg, aber als wir an der 2. Station ankamen, war auch der Hund wieder da und lief auch wieder mit zur 3. Station. Ich hatte so viel Angst davor wie schon lange nicht mehr und ich zog die Parallele, dass nun auch noch Gott mir den Hund hinterherschickt, wie damals mein Vater, um mir die Angst auszutreiben. An der 3. Station hielt ich es nicht mehr aus und wollte umkehren. Aber es kam eine kleine Gruppe aus Polen den Berg runter und meine Schwester bat sie, den Hund doch mit nach unten zu nehmen. Ein Mann versuchte das auch, aber der Hund blieb bei uns. Er rührte sich nicht vom Fleck. Sobald aber meine Schwester oder ich eine Bewegung machten, bewegte sich auch der Hund. Als alle Versuche scheiterten, ging die Gruppe den Berg hinab und der Hund begleitete uns zur 4. Station. An dieser Station sagte ich zu meiner Schwester, dass ich nun genug Kreuzweg gehabt hätte und so machten wir uns auf den Rückweg, gefolgt von dem Hund, der uns erst verließ, als wir wieder am Fuß des Kreuzbergs angelangt waren.
Wir entschlossen uns, zur Anbetung zu gehen, unterhielten uns dann aber sehr lange über meine Probleme und besonders auch über die 3 Jahre, in denen ich den Kontakt zur Familie abgebrochen hatte. Als wir dann doch schließlich auf dem großen Platz ankamen, wo die Anbetung stattfand, kamen wir gerade zum eucharistischen Segen dort an. Ich kniete mich einfach auf dem großen Platz in eine Bank und aufgewühlt durch unser Gespräch weinte und weinte ich. Ich spürte, dass meine Schwester den Arm um mich legte – normalerweise durfte das niemand – und ich ließ meinen Tränen freien Lauf. Auch das war für mich nicht „normal“. Plötzlich hörte mein Weinen schlagartig auf und sekundenlang empfand ich eine ganz tiefe innere Ruhe und einen ganz tiefen, kaum zu beschreibenden Frieden. Es war wie ein Angekommen sein, ein Gefühl ganz großer Geborgenheit. In diesem Empfinden der inneren Ruhe und des inneren Friedens empfand ich auch irgendwie, dass alles, worum wir uns hier in dieser Welt sorgen, ganz bedeutungslos oder geringfügig ist. Nicht, dass es Gott nicht interessiert, sondern dass ER für alles sorgt und sich um alles kümmert. Ich kann es nicht besser beschreiben.
Völlig überrascht jedenfalls über die plötzliche Unterbrechung meines Weinens und der damit verbundenen Empfindungen und auch neugierig geworden, schaute ich kurz auf und sah, dass Pater Slavko gerade zum nächsten Block ging, um mit der Monstranz die Menschen zu segnen. So wusste ich, dass meine Erfahrung genau in dem Moment stattgefunden hat, als Pater Slavko unseren Block gesegnet hat.
Nach dem eucharistischen Segen machten sich meine Schwester und ich auf den Heimweg, aber bevor wir auseinander gingen, gab sie mir ein ungefähr handgroßes Kreuz und sagte, dass ich das für die Zeit hier in Medjugorje behalten könne. Außerdem gab sie mir auch leihweise einen Rosenkranz, den sie vor kurzem auf dem Kreuzberg gefunden hatte. Ich steckte beides in meine Hosentasche und in der Pension legte ich Kreuz und Rosenkranz auch relativ achtlos auf dem Nachtschränkchen ab. Es war schon spät geworden, aber ich konnte nicht einschlafen. Im Gegensatz zu sonst störte mich das aber nicht weiter, sondern ich betete vor mich hin – besser gesagt: es betete in mir, was so kam. Und dann griff ich nach dem Kreuz, das auf dem Nachtschränkchen lag und legte es mir auf den Bauch. Ich kann nicht sagen, warum ich das tat. Ich dachte auch nichts dabei. Ich tat es einfach. Plötzlich kamen immer die Worte: „Im Kreuz ist Heil. Im Kreuz ist Leben. Im Kreuz ist Heil. Im Kreuz ist Leben….“ Zuerst war ich mir der Bedeutung dieser Worte nicht bewusst; aber dann wurde mir klar, dass diese Worte mir galten und dass ich das Kreuz und Leid nicht ablehnen soll, wie ich es sonst immer getan habe, sondern dass ich es annehmen soll. Und es erschien mir auch gar nicht mehr so schwer wie sonst, mit Kreuz zu leben. Zusätzlich zu diesem Erlebnis fing plötzlich das Kind in meinem Leib an sich zu bewegen. Normalerweise spürt man Kindsbewegungen erst so um den 5. Monat herum und ich war in der 12. Woche. Insgesamt dauerte das alles so ca. 3 Stunden. Ich habe in dem Moment der Erfahrung nicht darüber nachgedacht, dass das etwas Besonderes ist, nicht üblich. Es war halt so. Es hat auch eine ganze Weile gedauert, bis ich überhaupt gemerkt habe, dass ich eine Gotteserfahrung geschenkt bekommen habe.
