Zum Hauptinhalt springen

16-jährige Fußwallfahrt

Im Jahr 1988 versprach Hubert Liebherr der Muttergottes, eine Marienstatue von Marienfried bei Ulm zu Fuß nach Medjugorje zu tragen. Daraus wurde eine 16-jährige Fusswallfahrt nach Medjugorje, Rom und Santiago de Compostela, auf welchen er 5000 km pilgernd zurücklegte.
Darüber spricht Hubert Liebherr in seinen Vorträgen über Fußwallfahrten.

"Da der Jakobsweg en vogue ist und viele Interesse daran haben, auch Menschen, welche weit weg von Gott stehen, spreche ich am Anfang gar nicht über Gott. Erst gegen Ende lasse ich ihn 'sanft' einfließen, um zu verhindern, daß mit einer eventuellen Diskussion über die Existenz Gottes ja / nein Vorbehalte zum Pilgern entstehen könnten.
Über die Enstehung der Verehrung des Apostelgrabes in Santiago im Mittelalter, wobei offen bleibt ob es tatsächlich die Gebeine des Hl. Jacobus sind. Die Bedeutung einer solchen Wallfahrt im Mittelalter, bei welcher sich die Wallfahrer von zu hause verabschiedeten, als würden sie sich nicht mehr wiedersehen. Kein Handy, keine Auslandkrankenversicherung, kein Bancomat, Cash am Wämplein - Freude der Räuber, kein Rückflug, keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Absolute Hingabe an Gott und Vertrauen.
Heute gibt es sämtliche Absicherungen, Rückflugticket in der Tasche, günstige Herbergen mit Vorreservierungen, bin nie wirklich allein, Kontakt zu allen über Soziale Netzwerke, Casch auf Karte, niemand raubt mich aus und schlägt mich nieder, von einem Handydiebstahl mal abgesehen und hungern muss ich auch nicht.
Und dennoch: El Camino lehrt mich Demut. Er ist zu lang für Übermut. Er formt mich in meinem Schuh. Ich lerne auf das Vehicel zu hören, in welches mich mein Schöpfer gesteckt hat und seine Grenzen anzuerkennnen. Wenn nicht, straft mich mein Körper gnadenlos ab, vielleicht mit Blasen oder mit einer Sehnenscheidenentzündung. ... und lerne ihn richtig kennen und werde bereit, ihn anzunehmen wie er ist und rechtzeitig auf seine Warnungen zu hören, denn ich habe keinen anderen. Ein Jacobspilger wird keinen burnout bekommen.
Halte mich wochenlang in der Natur auf und werde sie neu entdecken. Wie köstlich ein Schluck Wasser schmecken kann, während einer Nachmittagsrast bei 43° C im Schatten, nachdem sich mein Rucksack gefühlte canyontief in meine Schultern eingeschnitten hat. Ich lerne die Kühle des Morgens schätzen, den kleinen Vogel, der den neuen Tag ansingt, die Wolken, die über mich ziehen. Ich lerne sie zu deuten und akzeptieren, daß ich heute sicher noch durch einen Regenschauer muss. Es leichter ist, abends aus einem nassen Schuh rauszukommen, als morgens in einen nassen hinein. Gehe sorgsam mit meinen Sachen, die ich brauche um. Ich brauche nicht viel. Lerne die Gerüche der Natur neu wahrzunehmen, geniesse die Langsamkeit. Lerne auf die Sachen zu schauen, die ich habe und nicht auf die zu schauen, die ich nicht habe.
Habe viel Zeit über mich selbst nachzudenken. Woher komme ich, wohin gehe ich? Vielleicht schenkt mir der Herr ein Gotteserlebnis wie Hape Kerkeling, welcher schrieb, ab einem Moment wußte er, daß Gott existiert. Ich entdecke den Reichtum in mir und erkenne, daß nicht der materielle Reichtum, sondern nur mein innerer mir eine tiefe Erfüllung schenken kann und freue mich über das Wenige, das ich tatsächlich brauche und kann damit dem Sinn meines Lebens näher kommen."

© Hubert Liebherr