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Fasten und Frieden

Frieden ist die Frucht des Geistes.

Frieden zu erreichen, ist die tiefste Sehnsucht des menschlichen Herzens. Alle unsere Taten, gute oder böse, sind Folge dieser Suche nach Frieden. Wenn der Mensch liebt, sucht er und erlebt er den Frieden, wenn er hasst und sich rächen will, sucht er Frieden, wenn er nüchtern bleibt und gegen die Sucht kämpft, sucht er Frieden, wenn er sich betrinkt, sucht er auch Frieden; wenn er betet, sucht er Frieden, wenn er flucht und übel nachredet, sucht er auch Frieden, wenn er für sein Leben und das Leben seiner Lieben kämpft, verwirklicht er Frieden; wenn er Hand an sich legt und Selbstmord begeht oder einen anderen tötet, sucht er Frieden. Jede menschliche Entscheidung ist, im Grunde genommen, eine Entscheidung für den Frieden.

Bei einer guten Tat handelt es sich natürlich um die Verwirklichung des persönlichen Friedens und des Friedens anderer Menschen, während man bei bösen Taten nur seinen eigenen Frieden zugunsten des Friedens anderer erlangen möchte.

Man betrachte es aus einer anderen Sicht: Wie oft haben wir nur unseren Frieden verloren, weil wir hochmütig, egoistisch, neidisch, eifersüchtig, habgierig, ehrsüchtig oder machthungrig waren? Die Erfahrung bestätigt, dass durch Fasten und Gebet das Böse, der Hochmut und der Egoismus besiegt werden können, das Herz geöffnet werden kann, und dass Liebe, Demut, Großzügigkeit und Güte wachsen, wodurch die echten Bedingungen für den Frieden realisiert werden.

Wer seinen Frieden durch Liebe und Vergebung erreicht hat, bewahrt seine seelische und körperliche Gesundheit und die Fähigkeit, sein Leben auf eine menschenwürdige Weise als das erhabenste Geschöpf Gottes zu gestalten. Durch Fasten und Gebet verringern sich die menschlichen Bedürfnisse und werden dadurch auf das richtige Maß zurückgeführt, was wieder als eine Voraussetzung für die Verwirklichung des Friedens und einer geordneten Beziehung zu anderen und dem Materiellen betrachtet werden kann.

Es ist also als ein wahres Missverständnis zu betrachten, wenn man Fasten auf eine negative Weise als Verzicht auf etwas erlebt, bzw. dass man dabei seine außerordentlich wohltuende Wirkung auf geistiger Ebene nicht erkennt. Deswegen ist es auch nicht möglich, Fasten durch gute Taten oder etwas Ähnliches zu ersetzen. Es ist uns jetzt verständlicher, warum nach Bekehrung, Fasten und Gebet immer Frieden als Gabe versprochen wurde.

Anselm Grün schreibt in seinem Buch über das Fasten:
"Gerade wenn ich im Fasten meine geistige Wache erlange und viele Mittel aufgebe, durch die ich meine Vergnügungen zu ersetzen versuche, die mich oft genug betäuben oder blenden, erkenne ich meine tiefste Wahrheit. Fasten befreit mich von der Hülle, die über meinen unruhigen Gedanken und Gefühlen schwebt. So kann sich alles zeigen, was in mir weilt, meine unerfüllten Wünsche und Sehnsüchte, meine Leidenschaften, meine Gedanken, die nur um mich, meinen Erfolg, meinen Besitz, meine Gesundheit, meine Bestätigung und meine Gefühle wie Zorn, Verbitterung, Trauer kreisen. Wunden, die durch viele Aktivitäten und Mittel für den Selbsttrost durch Essen und Trinken zuschütte, werden entdeckt. Alles, was unterdrückt wurde, kommt zum Vorschein. Fasten zeigt mir, wer ich bin. Es zeigt mir, wo ich bedroht bin und wo ich mit meinem Kampf beginnen muss!"

Fasten hilft dem Menschen, zu begreifen, wogegen er in sich selbst kämpfen muss. Nur so kann auch unser Unterbewusstsein von all dem befreit werden, was uns zu Unruhe und Verwirrung treibt, was der Seele Ruhe ermöglicht und die Voraussetzungen für den Frieden verschafft. Dieser Kampf wird bildlich im folgenden Text dargestellt.

"Wenn ein König eine feindliche Stadt erobern will, bemächtigt er sich zuerst des Wassers, und stellt jede Wasserzufuhr ab; wenn die Bewohner beginnen, an Hunger und Durst zu sterben, dann ergibt sich die Stadt. So ist es auch mit körperlichen Begierden: Wenn der Mönch durch Fasten und Hunger gegen sie kämpft, dann verlieren die Feinde der Seele ihre Kraft!"

Die Erfahrung bestätigt, dass man ohne Kampf gegen die inneren Feinde den Frieden nicht erlangen kann, und Fasten stellt ein erprobtes Mittel in diesem Kampf dar. Deshalb ist es kein Zufall, dass die Propheten und Jesus selbst, wie auch die gesamte kirchliche Tradition zum Fasten und Gebet aufgerufen haben, damit sich der Mensch dadurch den wahren Frieden öffnet. Das Problem liegt in der menschlichen Neigung, dem Ruf falscher Propheten zu folgen, die einen einfachen Weg zum Frieden versprechen, der eigentlich nicht existiert.

Quellenangaben: Text aus dem Buch "Mit dem Herzen fasten" von Pater Slavko Barbaric. Das Buch können Sie gerne bei der Gebetsaktion Wien (www.gebetsaktion.at/shop/pater-slavko-barbaric-mit-dem-herzen-fasten/) bestellen.