- von P. Dominikus Hartmann CP -

„In der Betrachtung des Leidens Jesu erkennen wir Seine unüberbietbare Liebe zu uns!“ Der hl. Paul vom Kreuz, der Gründer der Passionisten, hat sich tief mit dem Leiden Jesu auseinandergesetzt. Anhand vieler seiner Zitate veranschaulicht uns P. Dominikus das Leiden Christi, damit auch wir es tiefer betrachten und für uns fruchtbar machen können.

„Der größere Teil der Gläubigen lebt, ohne daran zu denken, was unser guter Jesus alles getan und gelitten hat; deswegen leben sie – wie eingeschläfert – in dem fürchterlichen Sumpf der Sünde.“ (Briefe II,213) Dies könnte für unsere Zeit geschrieben sein. Es mag erschrecken und trösten zugleich, wenn dieses Wort vom hl. Paul vom Kreuz (1694-1775) stammt, der dies über die Christen im 18. Jahrhundert schrieb. In tausenden Briefen motiviert er zum geistlichen Leben, zur Betrachtung des Gekreuzigten und zur völligen Vereinigung mit dem Willen Gottes. Ein kleiner Teil dieser Briefe (ca. 2.000) sind heute noch erhalten und bilden einen wertvollen Schatz für die Ordensgemeinschaft der Passionisten, die er gründete.

Wir können nicht an der Liebe Gottes zweifeln

Dem Heiligen wurden tiefe mystische Erfahrungen zuteil. Besonders fasziniert war er vom Gekreuzigten, in dem er die großartige Liebe Gottes erkannte. Seine Worte laden uns ein, die Passion Christi häufig zu betrachten, denn dort zeigt sich Gottes Liebe auf einzigartige Weise: „Versenken Sie sich in das Meer Seines heiligsten Leidens, das das größte und erstaunlichste Werk der göttlichen Liebe ist.“ (Briefe II,499) Im Kreuz wird die göttliche Liebe sichtbar und greifbar. Kein Leid, keine Krankheit, kein Schicksalsschlag – nicht einmal der Tod – kann uns angesichts des Kreuzes noch an dieser Liebe zweifeln lassen. Gott liebt jeden Menschen und zeigt dies, in dem  Er Sein Leben für uns hingibt.

Der hl. Paul vom Kreuz war überzeugt, dass die Betrachtung des Gekreuzigten zur Umkehr führt: „Das wirksamste Mittel, um die Laster auszurotten und die wahre Frömmigkeit einzupflanzen, ist die Betrachtung des bitteren Leidens unseres göttlichen Erlösers.“ (Briefe II,213) Fangen wir bei uns selbst an: Können wir angesichts des Leidens Jesu weiterhin sündigen? Wird es uns nicht vielmehr zur Umkehr bewegen?

Das Kreuz ist der Beweis der Liebe Gottes

Paul vom Kreuz ist selbst den Weg der Heiligkeit gegangen und lädt uns ein, diesen Weg im Blick auf den Gekreuzigten zu gehen: „Ich bitte den guten Jesus, dass Er in Ihrem Herzen das beständige, zarte und fromme Andenken Seines heiligsten Leidens einprägen möge. [...] Kein Tag soll vergehen, ohne dass Sie wenigstens eine Viertelstunde das Leiden Christi betrachten. So halten Sie Ihre Seele frei von Sünde und wachsen in den Tugenden.“ (Briefe III,140)

Die Betrachtung des Gekreuzigten führt uns ins Zentrum des Glaubens. Im Kreuz erkennen wir die Liebe Gottes, die uns Hoffnung und Freude schenkt. Zugleich zeigt es die erschreckende Realität der Sünde und ruft uns zur Umkehr. In Jesus sehen wir Tugenden wie Hingabe, Gehorsam, Sanftmut und Tapferkeit – ein Vorbild, dem wir im Alltag nacheifern dürfen.

