Zum Hauptinhalt springen

Warum Fasten?

Wir können drei tiefe Begründungen für das Fasten finden, die zugleich ein Schlüssel zum Frieden sind. Eine Begründung liegt auf der physischen, eine auf der psychologischen und eine auf der spirituellen Ebene.

Die physische Ebene
Bevor ich begonnen habe, zu den Menschen über das Fasten zu sprechen, habe ich mit verschiedenen Ärzten darüber geredet. Alle sagten, dass das Fasten guttue. Ich möchte jetzt nicht alle Reaktionen erklären, die in unserem Körper stattfinden, wenn man fastet. Ich sage nur dies: Das Fasten ist gut für unseren Organismus. Wenn man nach westlichen Verhältnissen normal isst, so isst man um ein Drittel mehr, als man nötig hätte. Dieses Drittel, das der Körper nicht braucht, bleibt auf unserem Organismus wie ein Gewicht liegen. Jeder Organismus hat seinen vom Schöpfer gegebenen biologischen Rhytmus. Wird er durch zu viel Essen überlastet, so kann auch das Herz seinen Rhytmus verlieren.
Auch die Abwehrkraft unseres Körpers gegen Krankheiten ist dann geschwächt usw. Die Ärzte erklären, dass Tage des Fastens zugleich auch Tage der Reinigung unseres Organismus sind.

Die psychologische Ebene
Die Menschen der westlichen Welt haben nicht nur das, was sie benötigen, sie haben sogar zu viel. Mit diesem Überfluss sind wir in Gefahr, unsere Seele und unser psychisches Leben darin zu ertränken. Wenn wir unser psychisches Leben ersticken, werden wir blind für das, was wir haben. Dabei haben wir das Gefühl, immer mehr zu benötigen. Indem wir nicht sehen, was wir haben, und indem wir immer mehr wollen, entstehen in unserer Seele Konflikte: Wir sehen nicht mehr das Wesentliche, sondern wir können nur noch das sehen, was wir nicht haben. Wenn Menschen in einem derartigen Zustand leben, verlieren sie psychische Kräfte.

Was ist psychische Kraft? Zum Beispiel nicht sofort zu verzweifeln, wenn man sich in einer schwierigen Situation befindet. Es gibt junge Leute, die, weil sie eine Prüfung nicht geschafft haben, in Depressionen verfallen oder sogar Selbstmord begehen. Viele beginnen zum Beispiel Drogen zu nehmen, weil sie nicht die psychische Kraft haben, der Versuchung der Droge zu widerstehen.

Oder die Ehescheidungen: Niemand heiratet einen Menschen, den er nicht liebt. Aber es gibt viele Scheidungen. Warum? Vielleicht können sie ihren Partner in einem besonderen Punkt nicht ausstehen. Sie haben nicht die Kraft, den anderen zu ertragen und ihm zu vergeben - die Familie wird zerstört.

Mit anderen Worten: Wenn wir alles zur Verfügung und im Übermaß haben, lernen wir etwas nicht, was aber für unser Leben sehr wichtig ist: zu warten, geduldig zu sein mit den anderen und mit den materiellen Dingen. Vor allem für die Jugendlichen ist das eine große Gefahr. Sie sind gewohnt, sofort alles zu bekommen, was sie wollen. So sind sie in Gefahr, nicht mit den Dingen leben zu können, ohne über sie auch verfügen zu können. So werden sie leicht egozentrisch: "Ich brauche alles. Ich bin Besitzer." Wenn sie später ins Leben hinaustreten, ins Studium, in ihre neue Familie, in die Arbeitswelt und dort Schwierigkeiten begegnen, haben sie dann nicht die Kraft, sie zu überwinden.

Was will uns das Fasten hier lehren? Zwei Tage mit allen Dingen, die wir haben, zu leben, ohne sie anzurühren, und am Donnerstag morgens zu sehen: "Schau, ich lebe." Und auch am Samstag zu sehen: "Gestern nichts gegessen, keine Schokolade und keine Kekse, und ich lebe noch immer." Es ist nicht leicht, mit den Dingen zu leben uns sie nicht anzurühren. Aber jene, die zu fasten beginnen, fangen an, dieses Verhalten zu erlernen. So entwickelt sich eine neue Kraft, Schwierigkeiten zu überwinden und mit Problemen zu leben.

Einfacher leben. Diese Welt der automatisierten Technik lehrt uns nicht, mit den Problemen zu leben. Wenn wir anderen Leuten begegnen, sind wir ungeduldig und verlieren die Nerven. Von hier aus kann man alle Selbstmorde, alle Scheidungen, alle Drogen- und Alkoholprobleme erklären. Wer es lernt, mit den Dingen zu leben, kann auch mit den Menschen leben. Jemand, der sich nicht von den materiellen Dingen blenden lässt, wird sehend, und er kann auch die anderen Menschen sehen. Jemand, der mit den materiellen Dingen leben kann, wird die Menschen in ihrer konkreten Situation erkennen. Er wird die Kraft und auch den Willen haben, ihnen zu helfen.

