Das Bild des Barmherzigen Jesus
- von Pfr. Dr. Stephan Sproll, Hochaltingen -
Immer öfter werde ich nach der Bedeutung des Bildes vom Barmherzigen Jesus gefragt. Wir wissen, wie sehr es Jesus selbst am Herzen lag, dass dieses Bild am Barmherzigkeitssonntag geweiht und verehrt wird. Deshalb möchten wir in diesem Jahr einen genaueren Blick auf jenes mittlerweile weltweit bekannte Bild werfen, das den Barmherzigen Jesus zeigt. Es ist ein ganz besonderes Bild – denn der Auftraggeber war niemand Geringerer als Jesus selbst.
Die Schönheit liegt in Meiner Gnade
Am 22. Februar 1931 erschien Jesus der hl. Schwester Faustina in ihrer Klosterzelle in Plock in dieser Gestalt. In ihrem Tagebuch berichtet sie: „Am Abend, als ich in der Zelle war, erblickte ich Jesus, den Herrn, in einem weißen Gewand. Eine Hand war zum Segnen erhoben, die andere berührte das Gewand auf der Brust. Von der Öffnung des Gewandes auf der Brust gingen zwei große Strahlen aus: ein roter und ein blasser. Schweigend betrachtete ich den Herrn; meine Seele war von Furcht, aber auch von großer Freude durchdrungen. Nach einer Weile sagte Jesus zu mir: Male ein Bild, nach dem, was du siehst, mit der Unterschrift: Jesus, ich vertraue auf Dich. Ich wünsche, dass dieses Bild verehrt wird, zuerst in eurer Kapelle, dann auf der ganzen Welt“ (TB 47).
Als das Bild nach anfänglichen Schwierigkeiten im Jahre 1934 fertiggestellt war, wurde Schwester Faustina enttäuscht. Als sie das Bild gesehen hatte, ging sie sofort in die Kapelle und weinte. Sie beschwerte sich bei Jesus: „Wer vermag Dich so schön zu malen, wie Du bist?“. Zur Antwort bekam sie: „Nicht in der Schönheit der Farben oder des Pinselstrichs liegt die Größe dieses Bildes, sondern in Meiner Gnade.“ (TB 313).
Erstmals wurde das Bild vom 26. bis 28. April 1935 in der „Ostra Brama“ am ersten Sonntag nach Ostern ausgestellt. Das neue Bild des gekreuzigten und auferstandenen Erlösers der Welt, des Barmherzigen Jesus, sorgte sofort für größtes Aufsehen.
Die Bedeutung der Strahlen
Bei der Erscheinung am 22. Februar 1931 hatte Jesus zur hl. Schwester Faustina gesagt: „Mein Blick auf diesem Bild gleicht meinem Blick vom Kreuz.“ (TB 326). Als Jesus nach der Bedeutung der Strahlen und der Unterschrift gefragt wurde, erklärte Er, dass die Strahlen Blut und Wasser bedeuten, die Seinem Herzen entströmt sind, als es am Kreuz mit der Lanze geöffnet wurde. „Der blasse Strahl bedeutet Wasser, das die Seelen rechtfertigt, der rote Strahl bedeutet Blut, welches das Leben der Seelen ist.“ (TB 299). So bedeuten die zwei Strahlen die heiligen Sakramente, die aus der durchbohrten Seite Christi geboreneheilige Kirche und die Gaben des Heiligen Geistes, deren biblisches Symbol das Wasser ist.„Glücklich, wer in ihrem Schatten leben wird, denn der gerechte Arm Gottes wird ihn nicht erreichen.“ (TB 299).
Als Unterschrift sollten die Worte angebracht werden: „Jesus, ich vertraue auf Dich.“ (TB 327), weil diese zu den wesentlichen Elementen des Bildes gehören. Die theologische Bedeutung des Bildes ist, nach dem geistlichen Begleiter der hl. Schwester Faustina, dem seligen Michal Sopocko zufolge, eng mit dem Wunsch Jesu verbunden. Jesus legte als Zeitpunkt für die Weihe des Bildes und für Seine öffentliche Verehrung den ersten Sonntag nach Ostern, den Tag der Göttlichen Barmherzigkeit, fest. Auch nach den Texten in der Liturgie ist das zentrale Thema die Erscheinung des Auferstandenen im Abendmahlsaal und die Einsetzung des Sakraments der Buße.
Das Bild stellt gleichzeitig neben dem auferstandenen Herrn auch den gekreuzigten Christus dar. Jesus Christus trägt an Seinen Händen und Füßen die Spuren Seines Leidens und Todes am Kreuz. Davon gezeichnet trat der auferstandene Herr in den Kreis der Jünger und zeigt diese Merkmale als Erkennungszeichen und bringt damit Seinen Anvertrauten den Frieden, den Erlass der Sünden sowie alle weiteren Gnadengaben. Die aus dem durchbohrten Herzen fließenden Strahlen von Blut und Wasser, wie die Wunden an Händen und Füßen erinnern damit an die Geschehnisse des Karfreitags.
Die Gestalt des barmherzigen Jesus ist damit auch gewissermaßen identisch mit dem verklärten Herrn im Geheimnis der heiligen Eucharistie. Auch hier ist das Geheimnis von Tod und Auferstehung Christi gegenwärtig und untrennbar in der Hostie miteinander verbunden.

Jesus, ich vertraue auf Dich!