Am 9. Juli erzählte meine Schwester mir dann, dass ein Priester aus ihrer Gemeinschaft kommen würde, bei dem ich dann vielleicht beichten könnte. Als ich ihn sah, dachte ich, dass ich auf keinen Fall bei ihm beichten würde. Er war noch sehr jung und sah gut aus… Als ich dann abends an den Platz an der Kirche kam, begegnete ich den beiden Frauen, mit denen ich bisher immer zum Beichten angesessen hatte und sie sagten, sie hätten heute den deutschsprachigen Priester angesprochen und wir könnten heute Abend bei ihm beichten. Aus meinem Mund kamen ganz spontan die Worte, dass ich am nächsten Tag in der „Oase des Friedens“ beichten würde. Jetzt hatte ich gar keine Wahl mehr und so ging ich am nächsten Tag dorthin und beichtete.
Nach meinem Sündenbekenntnis sagte der Priester zu mir, er würde mir nachher die Absolution erteilen und wenn ich wollte, würde er für mich ein Heilungsgebet sprechen. Ich wollte das. Zuerst sprach der Priester noch einiges Persönliches zu mir, dann gab er mir die Absolution und dann begann er mit dem Heilungsgebet. Dazu schloss er die Augen und er bat auch mich, die Augen zu schließen. Er legte mir die Hände auf und bat mich, mir einen Weg vorzustellen, wie es hier in Medjugorje viele gibt. Ich sollte mir vorstellen, dass ich in der Mitte des Weges stehe, so, wie ich jetzt bin. Dann betete er sozusagen mein ganzes Leben in den einzelnen Etappen zurück, bis in die Vergangenheit. Dabei wurden alle Dinge die gewesen sind und die der Priester aus der Beichte wusste im Gebet zu Jesus gebracht.
Während des Heilungsgebetes ereignete sich folgendes: Ich bekam zum Teil Bilder, zum Teil auch innere Empfindungen/Erfahrungen. Es war ein inneres Sehen oder auch ein Erspüren im Herzen.
Ich befand mich in einem schwarzen Bereich, den ich Dunkelheit oder Finsternis nennen würde. Über mir sah ich Jesus stehen. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, wohl aber seine Gestalt im weißen Gewand. So, wie der barmherzige Jesus auf dem Bild von Sr. Faustina. Allerdings kannte ich dieses Bild damals noch nicht. Jesus stand also über mir, beugte sich zu mir herab und reichte mir die Hand. Dabei empfand ich eine so starke Liebe, die von ihm ausging, die alle menschliche Liebe bei weitem übersteigt. Ich habe noch nie etwas Vergleichbares erlebt. Es war so, wie es in einem Psalm heißt: Ich habe dich aus der Finsternis in mein wunderbares Licht gezogen. „Neben“ der Finsternis und ganz unscheinbar kniete die Muttergottes. Sie hatte die Hände zum Gebet gefaltet.
Das Heilungsgebet ging weiter und als es um die Zeit ging, in der ich den Kontakt zu meiner Familie abgebrochen habe, sah ich einen Weg und es waren da meine Eltern und ich. Rechts von uns stand Jesus. Der Priester fragte im Heilungsgebet, ob ich meinen Eltern vergebe und ich spürte in mir ein ganz großes, freies „Ja“, das ich dann auch als Antwort gab. Damit verzieh ich meinen Eltern alles, wodurch sie mich verletzt hatten und wir umarmten und freuten uns. Jesus kam dazu, freute sich mit uns und verzieh auch mir.
In diesem Augenblick konnte ich die ganze Situation sehen: Meine Eltern und ich umarmten uns und Jesus umarmte uns alle drei mit großer Liebe und Freude. Während das geschah, spürte ich seine große Liebe.
