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Den „Früchten“ von Medjugorje kann man im Leben der Kirche immer wieder begegnen

Für eine Integration des „Phänomens Medjugorje“ in die normale Pastoral hat Kardinal Christoph Schönborn am Sonntag im Gespräch mit dem „Pressedienst der Erzdiözese Wien“ plädiert. Der Wiener Erzbischof hatte sich über die Jahreswende zu einem privaten Besuch und einer Begegnung mit der Gemeinschaft „Cenacolo“ in dem hercegovinischen Marienort aufgehalten. Kardinal Schönborn wollte den Ort sehen, von dem „viele positive Früchte“ ausgegangen sind.  Es sei notwendig, das Phänomen Medjugorje zu „entdramatisieren“, betonte der Wiener Erzbischof. Zweifellos sei der Anfangsimpuls von den „Seherinnen und Sehern“ ausgegangen, die 1981 – als es zu den ersten „Erscheinungen“ kam - noch Kinder waren. Inzwischen spielten diese außergewöhnlichen Vorgänge nur mehr eine untergeordnete Rolle. Faszinierend habe er gefunden, dass Medjugorje etwas wie eine „Schule des normalen christlichen Lebens“ sei: „Es geht dort um den Glauben an Christus, um das Gebet, um die Eucharistie, um gelebte Nächstenliebe, um das Wesentliche im Christentum, um die Stärkung im christlichen Alltagsleben“.  Der Wiener Erzbischof ist im übrigen dafür, das „Phänomen Medjugorje“ im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils zu studieren, der „sensus fidelium“, der Glaubenssinn der Getauften, spiele in den Vorgängen um Medjugorje eine wichtige Rolle.

Er wolle der Entscheidung der Weltkirche aber nicht vorgreifen, sondern sich lieber an den von der damaligen Jugoslawischen Bischofskonferenz 1991 formulierten „Leitlinien“ in Sachen Medjugorje orientieren, so Kardinal Schönborn. Diese - von der vatikanischen Glaubenskongregation zwei mal bestätigten – „Leitlinien“ seien „weise und richtungweisend“.  In den „Leitlinien“ werde betont, dass nicht feststeht, ob die Vorgänge in Medjugorje „übernatürlich“ sind. Die Frage der Übernatürlichkeit werde offen gelassen. Daraus ergebe sich, dass keine offiziellen Wallfahrten nach Medjugorje erlaubt sind. Zugleich werde in den „Leitlinien“ aber auch die Notwendigkeit der seelsorglichen Betreuung der Pilger unterstrichen.  Den Bischöfen sei es darum gegangen, einerseits  die Früchte nicht zu hindern und andererseits Irrwege abzuwehren. Ihn persönlich habe es  im übrigen sehr sympathisch berührt, dass die „Seherinnen“ sich als „normale und humorvolle junge Menschen“ herausgestellt hätten, sagte der Wiener Erzbischof.

Was bewegt die Pilger, die nach Medjugorje kommen? Kardinal Schönborn: „Die Pilger tun vor allem eines, sie beten. Jeden Tag wird von tausenden Menschen der ganze Psalter gebetet, es gibt eucharistische Anbetung, die Leute steigen auf den Kreuzberg mit dem 1933 errichteten Kreuz und beten den Kreuzweg oder auf den Berg Crnica im Ortsteil Bijakovici und beten den Rosenkranz“. Den „Früchten“ von Medjugorje könne man im Leben der Kirche immer wieder begegnen, betonte der Wiener Erzbischof. Ein wesentlicher Aspekt seien die Gebetsgruppen: „Der erste Gebetskreis in Wien hat sich Mitte der achtziger Jahre in der Dominikanerkirche gebildet. Die Kirche war immer voll, auch in den Sommermonaten. Beeindruckend war die große Zahl junger Leute“. Auch unter den jüngeren Priestern gebe es viele, deren Berufungsweg durch die Erfahrung von Medjugorje beeinflusst wurde. In Medjugorje komme es aber nicht nur zu Berufungen, sondern auch zu Bekehrungen. Bei seinem Besuch lernte Kardinal Schönborn einen italienischen TV-Moderator kennen, der in dem hercegovinischen Pilgerort eine tiefe Bekehrung erlebt hat. Medjugorje sei aber auch ein „Ort der Wiederentdeckung der Beichte“. Beeindruckend sei auch der weltkirchliche Aspekt – während seines kurzen Aufenthalts registrierte der Kardinal Pilgergruppen aus Italien, Deutschland, den USA, dem Libanon, Korea usw. Und das alljährlich im Juli stattfindende Jugendfestival ziehe 60.000 junge Leute aus aller Welt an. Besonders hob  der Wiener Erzbischof die große Zahl sozialer Werke hervor, die in Medjugorje entstanden sind: Die von Sr. Elvira Petrozzi begründete Gemeinschaft „Cenacolo“ für drogenabhängige Jugendliche erhielt in Medjugorje den Impuls zur weltweiten Ausbreitung, das „Mutterdorf“ („Majcino selo“) bietet seit den Balkankriegen Waisenkindern und vergewaltigten Frauen Zuflucht, aus der Begegnung einer Pilgerin aus dem afrikanischen Malawi mit einer schottischen Pilgergruppe unter Leitung von Magnus MacFarlane-Barrow entstand die Initiative „Mary’s Meals“, die hungernden Kindern in aller Welt tägliche Mahlzeiten sichert. Daher müsse man die Frage stellen, wie der Baum aussieht, der solche Früchte trägt, so Kardinal Schönborn. 

Auf Medjugorje träfen viele Aspekte zu, die der „Grammatik der Marienerscheinungen“ entsprechen: Es handelt sich um eine arme Gegend, deren Bewohner aber sehr religiös sind, die Visionen wurden – wie in Lourdes oder Fatima – Kindern zuteil, es handelt sich um ganz einfache Botschaften, die aber den Kern des Evangeliums betreffen. Bemerkenswert sei auch, dass Maria in  Medjugorje von Anfang an vor allem  als „Königin des Friedens“ verehrt wurde – zehn Jahre vor dem Ausbruch der Balkankriege. In Medjugorje werde klar, dass die Versöhnung mit Gott die Vorbedingung für die Versöhnung unter den Menschen ist. In den Botschaften seien wenige moralische Appelle enthalten, es gehe vielmehr um die Bekehrung der Herzen, weil sich dann viele Dinge mit „innerer Evidenz“  ordnen. Kardinal Schönborn: „Vielleicht sollten wir uns in der Kirche mehr von diesem Pastoralkonzept Mariens inspirieren lassen“. 

Quellennachweis: presse.stephanscom.at/