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Ist Medjugorje eine geistliche Bewegung in der Kirche?

Dirk Grothues

Inhalt dieser Seite

Einleitung

    Mit dem Stichwort MEDJUGORJE ist mehr gemeint als der Ort in der Herzegowina, der diesen Namen trägt. Gemeint ist die Bewegung, die dieser Name ausgelöst hat, seit Jugendliche bezeugen, dass ihnen am 24. Juni 1981 und seither immer wieder die Gospa, die Gottesmutter, die Mutter Jesu erschienen sei und bis heute erscheine. Man kann diese Bewegung in ihren wichtigsten Aspekten so beschreiben: Es ist zunächst eine PILGERBEWEGUNG. Viele Millionen aus allen Erdteilen sind bis heute zu diesem Wallfahrtsort gekommen. Des weiteren bezeichnet Medjugorje eine FRIEDENSBEWEGUNG, die von innen nach außen wirkt. Menschen erfahren dort in ihrem Herzen das Geschenk des Friedens und sind bereit, diesen Frieden weiterzugeben, wo sie leben: in Ehe und Familie, in der Nachbarschaft und in der Heimatgemeinde, im Beruf und in der Politik. Dabei motiviert sie außer der eigenen Erfahrung von Versöhnung und Frieden auch der Name, mit dem die Gospa sich den Seherinnen und Sehern vorgestellt hat: Ich bin die Königin des Friedens. Drittens kann man Medjugorje eine ERNEUERUNGSBEWEGUNG nennen, die das geistliche Leben von einzelnen, von Gruppen und Gemeinden nachhaltig erneuert. Eine große Schar von Menschen hat in Medjugorje tiefe spirituelle Erfahrungen gemacht: Äußere und innere Heilungen, Bekehrungen, Erneuerung von Gebet und Glauben, Impulse zu einem heilsamen Fasten, Freiwerden von Abhängigkeiten. Das auffälligste Kennzeichen solcher Erneuerung sind Gebetsgruppen, die von Medjugorjepilgern nach ihrer Rückkehr in ihren Gemeinden gegründet werden. Dort trifft man sich regelmäßig, gewöhnlich wöchentlich, zu Gebet und Anbetung, zum Lobpreis und Rosenkranzgebeten, zur Lesung der Heiligen Schrift und zum Austausch über das Evangelium und christliches Leben. Schließlich ist Medjugorje das Markenzeichen für eine BEWEGUNG HUMANITÄRER HILFE, die ihresgleichen sucht. Das wurde besonders deutlich, als der Balkankrieg begann und auf Bosnien/Herzegowina übergriff. Millionen von Pilgern, die in Medjugorje geistliche Gaben empfangen hatten, dankten es nun mit materieller Hilfe: mit Nahrung, Kleidung, Medikamenten und anderen Hilfsgütern, mit Geld und Patenschaften für verwaiste Kinder und Kriegsopfer.
    Mit dieser groben Skizze ist knapp umrissen, was gemeint ist, wenn von Medjugorje als einer Bewegung gesprochen wird. Zu erwähnen ist noch, dass diese Bewegung gespeist wird von den Botschaften, die vom 1. März 1984 bis zum 8. Januar 1987 wöchentlich und seither am 25. jeden Monats durch die Seherin Marija Pavlović als Botschaften der Gospa vermittelt werden. Sie sind in der Regel nur wenige Sätze lang und bestehen aus Impulsen, mit denen die fünf ursprünglichen Grundbotschaften - nämlich: Glaube und Umkehr, Gebet und Fasten sowie Frieden - konkretisiert werden.
    Die Doppelfrage, der wir uns im folgenden zuwenden, lautet: Ist diese von Medjugorje ausgehende Bewegung eine geistliche Bewegung - und steht sie in der Kirche? Zum genaueren Verständnis dieser Frage sind noch einige Anmerkungen nötig.
    Mit dem Blick auf die vorgestellte Skizze der Medjugorjebewegung könnte man sagen: es liegt doch auf der Hand, dass es sich hier um eine geistliche Bewegung handelt. Denn pilgern, beten und fasten, dem Frieden dienen und Notleidenden helfen - das spricht doch für sich selbst. Dennoch: ob eine Bewegung das Prädikat "geistlich" verdient, ist damit noch nicht eindeutig entschieden. Denn "geistlich" bedeutet im genauen Wortsinn, dass Gottes Heiliger Geist die wesentliche Triebkraft einer Bewegung ist; das aber darf man nicht fraglos voraussetzen. Manche Leute pilgern zu Orten, wo mehr Aberglaube als Glaube zuhause ist. Beten und fasten kann man auch nach der Art der Pharisäer, ohne dass man von Gottes Geist bewegt wird. Friedensinitiativen gibt es auch unter Menschen, die einfach den Krieg satt haben. Und Nächstenliebe findet man auch unter Philanthropen, die nicht immer gottgläubig sind. Ähnlich verhält es sich mit der zweiten Frage, ob Medjugorje eine Bewegung in der Kirche ist. Auch hier spricht auf den ersten Blick alles dafür: die Liturgie wird nach den Richtlinien des erneuerten kirchlichen Gottesdienstes gefeiert, die Sakramente vorschriftsmäßig gespendet; die Predigten orientieren sich an der Heiligen Schrift und am Glauben der Kirche. Im Laufe der Jahre haben neben über 20 Millionen gläubigen Katholiken auch Tausende von Priestern und über 200 Bischöfe Medjugorje besucht und sich anerkennend geäußert. Manche sind mit dem ausdrücklichen Segen des Papstes gekommen. Gleichwohl: immer wieder einmal taucht der Verdacht auf, dass Medjugorje sektiererisch sein könnte. Der Bischof von Mostar bezichtigt die Franziskaner, die mit Medjugorje verbunden sind, der Manipulation und des Ungehorsams. Eine kirchliche Anerkennung im Sinne einer Glaubwürdigkeitserklärung der Erscheinungen und Botschaften gibt es bislang nicht. Offizielle Äußerungen klingen eher gegenteilig. So sagte am 14. September 1996 Kardinal Kuhariæ in einem Interview: "Die Bischofskonferenz hält an dem Urteil, das sie vor dem Krieg über Medjugorje gefällt hat, noch fest. Aufgrund der Untersuchungen, die drei Jahre lang durchgeführt wurden, kam man zum Schluss, dass in Medjugorje keine übernatürlichen Erscheinungen stattfinden" (Heft 43, Seite 13 der Gebetsaktion Maria, Königin des Friedens, Wien).
