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Ein "Heiligtum" im Entstehen

von Pater Leonard Orec OFM

 Medjugorje wurde 1892 als Pfarre gegründet. Sie setzt sich zusammen aus den Dörfern Medjugorje, Bijakovici, Vionica, Surmanci, Miletina und einem Teil des Dorfes Crnopod. Diese Dörfer sind drei verschiedenen Gemeinden zugeordnet: Citluk, Capljina und Ljubuski.
 Die Pfarre hat eine Pfarrkirche und drei Filialkirchen. Die Pfarrkirche umfaßt einen Raum von etwa 700m² und wurde 1969 erbaut. Ungefähr zur gleichen Zeit entstanden auch die Filialkirchen in Vionica und in Miletina. Die kleinste Filialkirche steht in Surmanci. Sie wurde 1988 fertiggestellt. 

 Der Pfarrhof umfaßt mit den Kellerräumen zirka 130 m². Er wurde 1892 erbaut und 1961 umgebaut. 1984 wurden im Turm der Kirche drei Räume als Wohnung für Priester eingerichtet. Unmittelbar am Pfarrhof ist ein Zubau von etwa 20 m², in dem zwei geistliche Schwestern untergebracht sind. Drei andere Schwestern wohnen in dem kleinen Haus, das unlängst im Hofraum gegenüber vom Pfarrhof errichtet wurde.

 Das Pfarrgebiet hat mit allen Bewohnern der Dörfer rund 3000 Einwohner, von denen 60 dem islamischen Bekenntnis angehören. Die anderen sind in der katholischen Kirche getauft.
 Die Pfarre Medjugorje hat sich aus einer gewöhnlichen Landpfarre der Herzegowina allzu rasch zu einem Marienheiligtum von internationalem Gepräge entwickelt. Dies ist einerseits eine Überlastung und andererseits zugleich eine Chance. Wenn auch Millionen Pilger nach Medjugorje kommen, so hat Medjugorje bis heute noch keinen Quadratmeter sakralen Raumes mehr als vor 20 Jahren. Ebenso gibt es für das Personal, das hier beschäftigt ist, nicht mehr Wohnraum. Bis Ende April 1989 konnte man von der zuständigen Behörde keine Baubewilligung für ein geeignetes Gebäude erhalten. Es war unmöglich, eine Bewilligung für irgendein Gebäude, das kirchlichen Zwecken diente, zu erhalten. Seither haben wir mündliche Zusagen, daß wir provisorische Objekte errichten dürfen.
 Mit den Geldern aus den Spenden der Pilger wurden 1988 zirka 15.000m² und 1989 zirka 40.000 m² Grund erworben. Dies waren zum Großteil Weingärten in Form von Kleinflächen von vielen Besitzern. So konnte verhindert werden, daß unmittelbar um die Kirche private Siedlungshäuser entstehen. Aus demselben Grund mußten zwei begonnene Objekte aus privater Hand abgekauft werden, die aber nun für das Personal im pastoralen Bereich verwendet werden können.

 Ein neuer Zeitabschnitt im Leben der Pfarre Medjugorje, das ganze Phänomen Medjugorje überhaupt, begann Ende Juni 1981, als einige Burschen und Mädchen behaupteten "auf dem Podbrdo" im Dorfe Bijakovici erscheine ihnen die "Gospa" (Muttergottes), und daß die Gospa über sie die Leute und Völker zum Glauben, zu Gebet und Fasten, zur Umkehr und zum Frieden einlädt.
 Diese Botschaft verbreitete sich blitzartig und erfaßte die Herzegowina, Kroatien, Europa und die ganze Welt. Es begann ein großer Pilgerstrom von Menschen, angetrieben von den verschiedensten Motiven. Die Seher bezeugten vor allen Menschen, was sie erleben. Sie sprachen von den Botschaften der Muttergottes, von Zeichen usw. Sie gaben aber auch Forderungen der Muttergottes an die Pfarrangehörigen und an die Pilger weiter. Diese Forderungen waren nicht immer leicht und angenehm.
 Die Seher waren bereit, für die Wahrheit ihrer Aussagen beschimpft und ausgefragt zu werden, sich medizinischen Untersuchungen zu unterwerfen. Sie waren bereit, gepeinigt und sogar eingekerkert zu werden. Sie hatten keine Furcht, kirchlichen oder weltlichen Obrigkeiten zu begegnen. Mit Entschlossenheit und Klugheit legten sie Zeugnis von ihren Erlebnissen ab.