Das Bild zeigt jedoch nicht nur das Geheimnis der Barmherzigkeit Gottes, vom Tod und der Auferstehung Christi, sondern auch die Antwort des Menschen an Gott, die aus der Erkenntnis dieser Glaubenswahrheit hervorgehen soll. In der Unterschrift des Bildes sind die Worte angebracht: „Jesus, ich vertraue auf Dich.“ Sie weisen auf die grundsätzliche Antwort des Menschen auf die zuvorkommende, erbarmende Liebe Gottes hin. Diese Liebesantwort soll im Vertrauen des Menschen begründet sein. Es geht hier um eine Haltung des Kindes gegenüber dem liebevollen Vater, dem es sich bedingungslos anvertraut. Das Bild erinnert uns aber auch selbst an die grundsätzliche christliche Pflicht, welche in der tätigen Nächstenliebe zum Ausdruck kommen soll.
Jesus sagte zu Schwester Faustina, dass das Bild des Barmherzigen Jesus auch ein Aufruf zu Werken der Barmherzigkeit sein soll: „Denn auch der stärkste Glauben hilft nichts ohne Taten. Ich verlange von dir Taten der Barmherzigkeit, die aus deiner Liebe zu Mir hervorgehen sollen. Barmherzigkeit sollst du immer und überall deinen Nächsten erweisen, du kannst dich davor weder drücken, noch ausreden oder entschuldigen. Ich gebe dir drei Möglichkeiten, dem Nächsten Barmherzigkeit zu erweisen: Erstens – die Tat, zweitens – das Wort; drittens – das Gebet. In diesen drei Stufen ist die Fülle der Barmherzigkeit enthalten, sie ist ein unumstößlicher Beweis der Liebe zu Mir. So preist und verehrt die Seele Meine Barmherzigkeit“ (TB 742).
An eine so verstandene Verehrung des Bildes verband Jesus große Versprechungen. In Seiner ersten Offenbarung versicherte Jesus, dass „jene Seele, die das Bild verehrt, nicht verloren geht“ (TB 48). Ebenso versprach Er große Fortschritte auf dem Weg zur christlichen Vollkommenheit, die Gnade eines glücklichen Todes sowie alle anderen Gnaden und zeitliche Wohltaten, worum die Menschen vertrauensvoll bitten sollen. „Ich überreiche den Menschen ein Gefäß, mit dem sie zur Quelle der Barmherzigkeit um Gnaden kommen sollen, das Gefäß ist dieses Bild mit der Unterschrift: Jesus, ich vertraue auf Dich.“ (TB 327). „Durch das Bild werde Ich den Seelen viele Gnaden erteilen, deshalb soll jede Seele Zugang zu ihm haben.“ (TB 570).
Dort ist der ganze Himmel verborgen...
Schließlich dürfen wir im Tagebuch lesen, „dass eine Hand zum Segnen erhoben war und die andere das Gewand auf der Brust berührte.“ (TB 327). Es ist genau jenes Geschehen, das sich am Gläubigen selbst vollzieht, wenn er sich im vertrauensvollen Gebet an den Barmherzigen Jesus hinwendet. Jesus ist derjenige, der uns währenddessen unablässig segnet und uns mit den Gnaden des Himmels überströmt. Schließlich berührt Er mit der linken Hand Sein Gewand auf der Brust, genau an jener Stelle, wo die Strahlen hervor fließen. Jesus hält gewissermaßen selbst die Tür, „die Schöne Pforte des Tempels“ (vgl. Apg 3,2), Seines geöffneten Herzens auf, damit wir in Sein Innerstes eintreten können. Im Innersten Seines Herzens ist der ganze Himmel verborgen, den Er uns schenken möchte. Genau dort werden wir auch den himmlischen Vater finden, den Jesus immer in sich getragen hat.
Diese Strahlen der Gnade sind gewissermaßen der Weg, um in die Fülle der Herrlichkeit zu gelangen, denn unsere eigentliche Berufung ist es letztlich, im Inneren Seiner Barmherzigkeit zu leben. Der weiße und der rote Strahl sind wie ein Vorgeschmack und nur ein Funke dessen, was uns in der Herrlichkeit selbst erwarten wird. Jesus versicherte Faustina, dass dieses Bild viele Seelen zu Gott hinziehen wird und dass die Barmherzigkeit in den Seelen durch dieses Bild wirkt.
Im April 1938 schrieb Schwester Faustina: „Heute sah ich Gottes Herrlichkeit, die aus diesem Bild fließt. Viele Seelen erhalten Gnaden, obwohl sie über diese nicht laut sprechen. Trotz der Verschiedenheit Seiner Wege wird Gott durch das Bild verherrlicht; Anstrengungen des Satans und böser Menschen zerschellen und werden in ein Nichts umgewandelt. Trotz aller Wut des Teufels wird die Barmherzigkeit Gottes über der ganzen Welt triumphieren und von allen Seelen verehrt werden.“ (TB 1789).
Der sel. Papst Johannes Paul II. betete im Jahr 1987 vor diesem Bild und sagte: „Jeder kann hierher kommen, um das Bild des barmherzigen Christus zu betrachten, Sein Herz, das Gnaden ausstrahlt, und in der Tiefe seiner Seele das hören, was die selige Schwester gehört hat: ‚Fürchte nichts, Ich bin immer mit dir‘ “(TB 613). Und wer ehrlichen Herzens sagt: „Jesus, ich vertraue auf Dich!“, der wird Linderung für seine Bekümmernisse und Ängste finden.
Quelle: Medjugorje aktuell