    Diese wenigen Anmerkungen mögen genügen, um den Ernst und die Dringlichkeit unserer Doppelfrage nach der Geistlichkeit und Kirchlichkeit der Medjugorjebewegung zu unterstreichen.

Ist Medjugorje eine geistliche Bewegung?

    Um darauf eine begründete Antwort zu finden, ist zunächst nach ihrem Ursprung zu fragen. Ohne jeden Zweifel nahm die Medjugorjebewegung am 24. Juni 1981 ihren Anfang, als einige Jugendliche am Podbrdo, einem Hügel vor dem Berg Crnica, eine erste Erscheinung der Muttergottes hatten, der weitere am gleichen Ort in den nächsten Tagen folgten. Bei der zweiten Erscheinung, am 25. Juni, kam es zum ersten Sprechkontakt zwischen der Erscheinung und der Gruppe der von da an sechs Seherinnen und Seher, nämlich: Vicka Ivanković (16), Mirjana Dragićević (16), Marija Pavlović (16), Ivanka Ivanković (15), Ivan Dragićević (16) und Jakov Čolo (10). Die Nachricht von den Erscheinungen verbreitete sich wie ein Lauffeuer, verursachte Massenaufläufe und rief damit sowohl die örtlichen kirchlichen Autoritäten wie auch die damals noch kommunistischen Behörden auf den Plan.
    Zur Prüfung der Frage, ob dieser Ursprung der Medjugorjebewegung geistlich, also von Gottes Geist bewirkt ist, muss zum einen erforscht werden, ob es für dieses Phänomen irgendwelche natürliche Erklärungen gibt. Sollte das nicht der Fall sein, muss zum andern untersucht werden, ob die positiven Eigenschaften nachweisbar sind, die die Kirche in der Lehre von der Unterscheidung der Geister für maßgeblich hält.
    An natürlichen Erklärungen für das Phänomen von Erscheinungen und Botschaften solcher Art kommen vor allem infrage: Psychisches Kranksein, Einbildung durch Suggestion, Halluzination durch Drogen und schließlich Manipulation. Alle diese Möglichkeiten sind gründlich erwogen und in Betracht gezogen worden. Ich erinnere daran, daß Pater Jozo Zovko, der erst am 27. Juni von Exerzitienvorträgen zurückkehrte, und sein Kaplan, Pater Zrinko Cuvalo zunächst vermutet haben, es könnte Drogenkonsum im Spiele sein. Pater Jozo begann gleich nach seiner Rückkehr die Jugendlichen einzeln zu befragen. Davon gibt es Tonbandaufzeichnungen. Der Verdacht auf Drogeneinnahme erwies sich als haltlos. Stattdessen hegte Pater Jozo den Verdacht, es könnte sich um eine kommunistische Manipulation der Jugendlichen handeln, um ihm zu schaden und ihn lächerlich zu machen. Am selben Tag noch wurden die Seher von Beamten der SUP (Kripo) nach Čitluk geholt, ausgefragt und ärztlich untersucht. Das Ergebnis: Die jungen Leute sind gesund, und bei ihnen ist keine Spur von Rauschgifteinwirkung festzustellen. Ich erinnere an die Untersuchung, die ein französisches Ärzteteam aus Montpellier während einer Erscheinung durchgeführt hat. Auch dabei ergaben sich keine Hinweise auf irgendwelche körperlichen oder psychische Krankheiten. Stattdessen stellten die Ärzte alle Anzeichen einer echten Ekstase fest, bei der die Seher für Sinneseindrücke unempfindlich sind und mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit "in einer anderen Welt" sind. Ich erinnere schließlich an die gründliche ärztliche Untersuchung, die auf Veranlassung der kirchlichen Untersuchungskommission von Fachärzten verschiedener Disziplinen vorgenommen wurde. Auch hier ergaben sich keinerlei Hinweise auf irgendwelche Krankheiten. Über alle diese Untersuchungen gibt es Dokumentationen und Publikationen. Ebenso ist Manipulation, also Betrug und Lüge, für den Ursprung der Medjugorjebewegung auszuschließen. Die Jugendlichen haben sich keinen Scherz erlaubt. Auch haben weder die Kommunisten die Jugendlichen manipuliert, um Pater Jozo lächerlich zu machen, noch haben die Franziskaner manipuliert, um in ihrem Konflikt mit dem Bischof von Mostar sozusagen den Himmel auf ihre Seite zu ziehen. Für den Fortgang der Erscheinungen und Botschaften muss auf diesen Vorwurf freilich noch einmal besonders eingegangen werden, weil er von prominenter Seite, von Bischof Pavao Žanić, erhoben worden und von seinem Nachfolger, Bischof Ratko Perić, bislang nicht zurückgenommen worden ist. Ich komme karauf in Teil II. zurück, wo es um die Kirchlickeit von Medjugorje geht. Zunächst aber fragen wir uns, ob sich die positiven Eigenschaften, die die Kirche in ihrer Lehre von der Unterscheidung der Geister von echten prophetischen Erscheinungen und Botschaften verlangt, nachweisen lassen.