 Im Verlaufe dieser mehr als acht Jahren haben die Seher einen langen Weg der Entwicklung durchgemacht, als Menschen und auch als Christen. Zu Beginn der Erscheinungen war Jakov mit seinen zehn Jahren der Jüngste und Vicka mit kaum 17 Jahren die Älteste. Die Seher sind unter den mit den Erscheinungen in Zusammenhang stehenden Belastungen gewachsen. Bereitwillig widmeten sie ihre Aufmerksamkeit einer nahezu unüberschaubaren Zahl von Pilgern und einer Zerreißprobe von allergewöhnlichsten Fragen bis zu den raffiniertesten Zweckfragen der Geschäftemacherei. Es ist unglaublich, was ihnen alles angeboten, versprochen und geschenkt wurde; womit man ihnen Angst eingejagt und sie bedroht hat. Es ist geradezu ein Wunder, daß sie normal geblieben sind. Inzwischen hat sich die Seherin Ivanka Ivankovic verehelicht und vor kurzem auch Mirjana Dragicevic.

 Vicka Ivankovic, Marija Pavlovic, Ivan Dragicevic und Jakov Colo beteuern, daß ihnen auch jetzt noch jeden Tag die Muttergottes erscheint. Die Erscheinungen sind, ebenso wie früher, nicht an einen Ort, sondern an die Person gebunden.
 Ein Großteil der Pilger, wenn nicht sogar alle, wollen die Seher sehen, mit ihnen beten und nach Möglichkeit mit ihnen sprechen. Direkt oder über die Reiseführer suchen sie eine Begegnung mit den Sehern, und gewöhnlich verwirklichen sie diese Absicht vor dem Wohnhaus der einzelnen Seher. Diese Begegnungen, die vom frühen Morgen bis zum späten Abend andauern, erschöpfen die Seher physisch und psychisch, aber sie können sich ihnen nicht entziehen.

 Viele Pilger suchen ein Gespräch mit einem Priester. Soweit es uns die Zeit und unsere Kräfte erlauben, stehen wir ihnen gerne zur Verfügung. Diese Art von Pastoral scheint uns sehr wichtig, dafür aber wären viele freigestellte Priester nötig, welche die Sprache, die Probleme und die Nöte des heutigen Menschen kennen, und zwar des gesunden und des kranken Menschen. In diesen Gesprächen gehen Welten auf, neue Wege öffnen sich, Wege zu einer wahren und gründlichen Bekehrung.
 Beichtgespräche sind eine große Chance, aber sie können nur selten gründlich sein, weil gewöhnlich viele in der Reihe stehen, um zu beichten.

 Für die Nöte der vielen Pilger wären viele Priester notwendig, aber wir haben bei weitem nicht genügend. Zum Glück helfen uns die Mitbrüder aus der Umgebung und aus den Klöstern bereitwillig, jedoch ihre Hilfe besteht in der Hauptsache im Beichthören. Fast 80 Prozent der aktiven Mitbrüder aus unserer Provinz helfen uns gerne bei den Beichten am Abend, besonders samstags und sonntags.