Ich will das mal so ausdrücken: Wir waren eingehüllt in seine Liebe und gar nichts von den negativen Gefühlen, die ich immer meinen Eltern gegenüber hatte, war mehr da. Es war einfach nur noch Jesu Liebe da und in dieser Liebe die Versöhnung und eine tiefe Freude. (2 Jahre später hat die Versöhnung zwischen mir und meinen Eltern dann auch so stattgefunden: Wir haben uns gegenseitig um Verzeihung gebeten und uns umarmt, was ich mir früher nicht vorstellen konnte, dass das jemals möglich wäre.)
Im Heilungsgebet ging es dann um die Situation, als mein Vater den Hund auf mich gehetzt hat. Auch das konnte ich meinem Vater verzeihen in der Frage, die der Priester mir stellte. Und obwohl ich gewöhnlich bei der Vorstellung dieser Situation noch Angst und Unbehagen empfand, war das diesmal nicht der Fall. Ich weinte zwar, aber ich fühlte mich getröstet, ein Trost, den ich zuvor nie kennengelernt hatte. Es war ein befreiendes Weinen.
Der Priester betete dann noch weiter zurück bis zu meiner Geburt, und bis zu der Zeit im Mutterschoß. Dabei ging es immer wieder um die Vergebung all dessen, was meine Eltern möglicherweise in dieser Zeit falsch gemacht haben. Die Frage des Priesters nach meiner Vergebung konnte ich immer mit einem großen und freien „Ja“ beantworten. Für mich war in diesem Moment das Verzeihen gar keine Frage. Ich wollte es einfach aus ganzem Herzen.
Nach der Zeit im Mutterschoß betete der Priester noch weiter zurück an den Anfang, den Ursprung meines Seins, zu Gott, der mich erschaffen hat. In diesem Augenblick spürte ich sozusagen die Größe Gottes, von der alles Leben ausgeht. Es ist schwer auszudrücken. Ich sah die Hand Gottes, die ein ganz fertiges, kleines Baby hielt und es war klar, dass Gott es ist, der den Müttern dieses Geschenk macht. Die Kinder sind also vorher schon ganz fertig da. Sie müssen wohl noch den natürlichen menschlichen Werdegang durchlaufen, aber von Gott her sind sie schon ganz fertig da. Sie kommen von Gott. Sie sind Geschenke Gottes an diese Welt. In diesem Moment war auch klar, dass jede Art künstlicher Verhütung und erst recht jede Abtreibung eine große Sünde ist.
Dann erspürte ich folgendes: In der heutigen Zeit wird ja oft gesagt: „Wie kann man in eine solche Welt noch Kinder setzen?“ Ich erlebte in meinem Inneren (ich kann es nicht anders beschreiben), dass Gott in jeden einzelnen Menschen, den er in diese Welt schickt, seine ganze Liebe hineinlegt und ihm alle Gaben mitgibt die er braucht, um wieder zu Ihm zurückzukehren. ER hat ein ganz großes Vertrauen, dass dieser Mensch auch wieder zu Ihm zurückkehrt. Das ist das Ziel jedes Menschen. Ganz vage erspürte ich auch, dass wir Menschen die Aufgabe haben, andere Menschen auch wieder zu Ihm zurückzubringen. Gott ließ mich aber auch seine ganz große Traurigkeit erspüren die Er empfindet, wenn sich ein Mensch gegen Ihn entscheidet. Von Ihm her sind aber alle Weichen gestellt, dass das nicht geschieht. Dieses Erlebnis war weniger ein Bild, als vielmehr ein Erspüren im Herzen oder eine Mischung aus beidem.
Das Heilungsgebet ging dann weiter, indem der Priester mich aufforderte, dass ich jetzt im Geiste wieder an den Platz gehen soll, wo ich jetzt stehe. Dann betete er für meine Zukunft. Er sagte, dass wir ja noch nicht wissen, was die Zukunft bringt, aber dass ich Gott meine Zukunft anvertrauen und Ihm übergeben kann. Während dieses Gebetes sah ich einen weiten Weg vor mir, der gesäumt war mir vielen Kreuzen. Es waren Kreuze rechts und links des Weges, wie in einer Allee. Manche standen aufgerichtet, manche lagen, manche waren schräg stehend. Wieder empfand ich den Satz: „Im Kreuz ist Heil. Im Kreuz ist Leben.“ Es stand die Frage im Raum, ob ich bereit bin, diesen Weg zu gehen. Als ich die vielen Kreuze sah, erschrak ich und meine erste Regung war: „Nein“. Aber dann bildete sich in mir wie eine Frage: „In der Kraft Gottes?“ Und in dieser Frage lag so viel Liebe und Kraft, dass ich in mir auch nur noch dieses große „Ja“ empfunden habe. Die Angst vor ‚Kreuzweg‘ war plötzlich wie weg und es war klar, dass ich zwar nicht aus mir in der Lage sein würde, den Kreuzweg zu gehen, aber dass es für mich mit Gottes Hilfe möglich ist – eben in der Kraft Gottes. Und darin gab ich mein „Ja.“ Am Ende dieses Weges stand eine Art Thron, der aber verhüllt war. Das sollte den Himmel zeigen. Links des Weges kniete wieder ganz unscheinbar die Muttergottes mit zum Gebet gefalteten Händen. Sie war da in ganz demütiger Haltung. Jesus kam von rechts auf mich zu und streckte mir die Hand entgegen. Er nahm mich sozusagen in Empfang, als ich ankam. Alles war Verzeihung und Liebe und das tiefe Gefühl, mein Ziel erreicht zu haben, angekommen zu sein.