    Nach dem Wort Jesu in Mt 7,20 lassen sich echte und falsche Propheten an ihren Früchten erkennen. Dasselbe Kriterium spielt auch für die Beurteilung von Erscheinungen und Botschaften eine wichtige Rolle. Mir selber ist dazu ein Wort von Kardinal Kuharić aus dem Jahr 1983 in lebhafter Erinnerung. Ich hatte damals die Gelegenheit, ihn in einer Privataudienz nach seiner Meinung zu Medjugorje zu befragen. Er antwortete ohne Zögern: Wenn ich das biblische Kriterium der Früchte anwende, ist Medjugorje echt. Ähnlich hat der Erzbischof von Split, Dr. Frane Franić, einmal gesagt: Die religiöse Erneuerung, die von Medjugorje ausgeht, hat in drei Jahren mehr bewirkt, als das, was wir in 40 Jahren mit unserer Seelsorge erreicht haben. Diese Urteile sind durch die Entwicklung in den folgenden Jahren bestätigt und verstärkt worden. Denn Medjugorje trägt Früchte in der ganzen Welt. Es gibt viele geistliche Berufe, die sich Medjugorje verdanken. 14 davon hat Jörg Müller in dem Buch "Danke, Maria" veröffentlicht. Neue geistliche Gemeinschaften sind in Medjugorje entstanden wie die "Oase des Friedens" und "Kraljica mira". Andere Gemeinschaften empfingen und empfangen in Medjugorje geistliche Anregungen für ihr Leben und Wirken. Eine von ihnen ist die Therapeutische Gemeinschaft von Sr. Elvira, Cenacolo, wo Drogen- und Alkoholabhängige Heilung finden. Eine andere die "Gemeinschaft der Seligpreisungen". Viele andere, ältere wie jüngere Ordensgemeinschaften haben sich beim Pfarramt in Medjugorje erkundigt, ob sie dort ein Grundstück erwerben und eine Niederlassung gründen könnten. Das ist höchst bemerkenswert und für unsere Frage bedeutsam, weil Ordensgemeinschaften ein besonders sensibles geistliches Gespür haben. Neben ungezählten Bekehrungen gibt es Hunderte von Zeugnissen über unerklärliche Heilungen. In der Pfarrgemeinde von Medjugorje sind Charismen aufgeblüht. Es entstanden dort Gebetsgruppen, die sich seit Jahren regelmäßig treffen. Der sonntägliche wie der werktägliche Gottesdienstbesuch liegen weit über dem Durchschnitt anderer katholischer Gemeinden. Von Pilgern wird immer wieder die Gastfreundschaft der einheimischen Bevölkerung gerühmt. Viele Gemeindemitglieder geben unaufdringlich Zeugnis von ihrem Glauben. In besonderer Weise gilt dies vom Leben und Zeugnis der Seherinnen und Seher. Schon bei meinem Besuch 1983 habe ich mich verwundert gefragt, wie sie den steten Andrang der Pilger, die oft bis in ihre häusliche Privatsphäre vordringen, verkraften. Inzwischen stehen sie seit mehr als 16 Jahren im Mittelpunkt weltweiten Interesses, werden in ferne Länder eingeladen, stehen öffentlich Rede und Antwort - und sind doch einfach und natürlich geblieben. Sie haben kein Interesse, ihr Ansehen und ihren Dienst in materiellen Gewinn umzusetzen. Vielmehr verstehen sie sich als Zeugen der Gospa, nach deren Botschaften sie zu leben versuchen.
    Stichwort Botschaften! Zu den ca. 150 Donnerstagsbotschaften kommen jetzt seit über elf Jahren die Monatsbotschaften hinzu, also beinahe die gleiche Anzahl. Die nahezu 300 Botschaften sind in der ganzen Welt und in vielen Sprachen verbreitet. Bei der Beurteilung von Botschaften ist für die Kirche wichtig, ob sie mit der Heiligen Schrift und mit der Lehre der Kirche übereinstimmen. Ferner ist für den geistlichen Charakter der Botschaften der Glaubenssinn der Gläubigen, die diese Botschaften leben und damit spirituelle Erfahrungen machen, als Instanz zuständig. Interessant ist, was eine Diplomarbeit an der Uni Wien ergeben hat. Nach Auskunft des bekannnten Pastoraltheologen Paul Zulehner liegen die Botschaften voll auf der Linie der biblischen Tradition. Ich bin überzeugt, dass das Zeugnis der Gläubigen wie auch eine eingehende theologische Prüfung zum selben Ergebnis führen, nämlich dass es sich bei den Botschaften um echte Prophetie handelt. Mit anderen Worten: dass sie geistlichen Ursprungs sind und dass sie kirchlich sind. Damit meine ich, dass ihre Befolgung nicht aus der Kirche herausführt, sondern tiefer in sie hineinführt.
    Es würde den Rahmen dieses Referates sprengen, für diese Überzeugung eine eingehende Begründung zu liefern. Stattdessen möchte ich auf eine Beobachtung hinweisen, die Sie selber nachprüfen können: Die Botschaften der Gospa nehmen keine Stellung zu Vorgängen, die in den Bereich staatlicher oder kirchlicher Kompetenz fallen. Es gibt keine Botschaften, die im Hinblick auf den Golfkrieg und den Balkankrieg der einen oder anderen Seite Recht oder Unrecht zugesprochen hätten. Es gibt keine Botschaft, in der kirchliche Bewegungen und Gruppen beurteilt, verurteilt oder bevorzugt werden. Die Gospa nimmt keine Stellung zur Frage von Hand- oder Mundkommunion. Und selbst zu dem jahrzehntelangen Konflikt zwischen den Franziskanern in der Herzegowina und den Bischöfen von Mostar findet sich in den öffentlichen Botschaften keine Stellungnahme. Auf die eine und andere private Botschaft in dieser Angelegenheit komme ich in Teil II. noch zu sprechen. Viele Gläubige, die den Marienbotschaften von Medjugorje Glauben schenken, haben sich über deren Mangel an Aktualität verwundert geäußert. Und manche meinen: Dazu müsste die Gottesmutter doch einnmal ein klares Wort sagen. Für mich liegt in dieser Enthaltsamkeit ein deutliches Glaubwürdigkeitskriterium! Nach meiner Überzeugung zeigt sich hier der Respekt der Gospa gegenüber den von Gott eingesetzten weltlichen wie kirchlichen Autoritäten. Würde sie zwischen konkurrierenden kirchlichen Gruppen parteilich Stellung nehmen, käme außerdem leicht der Verdacht auf, dass die Botschaften von interessierter Seite beeinflusst wären. Die Gottesmutter aber hat sich als Königin des Friedens vorgestellt, und ihr Anliegen ist Versöhnung. Deshalb genügen die zentralen biblischen Themen wie Gebet und Glaube, Umkehr und Fasten. Sie dienen, ganz anders als Parteinahme und Schuldzuweisung, als Wege zum Frieden und zur Versöhnung mit Gott und unter den Menschen. Vor allem zeigt sich mir in dieser Zurückhaltung der Respekt der Gospa vor der Würde und Freiheit der Menschen, wie er beispielsweise in der Botschaft vom 25.11.1987 zum Ausdruck kommt, in der es heißt: "Liebe Kinder, ich liebe euch unermesslich und wünsche, dass jeder von euch mir gehöre. Aber Gott hat jedem die Freiheit gegeben, die ich in Liebe achte und vor der ich mich in Demut verneige." Ich habe noch keinen Psychologen gefunden, der mir erklären konnte, wie ein solches Wort über die Lippen einer jungen Frau kommen kann, die in den geläufigen Vorstellungen kirchlicher Marienfrömmigkeit aufgewachsen ist: Die Gottesmutter verneigt sich in Demut vor unserer Freiheit, auch wenn diese sich ihren Einladungen verschließt, und achtet sie in Liebe! Für mich liegt auf der Hand: So etwas kann nur sie selber sagen.
