Advent: Die Ankunft des Bräutigams


Von Anbeginn der Schöpfung hat Gott jede Seele in Seiner unendlichen Liebe zu einer innigsten Vertrautheit und Einheit mit Ihm berufen, das den schönsten Vergleich im Bild der liebenden Einheit von Braut und Bräutigam findet. Bei Seiner Menschwerdung wirbt das Göttliche Kind in der Krippe in Seiner Kleinheit erneut um unsere liebende Hingabe – in einer Weise, die auch das Härteste und Stolze an uns „schwach“ werden lässt. Bernadette Lang führt uns durch mehrere Stellen aus der Hl. Schrift in das Brautsein einer Seele vor Gott ein, zu der uns Gott Selbst an der Krippe einlädt.

Gott freut sich über dich

Schon im Alten Testament spricht der Prophet Jesaja davon, dass Gott ein Bräutigam ist und sich an seiner Braut freut: „Wie ein junger Mann sich mit einer Jungfrau vermählt, so nehmen dich deine Söhne in Besitz. Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich“ (Jes 62,5). Gott vergleicht Seine brennende und leidenschaftliche Liebe mit der eines Bräutigams. Wer ist dann allerdings die Braut? Diese Frage haben sich schon die Wüstenväter gestellt. Darauf kann man mehrere Antworten geben, aber die eindeutigsten liegen auf der Hand: Jede einzelne Person ist zur „Brautschaft“ berufen. Und dann natürlich auch das gesamte Volk, das Jesus mit dem Brautpreis Seines Blutes erkauft hat.

Wir sind in einer Zeit der Vorbereitung

Was bedeutet das nun, dass wir „Braut Christi“ sind? Wir als Seine Kirche sind in einer Zeit der Vorbereitung auf die himmlische Vermählung. Wenn wir die Bibel lesen, merken wir, dass es am Ende der Zeit ein Hochzeitsmahl geben wird, das sogenannte „Mahl des Lammes“. Jede Eucharistie ist eine Vorwegnahme davon. Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, hören wir den Ruf der Braut: „Und der Geist und die Braut sprechen: Komm!“ (Offb 22,17). Der Heilige Geist wird gemeinsam mit der Kirche diesen schallenden Ruf ertönen lassen, „Komm, mein Herr, mein Jesus, mein Bräutigam!“ Sie bebt ihm voller Sehnsucht entgegen (vgl. Hohelied 5,4). Das Ziel ist die vollkommene Vereinigung unseres ganzen Wesens mit dem Wesen Gottes. Wir werden hineingenommen in den göttlichen Tanz der Gnade, in den Wirbelsturm im Herzen Gottes. Wenn wir nun aber die Kirche anschauen, merken wir vermutlich etwas wenig von dieser Sehnsucht nach dem völligen Eins werden mit dem göttlichen Bräutigam. Viele Teile der Kirche sind zerstritten, uneinig, kurz vor der Spaltung. Wir haben es gelernt, andere zu verurteilen und ihre Glaubensüberzeugungen zu stigmatisieren. Wir stecken uns gerne in verschiedene Schubladen,
anstatt um Versöhnung zu ringen.

Die Braut ist nicht bereit

Das Kleid der Kirche ist also schmutzig. Die Braut ist nicht bereit, ihrem Bräutigam entgegen zu treten, sie ist nicht bereit für die Hingabe ihres Herzens. Stattdessen beschäftigt sie sich in vielen Teilen mit der Nabelschau. Gleichzeitig merken wir, wie Gott Seine Kirche in die göttliche Waschmaschine und in die Umkleide führt. Das ist manchmal sehr schmerzhaft, es tauchen viele Verkrustungen auf, die Gott sanft
abzuwaschen beginnt. Indem Gott anfängt, Seine Braut, die Kirche, neu zu umwerben, sie höchstpersönlich zu kleiden in Gewänder, die im Blut des Lammes reingewaschen worden sind, umwirbt Gott auch individuell ganz neu unsere Herzen. Er will uns ganz!

Im Advent hören wir den Herzschlag der Sehnsucht Gottes nach uns

An Weihnachten feiern wir, dass Gott den ersten Schritt getan hat, um den Brautpreis zu bezahlen: Er wird Mensch. Niemand kann je begreifen, wie tief Er sich dadurcherniedrigt hat. Er wusste, dass Braut und Bräutigam auf einer Stufe stehen müssen. Deshalb wurde Er Mensch. - Um uns zu sich nach oben zu heben- An Seine Seite, an Seinen Thron. Und genau das ist der Kern Seines Geheimnisses: Er will tiefste Intimität mit uns. Im Advent hören wir den Herzschlag der Sehnsucht des Bräutigams: „Komm, meine Braut, so komm doch, meine Schöne“ (vgl. Hohelied 2,10). Gott ruft uns in die Kammer Seines Herzens hinein. Die Frage ist: Wie antwortest du auf Seine Sehnsucht? Der Advent ist nicht nur Ausdruck der Sehnsucht des Volkes nach Gott, sondern auch umgekehrt. Gott verlangt nach uns. Nur wenn wir dieses Geheimnis begreifen, lernen wir, adäquat auf die Sehnsucht Gottes zu antworten.