Die Betrachtung des Leidens Jesu verwandelt unser Innerstes

Der heilige Paul vom Kreuz beschreibt die Betrachtung des Leidens Christi mit einem eindrucksvollen Bild:
„Ich empfehle Ihnen, im Geist oft im heiligsten Meer der Leiden Jesu Christi und der schmerzhaften Mutter Maria fischen zu gehen. Dort werden Sie die Perlen der heiligen Tugenden Jesu finden, die Ihre Seele mit kostbaren Juwelen schmücken.“ (Briefe II,717)

Es geht ihm dabei nicht nur um eine fromme Übung, sondern um eine tiefgehende innere Verwandlung. Die Betrachtung des Gekreuzigten soll uns zur Hingabe an Gott und die Mitmenschen führen – und uns Christus ähnlicher machen. Diese Christusähnlichkeit ist das Ziel unseres christlichen Lebens.

„Leben Sie nicht mehr in sich selbst, sondern in Jesus Christus; noch mehr: Jesus Christus soll in Ihnen leben.“ (vgl. Gal 2,20) So soll durch uns die Tugend Christi sichtbar werden – in Bescheidenheit, Geduld, Sanftmut, Leidensbereitschaft, Liebe und Demut. In allem sollen andere in uns ein Abbild des Gekreuzigten erkennen.

Wie können wir das Leiden Christi betrachten?

Doch wie können wir das Leiden Christi so betrachten, dass es in uns Frucht bringt? Eine Möglichkeit ist, den biblischen Passionsbericht Abschnitt für Abschnitt zu lesen, innezuhalten und mit Jesus ins Gespräch zu kommen – im Herzen eins mit Ihm zu werden. Auch das Beten des schmerzhaften Rosenkranzes oder der schlichte Blick auf ein Kreuzbild kann ein guter Einstieg sein. Paul vom Kreuz ermutigt zu einem persönlichen, liebevollen Zwiegespräch mit dem Herrn: „Oh, meine Liebe! Wie war es Dir in Deinem Herzen in jenem Garten zumute! Welche Qualen! Welch Blut, das Du vergossen hast – und das alles für mich!“ (Briefe I,401)

Besonders tief kann uns das Leiden Christi berühren, wenn wir selbst Leid erfahren. Dann schenkt uns der Blick auf den Gekreuzigten Kraft und Trost – denn Gott ist uns im Leiden nahe. So wird auch unser eigenes Leiden zu einem Weg tieferer Vereinigung mit Gott. Der hl. Paul vom Kreuz erinnert uns mit dem hl. Paulus: „Wir dürfen uns in nichts anderem rühmen als im Kreuz unseres Erlösers Jesus Christus.“ (vgl. Gal 6,14; Briefe II,719)

Das ist ein hoher Anspruch – aber ist es nicht genau der Weg, zu dem uns Jesus selbst einlädt? „Wenn einer hinter Mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge Mir nach.“ (Lk 9,23)

Das Leiden führt uns näher zu Gott

Persönliches Leid soll uns nicht von Gott entfernen, sondern – im Glauben – zum Lobpreis führen. Denn das Leiden kann uns reinigen und näher zu Gott bringen: „Durch Ihr Leiden wird das Unvollkommene gereinigt; die Seele wird zu einem Kristall, in dem sich das Licht der göttlichen Sonne sammelt.“ (Briefe II,719)

Natürlich empfiehlt der hl. Paul vom Kreuz auch medizinische Hilfe. Doch er betont: Auch das aufgeopferte Leiden hat einen geistlichen Wert. „Leiden Sie aus Liebe zu Gott, in Einheit mit Jesus Christus, unserem göttlichen Vorbild.“ (Briefe III,593) Selbst das kleinste Leiden kann – mit dem Leiden Christi verbunden – zu einer wertvollen Opfergabe werden: „Werfen Sie Ihren kleinen Tropfen des Leidens in das Meer der Leiden des göttlichen Bräutigams – und die Seele wird ganz von Liebe durchdrungen.“ (Briefe I,299)

In allem ruft der Heilige dazu auf, sich vertrauensvoll in die Arme des Gekreuzigten zu bergen: „Bergen Sie sich wie ein Kind in den Armen des gekreuzigten Jesus. Vertrauen Sie sich der Güte Gottes an – bereit, Leben oder Tod anzunehmen, wie der Herr es will.“ (Briefe III,593)


Quelle: Medjugorje aktuell

Die Texte in diesem Artikel wurden gekürzt. Den vollständigen Text finden Sie in der oben genannten Zeitschrift.