    Ich ziehe aus den bisherigen Überlegungen das Fazit: Die Medjugorjebewegung ist in ihrem Ursprung und in ihrem bisherigen Verlauf eine geistliche Bewegung. Sie ist mehr als Menschenwerk. Sie stammt vom Himmel. Ihr entscheidender Antrieb ist das Geistwirken Gottes, der die Mutter Jesu als Königin des Friedens erscheinen und zur Welt sprechen lässt.

Ist Medjugorje eine Bewegung in der Kirche?

    Wir haben festgestellt, dass die Medjugorjebewegung in ihrem Ursprung geistlich ist. Daraus kann man schließen: dann muss sie in ihrem Ursprung auch kirchlich sein. Ist doch der Hl. Geist, durch den unser menschliches Handeln geistlich wird, die Seele, das innerste Lebensprinzip der Kirche. Zentrale Lebensäußerung der Kirche ist die Feier der Sakramente. Das trifft im besonderen Maße für Medjugorje zu. Absoluter Mittelpunkt des Lebens wie auch der Gemeinde so auch der Pilger ist dort die Eucharistiefeier. Im Hinblick auf das Bußsakrament nennt man Medjugorje mit Recht den größten Beichtstuhl der Welt. Die Mitglieder der Pfarrgemeinde, die Seherinnen und Seher und die Franziskaner sind getaufte und gläubige Katholiken, gehören zur Kirche, sind Kirche. Deshalb ist auch die Bewegung, die sie ausgelöst haben, eine Bewegung in der Kirche. Der schon erwähnte Wiener Pastoraltheologe Zulehner hat vor 10 Jahren Medjugorje mit 40 Theologiestudenten besucht. Er fasste seine Eindrücke so zusammen: Medjugorje ist für mich so etwas wie ein Noviziat für die Kirche. Ein Ort, wo grundlegende kirchliche Lebensvollzüge eingeübt werden. Nun hat die Kirche zwei Aspekte. Sie ist hierarchisch geordnete amtliche Kirche, und sie ist das laós, das Volk Gottes und die Laien. Diese haben ihre besonderen Charismen, sind beseelt vom Hl. Geist, "der einem jeden seine besonderen Gaben zuteilt, wie er will" (1 Kor 12,11). Dasselbe drückt der Apostel Paulus an anderer Stelle so aus: "Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut" (Eph 2,20). Zur Kirche gehören also unverzichtlich das hierarchische Amt (sprich: Diakone, Priester, Bischöfe und der Papst als Bischof von Rom), aber ebenso auch die Propheten (sprich: geisterfüllte Frauen und Männer und auch Kinder). In der Apostelgeschichte heißt es: "Eure Söhne und Töchter werden prophetisch reden, eure jungen Männer werden Gesichte schauen (2,17b). Die Regel sollte sein, dass die Amtsträger und die Charismatiker, Priester und Propheten, Amtskirche und Volkskirche einträchtig zusammenwirken. Aber das ist leider nicht immer der Fall. Oft gibt es zwischen ihnen Spannungen und Konflikte. Und dabei kann die eine wie die andere Seite sich verfehlen. Die Kirchengeschichte bietet dafür genügend Beispiele. Das kirchliche Amt kann sich - wo es nicht mit höchster Autorität unfehlbar spricht - irren und sich gegenüber echten Propheten und Prophetien verschließen. So hat die Amtskirche z. B. die Jungfrau von Orléans als Ketzerin verbrannt, bevor sie zur Einsicht kam, dass diese eine Heilige ist und in Gottes Auftrag handelte. Die Geschichte vieler Orden und geistlicher Gemeinschaften in der Kirche zeigt, dass ihre geistbewegten Gründerinnen und Gründer oft auf harten amtskirchlichen Widerstand und Widerspruch trafen, bevor sie schließlich anerkannt wurden. Im Zusammenspiel von Amt und Charisma, von Amtsträgern und Propheten haben beide Seiten von Gott ihre besondere Gabe und Aufgabe. Die Propheten, die sich unmittelbar von Gottes Geist berufen und bewegt wissen, müssen zu ihrer Sendung stehen und notfalls Gott mehr gehorchen als den Amtsträgern der Kirche, wenn diese ihnen den Mund verbieten wollen - durchaus vergleichbar den Aposteln vor dem Hohen Rat (siehe Apg 4,18-20). Wieviel Schwierigkeiten und Anfeindungen hat z. B. Bernadette von Soubirous vonseiten kirchlicher Vertreter erleiden müssen, ehe ihre Sendung nach jahrelangen Verdächtigungen anerkannt wurde. Wieviel Unverständnis und Misstrauen mussten die Kinder von Fatima durchleiden, ehe die Kirche sich dazu entschloss, ihre Erscheinungen und Botschaften als glaubwürdig anzuerkennen. Auf der anderen Seite hat das Amt in der Kirche den Auftrag, Propheten und Prophetien zu prüfen, ob sie aus Gott sind; denn es gibt ja auch falsche Propheten und falsche Prophetien.
