Es hängt nicht alles von uns Menschen ab
Pater Ivan Landeka war von 1988 bis 2000 in Medjugorje als Seelsorger tätig. In diese Zeit fiel der Krieg in Kroatien und in Bosnien und Herzegowina mit all seinen Tragödien. Zugleich fanden aber auch wichtige Weichenstellungen in Medjugorje statt, wie die Gründung des Informationszentrums im Heiligtum und des Radio Mir Medjugorje, das mittlerweile über Satellit in ganz Europa, im Nahen Osten und in Nordafrika empfangen werden kann.
Interview www.oasedesfriedens.at/ mit Pater Ivan Landeka.
P. Ivan, Sie waren von 1991 bis 2000 Pfarrer in Medjugorje. Wie sehen Sie, mit einigem Abstand, Ihre Zeit in Medjugorje?
Ich habe Medjugorje in den ersten Jahren von Humac aus kennen gelernt, also von einer bestimmten Distanz aus, und ich musste damals auch entscheiden, ob Medjugorje für mich etwas bedeutet oder ob das etwas ist, was mich überhaupt nicht anspricht. So konnte ich Medjugorje mit einem Abstand, zugleich aber auch aus der Nähe sehen und für mich bewerten. Es war dann eine gute Entscheidung, die ich 1982 getroffen habe, nämlich dass das, was sich in Medjugorje ereignet, auch mich etwas angeht!
Ich ging dann nach Medjugorje und habe dort zwölf Jahre verbracht. Jetzt, wieder in Humac, kann ich nüchtern und gleichsam wie aus der Ferne zurückblicken, was in diesen Jahren alles geschehen war, und mich auch mit den weiteren Entwicklungen von Medjugorje beschäftigen, das alles aber immer mit einem festen Glauben, dass das, was Medjugorje für die Pilger bedeutet, auch mich etwas angeht.
Die pastorale Arbeit
Für mich persönlich war die Tatsache, dass ich Medjugorje angenommen hatte und dann in der pastoralen Arbeit am Wallfahrtsort mitgeholfen habe, sehr wichtig. Das hat mich persönlich geprägt. Es hat mir sehr geholfen, mein priesterliches Leben besser zu verstehen, es mit Freude zu leben und einfach keine Angst zu haben, Priester zu sein. Das festigte meine Berufung und formte mich als Mensch, Priester und Christ. Deswegen denke ich mir auch, dass ich Medjugorje so viel verdanke. Ich habe jahrelang in Medjugorje gewirkt, einiges für Medjugorje tun können und tue auch heute noch manches. Aber das, was Medjugorje mir gegeben hat, ist unvergleichlich viel größer als das, was ich für Medjugorje getan habe. Und mit den Jahren wird mir das immer klarer. Ich konnte an diesem Ort das Leben des heutigen Menschen ganz hautnah kennen lernen. Es ist nicht einfach für uns Priester und Ordensleute, das eigentliche, tagtägliche Leben eines Christen zu begreifen. Es ist eine andere Art und Weise, wie wir leben, wie wir Gemeinschaft verstehen, wie wir sozusagen unsere Umgebung wahrnehmen.
Medjugorje war für mich eine Schule, wo ich so intensiv den Menschen begegnet bin und ihre Situation, ihre Nöte, ihre Suche nach Sinn, nach Gott und der Versöhnung, nach Spiritualität kennen gelernt habe. Besonders im Beichtstuhl durfte ich so eindrucksvoll erleben, wie tief ein Mensch fallen kann, und auf der anderen Seite wie schnell und einfach der Sprung in ein normales Leben gelingen kann.
Medjugorje ist für mich wie eine Schule des Lebens. Es zeigt uns, dass die Suche nach Gott nie zu Ende ist, so lange man lebt. Auch die zeitgeschichtlichen Ereignisse, auf die wir heute als Christen mit Sorge schauen, gehen weiter. Wann und wo eine Wende eintritt, liegt nicht nur an uns. Aber ich denke, wir brauchen Geduld, und einiges wird bessere Wege gehen, als wir es jetzt sehen.
Das Gebet im Leben des Priesters
Wenn ich auf diese Zeit, die ich in Medjugorje war, zurückblicke, denke ich an die wichtige Erfahrung, als mir aufging, was das Gebet im Leben eines Priesters, eines Ordensmannes, einer Ordensfrau bedeutet. Eine gute Spiritualität gehört normalerweise zu einem Priesterleben. Das ist aber nicht selbstverständlich, sondern man muss sich sehr große Mühe geben, um eine ernsthafte Spiritualität zu erlangen. Das ist auch eine Lücke in der Priesterausbildung. Das Spirituelle wird vielleicht theoretisch betont, im praktischen Leben hat es aber keinen wirklichen Stellenwert. Oft merken es junge Priester erst, wenn sie in die pastorale Arbeit einsteigen, dass sie in dieser Hinsicht etwas verpasst haben. Und dann spüren sie nicht selten schmerzlich, was diese Lücke in ihrem Leben bedeutet. Wenn diese Wunde nicht geheilt wird, ist ihr weiteres Wirken als Priester oft nicht einfach.
