- von Pfr. Thomas Sauter, Vorarlberg -

Gerade in diesen Tagen ist es uns so bewusst: Wir brauchen die Barmherzigkeit Gottes. Jedoch sind der Barmherzigkeitssonntag und die damit verbundenen Gnaden vielen nicht vertraut. Pfr. Thomas Sauter zeigt uns die Verheißungen Jesu, die mit diesem Tag einhergehen, auf und lädt uns ein, das Gnadenfest des Barmherzigkeitssonntags bewusst mitzufeiern.

In meiner Kirche steht vorne im Altarraum ein großes Bild des Barmherzigen Jesus, mit dem dazugehörigen Schriftzug „Jesus, ich vertraue auf Dich“, das uns durch die heilige Sr. Faustyna Kowalska bekannt ist. Und in unserer Gottesdienstordnung findet man noch so ziemlich regelmäßig den Hinweis: „15 Uhr Barmherzigkeitsstunde“. Dann ereignete sich folgendes: Eines Tages kamen zwei „hauptamtliche Kirchenmänner“, um sich in der Erlöserkirche etwas „umzuschauen“. Das ist ja übrigens nicht verboten. Sie wollten einfach wissen und sich informieren, was es so alles gibt, welche Veranstaltungen angeboten werden, wie der Schriftenstand bestückt ist und die Gottesdienstordnung aussieht. Denn von der Gottesdienstordnung kann man ja auch ziemlich einfach auf den Pfarrer schließen. Doch plötzlich fiel ihr Blick auf die „Barmherzigkeitsstunde“ und der eine sagte zum anderen: „Schau mal, die brauchen hier noch Barmherzigkeit.“ Woher ich das jetzt so genau weiß? Weil ich es selbst gehört habe und mir dachte, dass die Welt zurzeit ja nichts mehr braucht, als die göttliche Barmherzigkeit.

Was ist denn Barmherzigkeit?

Ich möchte den Begriff nicht biblisch herleiten, sondern ganz konkret erklären – damit möglichst viele etwas davon in den Alltag mitnehmen können. Für mich bedeutet Barmherzigkeit, meinem Nächsten keine zusätzlichen Lasten aufzuerlegen, sondern ihm im Gegenteil zu helfen, seine Lasten zu tragen. Gerade in Zeiten wie diesen heißt barmherzig sein auch, Menschen zu verstehen, die anders denken, ihnen nicht aus dem Weg zu gehen oder zu schweigen. Oft bedeutet es, jemandem zu helfen, sein Leben zu tragen. Barmherzigkeit ist etwas, das ich meinem Nächsten schenke – indem ich mich ihm, aber vor allem Gott, verschenke. Die Kraft dazu kommt nicht aus mir selbst, sondern ich muss sie von Gott erbitten. Barmherzigkeit hat auch mit Selbsterfahrung zu tun. Wer selbst Barmherzigkeit erfahren hat – von anderen oder von Gott – kann auch anders barmherzig sein. Zu wissen, dass ich selbst Fehler mache und auf Gottes Gnade angewiesen bin, lässt mich klein von mir und groß von anderen denken. Wer meint, sich seine Heiligkeit selbst erarbeitet zu haben, glaubt oft, Gottes Barmherzigkeit nicht zu brauchen. Doch zu erkennen, dass wir ohne Gott nichts können, ist eine wichtige Selbsterkenntnis.

Der Barmherzigkeitssonntag – nur etwas für die ganz Frommen?

Nun also zum Fest der Göttlichen Barmherzigkeit – dem Barmherzigkeitssonntag, um den es in meinem Beitrag eigentlich geht. Was auffällt: Viele Menschen, sogar regelmäßige Kirchgänger, kennen dieses Fest nicht oder können wenig damit anfangen. Für manche scheint der Barmherzigkeitssonntag nur etwas für besonders Fromme zu sein – und nicht für sie selbst. Das ist schade. Ich bin überzeugt: Ob mir dieses Fest etwas bedeutet, hängt stark davon ab, wie ich selbst Barmherzigkeit erfahren habe – durch andere Menschen oder durch Gott. Wie erkläre ich also jemandem, warum es wichtig sein kann, den Barmherzigkeitssonntag mitzufeiern? Vielleicht so: Weil es ein Tag ist, der mich daran erinnert, wie sehr wir alle auf Barmherzigkeit angewiesen sind – und wie groß das Geschenk ist, wenn sie uns zuteilwird. Es ist kein Tag für Perfekte, sondern für Menschen wie dich und mich – die wissen, dass sie Fehler machen, die aber auch wissen wollen, dass es Vergebung gibt.