    Was nun die Medjugorjebewegung angeht, so haben wir es derzeit mit genau diesem klassischen Konflikt in der Kirche zu tun. Die Seherinnen und Seher wissen sich von Gott in Dienst genommen und bezeugen ihre geistlichen Erfahrungen, ihre Begegnungen mit der Gospa. Die amtlichen Seelsorger von Medjugorje haben sie geprüft und sind zu der Überzeugung gekommen: wir habe es mit echten, von Gottes Geist bewirkten Erscheinungen und Botschaften zu tun. Am Ort selber gehen also apostolisches Amt (= die Priester und Seelsorger der Gemeinde) und prophetisches Charisma (= die Seherinnen und Seher) einmütig miteinander. Das Gegeneinander findet auf der höheren Amtsebene statt: zwischen der Ortsgemeinde von Medjugorje und inzwischen darüberhinaus der weltweiten Medjugorjebewegung einerseits und dem Bischof von Mostar und den meisten seiner Amtskollegen in der Bischofskonferenz auf der anderen Seite. Der Konflikt kommt deutlich in dem schon herangezogenem Interview von Franjo Kardinal Kuharic zum Ausdruck, wo er feststellt: "Die Bischofskonferenz hält an dem Urteil, das sie vor dem Krieg über Medjugorje gefällt hat, noch fest. Aufgrund der Untersuchungen, die drei Jahre lang durchgeführt wurden, kam man zum Schluss, dass in Medjugorje keine übernatürlichen Erscheinungen stattfinden."
    Sehen wir uns diese bemerkenswerte Äußerung genauer an. Im Jahre 1996 hält die Bischofskonferenz an dem Urteil fest, das sie in der Erklärung von Zadar am 11. April 1991 getroffen hat. Dieses Urteil ist damals gefällt worden aufgrund von Untersuchungen, die die 1986 eingesetzte Kommission drei Jahre lang vorgenommen hat, also etwa in der Zeit von 1987 bis 1990. Damit wird indirekt zugegeben, dass die ersten sechs Jahre wie auch die sechs Jahre seit 1991, in denen kriegsbedingt keine Untersuchungen stattfanden, unberücksichtigt geblieben sind. In diesen zwölf Jahren hat das Phänomen Medjugorje aber vital existiert! In den Kriegsjahren hat es eine fast unglaubliche Resonanz an tatkräftiger Hilfe auf die Not in Bosnien/Herzegowina gegeben, und zwar nachweislich von Pilgern und Gruppen, die durch Medjugorje motiviert waren. Trotz des Krieges, der bis an die Ortsgrenze von Medjugorje herangetragen wurde, ist der Erscheinungsort unbeschädigt und eine Oase des Friedens geblieben. Kann man das alles unberücksichtigt lassen? In der von Hass und Feindschaft hochemotionalisierten Atmosphäre des Krieges kamen aus Medjugorje, aus dem Mund der Seherin Vicka, Worte wie: Wir müssen auch die Serben, unsere Feinde, lieben! Ist das alles rein natürlich erklärbar? Wer sich ein wenig auskennt in den zahlreichen Bemühungen, das Phänomen Medjugorje zu ergründen, wundert sich über das - gelinde gesagt - leichtfertige Urteil der Bischofskonferenz, dass in Medjugorje keine übernatürlichen Erscheinungen stattfinden. Was ist mit der Tatsache, dass nach allen ärztlichen Gutachen die Seherinnen und Seher psychisch gesund und normal sind? Was ist mit der Tatsache, dass sich die jungen Leute nach fachwissenschaftlicher Untersuchung durch Professor Joyeux während ihrer Visionen in echter Ekstase befanden, die man nicht simulieren und künstlich herbeiführen kann? Was ist mit den vielen hundert Heilungen, die nach ärztlicher Auskunft nicht auf medizinische Kunst zurückzuführen sind? Nicht zu reden von den zahllosen Bekehrungen und geistlichen Erfahrungen, die aus ungläubigen und kirchenfernen Menschen gläubige Christen gemacht haben?
    Nun wird man der Bischofskonferenz nicht Verantwortungslosigkeit unterstellen wollen? Aber wie lässt sich sich die mangelnde Gründlichkeit ihrer Untersuchungen verstehen? Ich selber habe dafür nur die folgende Erklärung: Offenbar hat es der Bischof von Mostar verstanden, seine persönliche Deutung des Phänomens Medjugorje der Mehrzahl seiner Kollegen so zu vermitteln, dass sie sich seiner Einschätzung angeschlossen haben oder sich eines eigenen Urteils enthielten. Das dürfte ihnen umso leichter gefallen sein, als er das Phänomen Medjugorje mit dem "Fall Herzegowina" vermischt hat, in dem die Bischöfe gegenüber den Franziskanern Partei sind. Wenn aber das Phänomen Medjugorje schon klar ist, wie der Bischof in seiner Stellungnahme zu den Ereignissen von Medjugorje vom 30. Oktober 1984 und später noch einmal - trotz einer römischen Auflage, sich zurückzuhalten! In einer Erklärung vom 9. Februar 1990 behauptet hat, was gibt es dann noch zu untersuchen? Dann braucht man auch nicht die Millionen von Pilgern zu beachten, die nach Medjugorje strömen. Dann kann man ihre Erfahrungen, Bekehrungen und Heilungen abtun mit der Bemerkung, dass es das alles auch anderswo gebe. Dann kann man den Glaubenssinn der Gläubigen außer acht lassen, den Papst Pius XII. so hoch eingeschätzt hat, dass er die Definition des Dogmas von der leibhaftigen Aufnahme Marias in die himmlische Herrlichkeit erst vornahm, nachdem er alle Bischöfe der Weltkirche befragt hatte, was denn die Gläubigen ihrer Diözese darüber denken würden. Wenn das Phänomen Medjugorje hinreichend erklärt ist, kann man sich weitere Untersuchungen im Grunde ersparen. Dann kann ein Bischof, wie in der Tat geschehen, auf die entsprechende Frage eines Journalisten antworten: Was 12 Millionen Pilger glauben, interessiert mich nicht. Für mich ist entscheidend, was 20 kroatische Bischöfe sagen.