Wie viele Leute sind unglücklich, nur weil sie nicht mit den Dingen und den Menschen leben können. Wie viele Jugendliche in der westlichen Welt sind unglücklich, weil sie nicht noch mehr haben, anstatt zu sehen, was sie schon haben. Sieht man sich hingegen die Situation in Ländern an, wo Hunger herrscht oder wo es Flüchtlinge gibt- denken wir an jene von Vietnam oder Kambodscha -, so haben diese zwangsweise lernen müssen, dass man nicht sofort stirbt, wenn man nicht sofort bekommt, was man haben will.

Nicht, dass wir alle Hunger haben müssen, das würde die Muttergottes nicht wollen. Aber wie viele Menschen haben den Lebenswillen und die Lebensfreude verloren, nur weil sie irgend etwas Bestimmtes, Materielles nicht besitzen. Was aber ist wichtiger, das Leben als Gabe Gottes oder die materiellen Dinge des Lebens? Denken wir einmal darüber nach, wie viele Konflikte in der Familie wegen materieller Dinge entstehen!

Nicht alles haben müssen. Ein Mädchen, das zu fasten begonnen hatte, erzählte mir: "Jedes Mal, wenn ich aus Medjugorje zurückkehrte, schämte ich mich vor mir selbst, wenn ich meinen Kleiderschrank öffnete, denn sofort sah ich viele Sachen, die ich gar nicht benötige. Da war vor allem ein Kleid, das zuhause einen Krieg mit dem Vater und der Mutter ausgelöst hatte. Ich wollte es haben, uns sie sagten, sie hätten nicht genug Geld dafür. Aber da war nichts zu machen, ich wollte es, und ich bekam es. Und nun entdeckte ich, dass ich es vielleicht zwei- oder dreimal getragen hatte, und dann hatte ich es sein lassen. Ich sah, dass ich es nicht benötigte. Ich schämte mich und bat meine Eltern um Verzeihung."

Sie machte noch eine weitere Erfahrung, die vielleicht nicht allen gefallen wird, aber ich werde sie erzählen. Sie entdeckte, dass sie viel Zeit damit verbrachte, sich schön zu machen. Eines Tages kam sie dahinter, dass das Gesicht, das sie von Gott geschenkt bekommen hatte, auch schön ist. Nach dieser Erfahrung hörte sie auf, sich zu schminken. Und sie sagte: "Ich bemerkte, dass mir dann auch viel Geld übrig blieb. Dieses Geld verwende ich jetzt für die Armen."

Für die Jugendlichen bedeutet Fasten also vor allem, mit den Dingen leben zu lernen, die uns - Gott sei Dank - offenstehen und deren es genügend gibt.

Aber wie ist es mit den Kindern? Sicher sollen sie zwei Tage lang nicht nur von Brot leben. Wir wissen aber, dass viele Kinder zu viele Süßigkeiten essen. Wenn die Eltern zu fasten beginnen, können sie ihrem Kind sagen: "Schau, mittwochs und freitags wirst du nicht diese überflüssigen Dinge bekommen." Zuerst sollen die Erwachsenen mit dem Fasten beginnen, dann werden die Kinder sicherlich folgen.

Die Not lindern. Noch einmal: Auf dieser Stufe lernen wir, mit den anderen zu teilen. Auch am Beispiel jenes Mädchens, das ich erwähnte, können Sie erkennen, wie man Möglichkeiten entdeckt, anderen helfen zu können. Sehen Sie, es gibt viele auf der Welt, die froh wären, so leben zu können, wie wir fasten. Wir können das Brot wählen, sie aber sterben, wenn sie nicht dieses eine Stückchen Brot bekommen. Mit einem einzigen Stück Brot kann man noch leben. Wenn man nicht einmal das bekommt, stirbt man. Wenn unsere Liebe stärker wäre, hätten wir so viele Möglichkeiten, den Armen zu helfen. Was könnten wir in diesem Augenblick tun, wenn wir wüssten, dass unser Bruder oder Schwester in Afrika jetzt verhungert? Wir könnten nicht alles tun, aber doch vieles.

Den Frieden kann man lernen, indem man die anderen sieht, ihnen hilft und mit ihnen zu teilen versteht.

Die Spirituelle Ebene
Ganz einfach, man betet besser, wenn man fastet. Dann tritt man wirklich leichter in die Tiefe des Herzens, des Gebetes ein. Und tatsächlich ist man an den Fasttagen weniger zerstreut. Wenn wir besser beten wollen, werden wir zu fasten beginnen müssen.

Wenn wir fasten, und wir beten dabei, so hilft das dem Fasten. Und mit dem Fasten wächst unser Streben nach Gott. Wenn wir mit dem Brot leben, werden wir auch das Eucharistische Brot entdecken, und unsere Liebe zum Eucharistischen Jesus wird wachsen. Über die spirituelle Ebene des Fastens kann man lange sprechen. Man wird es verstehen, sobald man zu fasten beginnt. Indem wir fasten, öffnet sich auch der Geist für den Herrn, denn wir sehen, dass man nicht von Brot allein lebt, wie Jesus sagt, sondern auch von jedem Wort, das in das offene Herz dringt.

Aus dem Buch "Fasten" von Pater Slavko Barbaric
(Buch kann bei der Gebetsatkion Wien www.gebetsaktion.at/shop/pater-slavko-barbari/)