Nicht alles hängt vom Menschen ab
Eine andere sehr wichtige Erfahrung für mich war auch, dass nicht alles von uns Menschen abhängt. Obwohl ich in der Zeit in Medjugorje ab und zu hektisch, gestresst und nervös war, habe ich irgend wie auch eine Gelassenheit gehabt, mehr oder weniger auch eine Ruhe. Denn die Tatsache, dass ein Impuls durch Maria über einige Kinder mehr in Bewegung gesetzt hatte als die pastoralen Bemühungen tausender Priester es vermocht hätten, ließ mich irgendwie wissen, dass es nicht so sehr von mir abhängt, wie und auf welche Weise das Göttliche einem Menschen nahe tritt. Und das, was die Franziskaner in Medjugorje von Anfang an gemacht haben, war immer nur eine Mitarbeit. Ich denke, für uns Priester ist es sehr wichtig, dass wir unser Wirken als eine Mitarbeit verstehen. Dadurch wird unsere pastorale Arbeit auch viel einfacher. Ich denke, dass man gelassener die Aufgabe auf sich zukommen lassen kann. Das war für mich eine wichtige Erfahrung, denn wir heutige Menschen haben keine Geduld und bauen zu sehr auf uns selbst. Im christlichen Leben darf man aber nicht so einfach auf sich selbst bauen, da sonst vieles von Anfang an verbaut wird.
Die jungen Menschen sind eine Hoffnung
Eine andere wichtige Erfahrung für mich war, wie der junge Mensch denkt und wie er seine Zukunft sieht. Wir haben nicht selten eine nicht gute Meinung über die jungen Leute. Sie haben bestimmt ihre Probleme. Aber es ist eine ganz andere Welt, in der sie aufwachsen, es ist eine andere Welt, als die, in der ich aufgewachsen bin. Und ab und zu, denke ich, fehlt es mir deshalb auch an Verständnis, weil ich meine Kindheit und meine jungen Jahre anders gelebt habe. Ich habe gemerkt, dass so viele junge Menschen wirklich gute Menschen sind. Und das ist, denke ich, eine große Hoffnung für die Welt heute. Sie sind nicht nur Rebellen oder Menschen, die sich nur amüsieren und nur Spaß haben wollen. Natürlich gibt es zahlreiche, die diesen Weg ausgewählt haben. Aber dass es so viele gibt, die sich für einen anderen, aufrichtigen Weg entschieden haben, merkt man nicht so leicht. Denn sie drängen sich nicht in die Öffentlichkeit und haben kein Interesse, auf ihre Lebensführung großartig hinzuweisen. Sie sind nicht laut. Ich bin mir sicher, dass es in der heutigen Jugend ein Potential gibt, dass nicht nur für die Welt, sondern auch für die Kirche von großer Bedeutung sein wird.
Gott geht andere Wege
Eine andere wichtige Erfahrung war auch, dass sich Gott immer wieder Wege sucht, die nicht unsere menschlichen Wege sind. Ein Beispiel dafür ist Medjugorje, ein entlegener Ort, eine Pfarrei, die in kurzer Zeit ein Zentrum der Spiritualität wird. Warum wurde Medjugorje dazu bestimmt? Wir können nur antworten: Die Wege, die Gott in der Geschichte eingeschlagen hat, geht er weiter - sie sind immer voller Überraschungen und an ihrem Anfang unauffällig, still, leise.
Die Art und Weise, wie Gott gemäß der Hl. Schrift Mensch wurde - weit weg von jeder Öffentlichkeit, in aller Stille und Einfachheit - hat sich in der Kirchengeschichte immer wieder neu gezeigt. Ich denke, dass Medjugorje ein Phänomen ist, das man auch auf diese Weise beschreiben könnte: Gott geht seinen Weg, wie er ihn schon immer gegangen ist, voller Überraschungen und, im Sinne Gottes, von Erfolg gezeichnet.
Die Vergebung
Eine andere große Erfahrung kam auch mit dem Beichtehören: zu sehen, wie menschliches Leben positiv beeinflusst werden kann, wenn aus einem Sündenbekenntnis ein Glaubensbekenntnis wird; dass man sich sozusagen als jemanden sieht, der schwach und sündig ist und gerade dadurch die Erfahrung der Vergebung erleben kann. Diese Erfahrung ist nicht fassbar. Wenn einem vergeben wurde, kann man das nicht greifen. Man kann es nur in sich spüren als eine besondere innere Erfahrung. Dass das so einen positiven Einfluss auf die Menschen haben kann, war für mich eine große Erfahrung.
Vieles wäre noch zu sagen. Aber vielleicht konnte man erkennen, in welcher Weise Medjugorje für mich wichtig war.
Quellennachweis: www.oasedesfriedens.at/ - 2004