    Wenn wir hier die Frage behandeln, ob Medjugorje eine Bewegung in der Kirche ist, kommen wir nicht umhin, uns noch genauer mit der Meinung des Bischofs Pavao Žanić zu befassen und auseinanderzusetzen, zumal diese Meinung von seinem Nachfolger Ratko Perić übernommen worden ist und auch von anderen kroatischen Bischöfen geteilt oder doch geduldet wird. Der Bischof von Mostar ist überzeugt, dass Medjugorje keine kirchliche Bewegung, sondern eine Bewegung gegen die Kirche ist. Dementsprechend gibt er vor, mit seinen Veröffentlichungen die Kirche vor Schaden bewahren zu wollen. In der Schlussfolgerung seiner Erklärung vom 30. Oktober 1984 schreibt er: in ihm sei "die moralische Gewissheit reif geworden, dass es sich bei den Ereignissen von Medjugorje um einen Fall von kollektiver Halluzination handelt". Diese Angelegenheit sei dann von einer Gruppe von Franziskanern geschickt ausgebeutet worden. Ihr Ziel sei es, in der Frage der Teilung der Pfarreien (der "Fall Herzegowina") Wahrheit und Recht für sich zu verbuchen und dem Bischof Unrecht zu geben.
    Den Hauptschuldigen sieht er in P. Tomislav Vlašić. In seiner letzten Stellungnahme vom 9. Februar 1990 heißt es: "Vicka Ivanković ist die 'Hauptseherin' der ersten Jahre, und über sie startete der Schöpfer Medjugorjes, Pater Tomislav Vlašić, den größten Teil der Lüge über Medjugorje." Auch Marija Pavlović ist für ihn "nur ein Spielzeug in den Händen von Vlašić", und am Ende behauptet der Bischof: "So hat Pater Vlašić alle Seher manipuliert." Dabei hat Bischof Žaniæ in der ersten Zeit selber an die Erscheinungen geglaubt. Er hat öffentlich erklärt: "Die Kinder lügen nicht." In seiner Erklärung von 1984 gibt er zu, er habe für seine Person gedacht: "Wenn der skandalöse Fall "Herzegowina"... nicht auf menschlichen Wegen hat gelöst werden können, dann hat vielleicht Gott die Madonna herabsenden wollen, um die Ungehorsamen anzutreiben, zum Gehorsam und zur Liebe der Kirche zurückzukehren." Was aber hat dann bei ihm den Umschwung bewirkt? Hier spielt der Fall der beiden Franziskaner Ivica Vego und Ivan Prusina eine bedeutsame Rolle. Die beiden Kapläne waren von Bischof Žaniæ wegen Ungehorsam suspendiert und auf sein Drängen hin aus dem Orden ausgeschlossen worden. In dieser Angelegenheit soll die Gospa auf Befragen gesagt haben, dass der Bischof überstürzt gehandelt habe. Die beiden seien nicht schuldig. Von da an, so scheint es, wurde der Bischof zum radikalen Gegner von Medjugorje. In der Erklärung von 1984 schreibt er: "dass die Angriffe der Madonna gegen den Bischof und die Verteidigung der Expatres von Mostar die stärksten Beweise gegen die Echtheit von Medjugorje sind." Sein Gedankengang ist demnach, um es auf einen kurzen Nenner zu bringen: Eine Muttergottes, die einen Bischof kritisiert, kann nicht die Muttergottes sein! Dazu zwei Anmerkungen. Aus der Kirchengeschichte kennen wir genügend Beispiele, wie Propheten hohe und höchste Amtsträger kritisiert haben. Was z. B. die heiligen prophetischen Frauen Birgitta von Schweden und Katharina von Sienna im Auftrag Gottes dem Papst Gregor XI. mitgeteilt haben, um ihn zur Rückkehr von Avignon nach Rom zu bewegen, übertrifft an Kritik und Ermahnung bei weitem alles, was Bischof Žaniæ zu hören bekam. Dabei ist zu beachten, dass diese Mitteilungen von den Franziskanern und den Sehern als persönliche Mitteilungen äußerst diskret behandelt und nie veröffentlicht worden sind. Das hat Bischof Žaniæ vielmehr selber besorgt. Wohl deshalb, weil er meinte, dies sei der stärkste Beweis gegen die Echtheit der Erscheinungen. Wie durchschlagend dieses Argument ist, mag jeder für sich beurteilen. Die zweite Anmerkung: In der Angelegenheit der beiden Patres Vego und Prusina hat Rom ein bemerkenswertes Urteil gefällt: Ihnen sei Unrecht geschehen. Sie seien ohne die Beachtung des notwendigen Verfahrens ausgeschlossen worden. Klingt das nicht fast so, wie das, was die Gospa gesagt haben soll: der Bischof habe überstürzt gehandelt?
    Mit seiner Verurteilung der Medjugorjebewegung glaubt der Bischof von Mostar, die Kirche schützen zu müssen. In seinen Augen ist sie eine antikirchliche Bewegung. Er schreibt: "Die größte Gefahr steckt in der Tatsache, dass diese ganze emotionelle Aufregung um Medjugorje sich früher oder später auflösen wird wie ein Ballon oder eine Seifenblase." Und dann würde eine große Desillusionierung eintreten und die Autorität der Kirche in Mißkredit geraten. - Nun, bisher ist der Medjugorjeballon nicht geplatzt. Er wird immer größer und die Medjugorjebewegung bringt geistliche Früchte in der ganzen Welt, nicht zum Schaden, sondern zum Segen für die Kirche.
    Was am Anfang dieser Untersuchung mit einem Fragezeichen versehen war: Ist Medjugorje eine geistliche Bewegung in der Kirche?, können wir nun mit stichhaltigen Gründen mit einem Ausrufezeichen versehen: MEDJUGORJE IST EINE GEISTLICHE BEWEGUNG IN DER KIRCHE!

Was zu tun dringend notwendig ist!