Ein Tag der Gnade

„An diesem Tag ist das Innere Meiner Barmherzigkeit geöffnet; Ich ergieße ein ganzes Meer von Gnaden über jene Seelen, die sich der Quelle Meiner Barmherzigkeit nähern.“ Natürlich schenkt Gott uns jeden Tag Seine Gnade, doch am Barmherzigkeitssonntag tut Er dies in besonderer Fülle – weil Jesus selbst dieses Fest gewünscht hat. Damit wir all diese Gnaden empfangen können, lädt Jesus uns zur Beichte und zur Heiligen Kommunion ein. „An diesem Tag stehen alle Schleusen Gottes offen, durch die Gnaden fließen. Keine Seele soll Angst haben, sich Mir zu nähern, auch wenn ihre Sünden rot wie Scharlach wären. Meine Barmherzigkeit ist so groß, dass sie in der ganzen Ewigkeit durch keinen Verstand, weder von Menschen, noch von Engeln, ergründet werden kann. (...) Das Fest der Barmherzigkeit ging aus Meinem Innern hervor; Ich wünsche, dass es am ersten Sonntag nach Ostern feierlich begangen wird. Die Menschheit wird keinen Frieden finden, solange sie sich nicht zur Quelle Meiner Barmherzigkeit hinwendet.“ (TB 699) Jesus forderte Sr. Faustyna wiederholt auf, dieses Fest bekannt zu machen: „Meine Tochter, sage, dass das Fest Meiner Barmherzigkeit aus Meinem Inneren kam, zum Trost der ganzen Welt.“ (TB 1517)

Die innere Haltung

„Jesus, ich vertraue auf Dich“ oder „Jesus, ich vertraue auf mich“? Das ist hier die Frage! Es kommt auf die innere Haltung an. Und der wesentliche Unterschied liegt in den Worten Dich oder Mich. Erwarte ich die Lösung für alle meine Probleme also von Ihm, Gott, oder von mir? Brauche ich die göttliche Barmherzigkeit für mein Leben oder kann ich ihrer entbehren? Kann ich mir mein Leben selbst richten? Habe ich selbst alles (noch) im Griff? Und das, so scheint es mir, ist genau der Knackpunkt. Solange ich alles für mein Leben und in meinem Leben noch selbst erledigen kann, brauche ich nicht unbedingt die HilfeGottes. Ist die Hilfe Gottes dann nur etwas für Schwächlinge oder Versager?

Die Novene und der Rosenkranz zur göttlichen Barmherzigkeit

Was zum Barmherzigkeitssonntag dazugehört, ist die Barmherzigkeitsnovene und der Barmherzigkeitsrosenkranz. Jesus sagt zur heiligen Sr. Faustyna: „Ich wünsche, dass du während der neun Tage Seelen zur Quelle Meiner Barmherzigkeit hinführst, damit sie Kraft, Trost und allerlei Gnaden schöpfen, die sie für die Mühsal des Lebens benötigen, besonders aber in der Stunde des Todes. [...] Und ich werde keiner Seele, die du zur Quelle Meiner Barmherzigkeit führst, etwas versagen.“ (TB 1209) Somit betet man die Barmherzigkeitsnovene vom Karfreitag bis zum Samstag in der Osteroktav, neun Tage lang. An jedem Tag der Novene betet man für eine andere Gruppe von Seelen, die dieses Gebetes bedürfen den Barmherzigkeitsrosenkranz. Doch der Barmherzigkeitsrosenkranz – auch ohne die Novene gebetet – ist mit großartigen Versprechen Jesu ausgestattet: „Seelen, die dieses Rosenkranzgebet beten, werden von Meiner Barmherzigkeit im Leben umfangen und besonders in der Stunde des Todes.“ (TB 754) Und an einer anderen Stelle im Tagebuch heißt es: „Jede Seele, die dieses Rosenkranzgebet betet, verteidige ich in der Stunde des Todes wie Meine Ehre. Auch wenn andere bei einem Sterbenden so beten, erhält er den gleichen Ablass. Wenn dieses Gebet bei Sterbenden gebetet wird, besänftigt sich der Zorn Gottes und unergründliche Barmherzigkeit umfängt die Seele.“ (TB 811) „O, welch große Gnaden werde Ich den Seelen verleihen, die diesen Rosenkranz beten werden. Das Innere Meiner Barmherzigkeit bewegt sich für diejenigen, die dieses Gebet beten. Schreibe diese Worte auf, Meine Tochter, verkünde der Welt Meine Barmherzigkeit. Möge die ganze Menschheit Meine unergründliche Barmherzigkeit kennen lernen.“ (TB 848)  Warum auch sollten sie diesen Tag der Gnade feiern? Meine persönliche Antwort ist ganz einfach und im Prinzip kann sie nur ein kindliches Herz annehmen: Weil alle Schleusen des Himmels offenstehen!