 In der Kirche stehen vier Beichtstühle, aus denen - der Not gehorchend - acht gemacht wurden. Ansonsten sitzen die Beichtväter unter freiem Himmel, links von der Kirche, wo sie Sonne, Regen und Wind und allem anderen Unwetter ausgesetzt sind, desgleichen auch die Gläubigen, die zu Hunderten angestellt auf die Beichte warten. Damit die Beichtväter sowie die Beichtenden wenigstens etwas geschützt sind, wurde in der Nähe der Kirche eine Holzüberdachung errichtet, die zirka 200 m² Raum überdeckt, und unter der 20 Beichtstühle aufgestellt werden.

 Die jetzige Pfarrkirche kann zur Sommerzeit oft auch wochentags kaum ein Drittel der Pilger fassen. So ist es wichtig, an die Errichtung eines neuen sakralen Raumes zu denken. In diesem Sommer waren wir genötigt, die heilige Abendmesse außerhalb der Kirche, auf einem einfachen Holzpodium, zu feiern. Die Konzelebranten (einmal wurden 162 gezählt) mußten buchstäblich im Staub sitzen. Um einen würdigen Raum wenigstens für die Priester zu schaffen, begannen wir mit der Errichtung eines Freialtares, unter dessen Dach 120 Priestern Platz geboten wird.

 Besucher von Medjugorje empfinden es meist als Verpflichtung, daß sie das, was sie in Medjugorje begonnen haben, auch zu Hause leben. Aber nicht nur das, sondern sie sprechen auch davon, was sie gehört und gesehen haben. Sie leben die Botschaften der Gottesmutter und bringen sie zu anderen. So entsteht unter dem Einfluß von Medjugorje in der ganzen Welt ein Tatendrang zu verschiedenen religiösen Aktivitäten, die manchmal die Auswirkung einer Lawine annehmen: Je länger sie wird, desto mehr schwillt sie an. Was die einzelnen tun, bleibt gewöhnlich der Öffentlichkeit verborgen. Aber viele Anregungen, die sichtbar werden, wirken anziehend auf andere.
 In allen Teilen der Welt entstehen Gebetsgruppen, gegründet von Pilgern, die in Medjugorje vom Aufruf zum gemeinsamen Gebet inspiriert wurden. Wir haben keine genauen Unterlagen aber die Zahl der Gebetsgruppen, die unter dem Einfluß von Medjugorje entstanden sind, aber man kann mit Sicherheit annehmen, daß es mehrere Tausend sind.

 Pilger, die aus Medjugorje zurückkehren, verbreiten in iherer Umgebung die Botschaft des Friedens. Aus dieser Anregung begannen sich Zentren für den Frieden zu bilden, deren es schon einige Hundert in verschiedenen Ländern gibt. Sie organisieren unter anderem Gebetsversammlungen für den Frieden und unterstützen die Friedensbemühungen anderer.

 Wir sind im Geiste des Gehorsams bereit, zu warten, bis die Kirche ihr endgültiges Urteil über die Echtheit der Erscheinungen gesprochen hat. Wir können aber die Menschen deshalb nicht warten lassen, denn sie suchen die geistliche Nahrung heute. Wenn wir diese Menschen aufnehmen, müssen wir ihnen die Erfüllung der einfachsten Bedürfnisse ermöglichen: ein Dach über dem Kopf, um nicht im Regen zu stehen; daß sie einander als Mensch und als Christ begegnen können; daß wir ihnen Gottes Wort, aber auch ein warmes menschliches Wort bieten, Informationen geben; daß sie einen Ort zum Gebet finden.

 Das Phänomen Medjugorje - mag es noch so großartig sein -, bringt eine unsagbar große Zahl von Problemen verschiedener Art mit sich. Für die Arbeit mit den Pfarrangehörigen und besonders mit den Pilgern fehlt eine größere Anzahl von Priestern. Medjugorje verlangt heute eine pastorale Besatzung, die nicht nur von der Kirche in der Herzegowina, sondern vielmehr von der ganzen Kirche gestellt werden sollte.

Quellenangaben: www.gebetsaktion.at/cms/media/Heft016.pdf/Nr.16 im Jahre 1990