    Ein klassisches Prinzip der katholischen Soziallehre ist das Subsidiaritätsprinzip. Es besagt, dass Aufgaben und Konflikte zunächst auf der unteren Ebene zu lösen sind. Sobald sich herausstellt, dass die untere Ebene damit überfordert ist, muss die nächsthöhere Ebene zu Hilfe kommen. Das ist im Fall Medjugorje geschehen. Als sich zeigte, dass da die bischöfliche Untersuchungskommission von Mostar ihrer Aufgabe nicht gewachsen war, wurde auf römische Anordnung hin die Jugoslawische Bischofskonferenz beauftragt, den Fall zu übernehmen. Inzwischen zeigt sich überdeutlich, dass auch die Bischofskonferenz damit überfordert ist. Man beachte nur die aufschlussreiche Bemerkung von Kardinal Kuhariæ in dem schon zitierten Interview von 1996. "Die Bischofskonferenz hält an dem Urteil, das sie vor dem Krieg über Medjugorje gefällt hat, noch fest." Das klingt so, als wolle man dieses Urteil möglicherweise revidieren. Aber wie denn? Wie denn, wenn die Untersuchungskommission überhaupt nicht ernsthaft arbeitet? Ob sie es nicht kann oder ob sie es nicht will: in diesem dringenden Fall, der die ganze Kirche betrifft, muss nach dem Subsidiartitätsprinzip nun die letzte und höchste Instanz aktiv werden. Jetzt sind die römische Glaubenskongregation und der Papst gefragt. Es muss eine neutrale, unabhängige Kommission aus Theologen und Fachleuten gebildet werden, bei der alles auf den Tisch kommt und geprüft wird. Eine Kommission, die nach dem Grundsatz vorgeht: audiatur et altera pars! Beide Seiten müssen gehört und beide Seiten müssen ernstgenommen werden. Die Vertreter und Befürworter der Medjugorjebewegung und ihre Gegner.
    Wie dringlich der Einsatz der letzten und höchsten Instanz der Kirche ist, mag ein interessanter Vorgang erläutern, der sich schon 1983 abgespielt hat. Der slowenische Jesuit R. Grafenauer wollte sich eine eigene Meinung über Medjugorje bilden. Er besuchte Bischof Žaniæ in Mostar, blieb drei Tage dort und besprach sich mit ihm und hörte 20 Tonbandkassetten an, die der Bischof u. a. bei seinen Gesprächen mit den Seherkindern aufgenommen hat. Daher war der Fall Medjugorje für ihn erledigt. Das Material schien ihm zu beweisen, daß Medjugorje nicht echt sein könnte. Als er dann auf Drängen des Bischofs doch noch nach Medjugorje fuhr, die Seherinnen und Seher, die Gemeinde und auch Pater Tomislav Vlašić, den Pfarrer kennengelernt und gesprochen hatte, änderte er seine Meinung vollständig und kam zu der Überzeugung, dass die Erscheinungen echt seien. Man sieht an diesem Beispiel sehr gut, dass beide Seiten starke Argumente haben. Ich selbst gestehe gerne ein, dass ich mich nie für Medjugorje interessiert hätte, wenn ich nichts als nur das Papier des Bischof Žaniæ kennen würde. Da werden Äußerungen der Gospa angeführt, die sehr fragwürdig sind. Da gibt es Widersprüche und Ungereimtheiten in den Aussagen der Seherinnen und Seher, die nicht leicht aufzulösen sind. Da bleibt
z. B. die Frage offen, ob Vicka Ivankoviæ ein Tagebuch geführt hat oder nicht. Trotz dieser und anderer Probleme bin ich mit Theologen wie René Laurentin und Hans Urs von Balthasar der Meinung, dass sie nicht ins Gewicht fallen, wenn man sie mit den Zeichen der Echtheit vergleicht. Hilfreiches und Klärendes hat dazu P. Ljudevit Rupèiæ in seinem Buch "Die Wahrheit über Medjugorje" geschrieben. Es versteht sich als eine Antwort auf die Erklärung des Bischofs von 1990. Was bestimmte Worte der Gospa in der Wiedergabe der Seherinnen und Seher angeht, so muss man auch das Wort der verantwortlichen Seelsorger von Medjugorje lesen, das von theologischer Kompetenz zeugt und 1986 herausgegeben wurde. Es macht auf mögliche Fehlerquellen aufmerksam und warnt davor, interessegeleitete Fragen in den Erscheinungsvorgang einzubringen. Schließlich ist für eine Beurteilung von Erscheinungen und Botschaften mit zu bedenken, was Karl Rahner in seinem Buch "Visionen und Prophezeiungen" geschrieben hat (Tyrolia Verlag, Innsbruck, 1952). Ich meine vor allem seine Unterscheidung von mystischen Visionen, die einzelnen Menschen gelten, und prophetischen Visionen, die für Kirche und Welt bedeutsam sind und für die er den Begriff "Privatoffenbarung" in Frage stellt. Beachtenswert ist weiter, was er über die Mitbeteiligung der Psyche bei der Umwandlung der empfangenen Visionen und Auditionen in Bild und Wort schreibt.
    Der Fall Grafenauer zeigt, dass es wenig Aussicht auf Erfolg gibt, wenn Gegner und Befürworter von Medjugorje sich an einen Tisch setzen, um den Fall zu klären. Jeder hat seine Argumente und längst seine Option getroffen. Jeder ist davon überzeugt, die Wahrheit auf seiner Seite zu haben. Ein Grund mehr für das subsidiäre Eintreten der höchsten kirchlichen Instanz im Fall Medjugorje. Für die Beurteilung von Erscheinungen und Botschaften gibt es in der Sprache der römischen Theologie drei klassische Formulierungen: 1. Constat de non supernaturalitate, 2. Constat de supernaturalitate, und 3. Non constat de supernaturalitate. Es ist für Nichtfachleute zugegebenermaßen schwierig, die dritte dieser Formeln richtig zu interpretieren. In der Tat ist das Urteil "Non constat de supernaturalitate" in Presseschlagzeilen so wiedergegeben worden: Nichts Übernatürliches in Medjugorje! Wobei dieses Urteil von Zadar tatsächlich den Fall Medjugorje offen lässt: Es steht nicht fest, ob die Ereignisse von Medjugorje einen übernatürlichen Charakter haben. Man kann es verzeihlich finden, dass Journalisten in ihrem hektischen Tagesgeschäft sich derart irren, besonders wenn die Pressemitteilungen des Bischofs von Mostar die Erklärung von Zadar derart missinterpretieren. Erstaunlich ist allerdings, dass selbst einem Kardinal eine solche Fehlinformation unterläuft, wie sie in dem Interview vom 14. September 1996 in der Wiener Zeitschrift MEDJUGORJE dokumentiert ist. Zeugt sie vielleicht von einer negativen Voreingenommenheit?