Während des Heilungsgebetes habe ich auch eine Art „Blick in die Ewigkeit“ oder wie ich es ausdrücken soll bekommen. Ich sah sozusagen, dass es für Gott keine Zeit gibt. ER lebt schon in der Ewigkeit und dort ist schon alles zu sehen: der Anfang bis zur Vollendung. Die heutige Zeit (Welt) ist darin irgendwo eingebettet. Es gibt eigentlich keine Trennung zwischen Himmel und Erde, wie wir das oft empfinden. Vom Himmel aus ist auch das Leben auf der Erde zu sehen. Nur umgekehrt sieht man auf der Erde nicht das Leben im Himmel. Aber der Himmel lebt mit uns. Alles ist Gottes Welt; wie es im großen Glaubensbekenntnis heißt:"… die sichtbare und die unsichtbare Welt."
Nach der Beichte und dem Heilungsgebet war ich bei der Gemeinschaft ‚Oase des Friedens‘ noch zum Essen eingeladen und alle schauten mich an und sagten: „Du siehst ja so anders aus! Deine Augen leuchten richtig!“
Ich wusste dazu gar nichts zu sagen. Ich dachte, die interpretieren jetzt da etwas hinein, weil ich halt beichten war. Für mich war noch nicht angekommen, dass ich Gottes Welt begegnet bin.
Auf dem Weg zur Kirche hatte ich verschiedene Liedtexte im Kopf, z. B. Alles vermag ich in dem der mich stark macht, alles vermag ich in Jesus Christus. (Und das fühlte ich auch.)
Oder: Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten.
Oder: Dein ist das Licht, das in meinen Augen leuchtet.
Als ich wieder auf meinem Zimmer war, schaute ich in den Spiegel und konnte nichts an meinen Augen entdecken. So dachte ich auch nicht weiter darüber nach. Es war überhaupt so, dass ich gar nicht realisiert habe, dass etwas außergewöhnlich ist. In meiner Gruppe wurde ich auch von den beiden Frauen nach meiner Beichte gefragt. Ich erzählte ein wenig, aber ganz normal und dachte mir auch nichts dabei. Aber die Frauen reagierten darauf irgendwie mit einem Staunen. Ich dachte: ‚Was haben die denn?‘
So ging es mir noch die restlichen Tage in Medjugorje. Ich habe diese Erfahrungen nicht als etwas Besonderes empfunden und war über die Reaktionen der Menschen völlig erstaunt. Erst auf der Rückfahrt im Bus dachte ich: Was war das eigentlich, was du da erlebt hast? Hattest du Halluzinationen? Bist du nicht mehr ganz normal? Aber das hast du dir ja nicht alles eingebildet.
Und dann dachte ich: Das war so schön, das erzähle ich niemandem. Ich kann nicht sagen, warum ich das dachte, aber es war so.
Und dann bildete sich in meinem Inneren der Satz: Das hast du nicht für dich allein bekommen.
Wie schon gesagt: Heute sind es genau 20 Jahre, dass ich diese Erfahrungen in Medjugorje gemacht habe und als ich daran dachte, traf mich dieser Satz plötzlich in meiner Seele: „Das hast du nicht für dich allein bekommen.“
So habe ich dieses Zeugnis nun aufgeschrieben zu Ehren der Muttergottes und der heiligsten Dreifaltigkeit, für die Bezeugung der Anwesenheit des Himmels in Medjugorje und für alle, die es lesen werden, dass sie ihre Herzen weit öffnen für Gott und ein Leben mit Ihm.
Gerne gebe ich nun dieses Zeugnis weiter.
G.S., 10. Juli 2020