    Noch einmal zurück zur Sache, um die es geht. Der Bischof Pavao Žanić geht davon aus, dass die Franziskaner den "Fall Herzegowina" in das Phänomen von Medjugorje hineingemischt haben. Pater Tomislav Vlašić hingegen erklärt, dass er immer bemüht gewesen sei, die Erscheinungen von Medjugorje nicht mit dem "Fall Herzegowina" zu belasten. Ich frage mich: Könnte es nicht sein, dass die Königin des Friedens mit ihrem Aufruf zu Umkehr und Versöhnung auch den "Fall Herzegowina" im Blick hat? Nachdem Marija Pavlović am 26. Juni 1981 die Gospa sah, wie sie vor dem Kreuz stehend unter Tränen sagte: "Friede, Friede, ihr müsst Frieden suchen!", haben sich viele gefragt: Was meint sie denn? Wir haben doch Frieden! Ja, es gab keinen Krieg. Aber es war kein Frieden in der Kirche der Herzegowina. Es gab und es gibt bis heute den "Fall Herzegowina". Und der belastet die Kirche sehr und steht ihren Bemühungen um Frieden in der Welt mehr im Wege, als es auf den ersten Blick scheint. Die Gospa hat nicht direkt auf diesen Punkt hingewiesen. Sie sagte damals zu Marija Pavlović: "Es muss wieder Frieden auf der Welt geben." Aber dabei kommt der Kirche eine überragende Rolle zu! Ist sie doch nach einer Aussage des II. Vaticanum "gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit. " Die Kirche kann dieses Werkzeug für Versöhnung und Frieden in der Hand Gottes aber nicht sein, wenn sie in sich zerrissen ist und in sich selbst keine Einheit und keinen Frieden hat. Deshalb kommt nach den Worten des Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben TERTIO MILLENNIO ADVENIENTE zur Jahrtausendwende der Wiedervereinigung aller Christen höchste Priorität zu. Nur eine einige Christenheit kann die Welt so evangelisieren, dass diese an Christus glauben kann (Joh 17,21: alle sollen eins sein ... damit die Welt glaubt ...). Ebenso dringend wünscht der Papst ein Zusammenwirken der großen Weltreligionen, die sich so oft bekämpft und der Welt ein Gegenzeugnis zum Frieden gegeben haben. Wie aber, das ist die Frage, soll die Kirche das alles bewirken, wenn sie in sich selbst uneins ist? Von da aus wird verständlich, dass die Gospa in einer späteren Privatbotschaft, von der Vicka berichtet, gesagt hat, dass der Zwiespalt in der Herzegowina eine große Schande sei. Es gibt sicherlich noch andere Konflikte in der Kirche, die ebenfalls überwunden werden müssen, weil sie die Glaubwürdigkeit ihrer Friedens- und Versöhnungsversuche verdunkeln. Aber dieser "Fall Herzegowina" auf der Grenze zur Orthodoxie und zum Islam ist sicher besonders gravierend. Sollte es der Königin des Friedens also auch und nicht zuletzt um die Lösung dieses Konfliktes gehen, dann läge ihre Initiative haargenau auf der Linie des Papstes: von einer in sich geeinten Kirche über die Wiedervereinigung aller Christen zu einer neuen Evangelisierung, von einem Einvernehmen der großen Religionen zum Frieden unter den Völkern, zum Frieden auf der Welt. Noch einmal die Gospa: Es muss wieder Frieden auf der Welt geben. Wenn die Friedensbewegung von Medjugorje mit der Ausrichtung des Pontifikates von Johannes Paul II. so synchron zusammenläuft, ist das ein weiterer Beweis dafür, dass diese Bewegung geistlich und in der Kirche ist. Und ein weiterer Grund, dass sich die Kirche auf höchster Ebene damit befasst.
    Was zu tun ist notwendig? Wir haben bisher vor allem über das gesprochen, was Rom tun müsste. Ein letztes Wort zu dem, was wir und alle anderen tun können, die sich in der Medjugorjebewegung engagieren. Das eine ist, dass jeder, so gut er kann, die Botschaften zu leben versucht, die die Königin des Friedens uns so geduldig und unermüdlich ans Herz legt. Ein anderes ist, dass wir in allen Medjugorjezentren und Gebetsgruppen darauf achten, dass die ursprüngliche Botschaft nicht verfälscht oder verdunkelt wird. Medjugorje ist nicht irgendeine fromme Gebetsbewegung. Ihr Programm ist nicht einfach das einer beliebigen Volksmission, wie sie von Zeit zu Zeit in unseren Gemeinden angeboten wird. Beten ist gut, fasten ist gut, zur Hl. Messe gehen ist gut, regelmäßig zur Beichte gehen ist gut, die Hl. Schrift lesen ist gut. Aber wenn wir nicht begreifen, dass es bei aller persönlichen Frömmigkeit umfassend um Frieden und Versöhnung geht, der hat den Kern der Botschaften von Medjugorje noch nicht richtig verstanden. Sicher geht es immer auch um "Rette deine Seele". Zentral für Medjugorje aber ist die biblische Botschaft: es geht Gott um die Einheit seines Volkes, um Frieden auf der Erde, um die Rettung der Welt.

Dirk Grothues

Dirk Grothues, geboren 1928, Priesterweihe 1955 in Münster, Deutschland. Kaplan in einer Arbeitergemeinde, Religionslehrer an Gymnasien, Seelsorger in einer Klinik für psychosomatische Medizin, beratende Dienste in Ehe- und Familienfragen, Spiritual bei geistlichen Gemeinschaften, von 1968 bis 1995 theologischer Mitarbeiter der Bistumszeitung "Kirche und Leben", Rektor im Provinzhaus der Vorsehungsschwestern in Münster. Erster Besuch in Medjugorje 1983. Seit 1987 geistlicher Beirat im "Zentrum Maria, Königin des Friedens, Medjugorje", Mitarbeit bei Theologischen Tagungen und Publikationen zu den Erscheinungen und Botschaften von Medjugorje.

Quellennachweis

www.medjugorje.hr