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Radikal auf Gott einlassen

Viele Gespräche durfte ich seit 1987 mit der Seherin Marija Pavlovic in Medjugorje und anderswo führen. Aber auf jenes am 26.06.2008, wurde ich in besondere Weise vorbereitet.
Marija bat mich bei der Erscheinung mit anwesend zu sein. Sie gab mir in dem bis zum letzten Platz belegten Raum zu verstehen, mich neben sie zu knien. Ich sollte die Gegenwart der Gottesmutter aus allernächster Nähe miterleben.
Drei Tage danach besuchte sie mich in meiner Unterkunft. Im kleinsten Kreis gab sie mir Gelegenheit, ihr Fragen zu stellen. Sie betrafen Kapitel 12 im Buch der Offenbarung, vor allem das Bild von dem großen Zeichen am Himmel: „Eine Frau, mit der Sonne bekleidet“ (Offb. 12,1) und „ein Drache, der ihr Kind verschlingen wollte. (Offb. 12,4) Ob sie in unserer Zeit Zeichen erkenne, die an diese gewaltige Vision erinnern. Ohne Zögern sagte sie „Ja“.
Es herrsche, so führte Marija Pavlovic-Lunetti aus, eine große Verwirrung der Geister; auch in der Kirche, ja sogar bei den Ordensleuten. „Der Teufel will Verwirrung“, fuhr sie fort, „bis in die charismatischen Kreise hinein.“ In diesen wird oft zu sehr auf äußere Zeichen geachtet, auf Wunder zum Beispiel. Worauf es aber ankomme, seien nicht seelische Erfahrungen, Visionen, besondere Zeichen, sondern: das Evangelium ganz konkret zu leben. Die Hölle wolle Entzweiung in der Religiosität. Viele mystisch Interessierte würden vergessen, was der Völkerapostel Paulus einmal sehr hart gesagt habe: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“ (2 Thess 3, 10b)
Medjugorje sei ein großes Zeichen für die Kirche. Die Kirche müsse sich ganz Gott zuwenden. Die Soziologie, die immer mehr vorgedrungen sei und das Denken beherrsche, müsse zurückgedrängt werden. Was sie oft sehr bedrücke, sei folgende Beobachtung: Viele Menschen kämen nach Medjugorje voll guten Willens, voll tiefer Frömmigkeit. Oft sind sie eifrige Beter. Und doch habe sie manchmal den Eindruck, dass sie Medjugorje verlassen, ohne verstanden zu haben, was die Gospa hier eigentlich anstrebe.
Um es auf eine kurze Formel zu bringen, bat ich sie um Erklärung. „Die Gottesmutter will eine neue Zeit“, lautete die Antwort. Sie lade Menschen ein, sich von ihr erziehen zu lassen. Sie brauche Menschen, die bereit seien, Gott alles zu geben und sich radikal auf Ihn einzulassen.
Mit diesen Menschen möchte sie eine neue Kultur begründen, eine Kultur des Dienens als Gegengewicht zur gottfernen Zivilisation. Die Gospa schenke das Saatgut. Wir sollen es auswerfen. Der Heilige Geist wirke gegen die Kultur des Todes, die sich seit dem 20. Jahrhundert massiv durchgesetzt und die Papst Johannes Paul II., beim Namen genannt habe.
Große Hochachtung äußerte die Seherin für Papst Benedikt XVI. Er sei ein besonderes Geschenk für die Kirche, habe klare Vorstellungen und agiere nach dem Motto: „Euer Ja sein Ja, euer Nein ein Nein.“ In einer Zeit der Ordnungslosigkeit verkörpere er das Prinzip Ordnung und damit klare Orientierung. Behilflich sei ihm dabei sicherlich auch seine deutsche Mentalität. Gegenüber einer Generation und einer Zeit, die alles relativiere, alles in Frage stelle, alle Werte abschwäche oder umdeute, verkünde er unermüdlich dauerhafte, ewige Werte.
Zum Ausklang noch einmal auf die apokalyptischen Bilder im Buch der Offenbarung angesprochen, kam Marija auf eine Ermahnung der Gottesmutter zurück, die diese bereits in den ersten Jahren der Erscheinungen ausgesprochen hatte. „Beobachten Sie das Verhältnis zu den alten Menschen“  meinte Marija Pavlovic-Lunetti, „darin werden Sie ein Zeichen der Zeit erkennen, apokalyptischer Zeit.“ Die Alten würden immer mehr abgeschoben. Was sich aber anbahne, das erfülle sie mit Grauen, erste Anzeichen seien in manchen Ländern erkennbar. „Die Alten sind wie der Stamm des Baumes, ohne den Stamm keine Zweige, keine Blüten und keine Früchte. Das vergessen wir. Die Beziehung zum alten Menschen entscheidet über die Kultur des Lebens.“
Das erste Gebot im Dekalog, das die Beziehungen unter den Menschen ordne, sei das vierte. Und es lasse deutlich erkennen, dass eine Sünde gegen dieses Gebot schwerwiegende Folgen für das Leben haben müsse.
Was mich im Gespräch mit Marija Pavlovic überrascht, ist ihre innere Sicherheit: Sie ist durch keine Frage aus dem Gleichgewicht zu bringen. Hinzukommt ihre theologisch saubere Art zu erklären und zu zitieren. Das hat sie auf keiner theologischen Hochschule erlernt, sondern in der Schule der Gospa.
Zum Abschied sagte ich ihr: „Also auf Wiedersehen im Himmel.“ Sie wissen ja, wie sehr ich mich nach ihm sehne!“ Bereits im Türrahmen stehend, drehte sie sich um, erhob den Zeigefinger und sagte ganz ernst: „Ich werde darum beten, dass Sie noch lange auf Erden bleiben.“ Ich verstand, was sie mir damit sagen wollte.
Das Interview führte Alfons Sarrach

Quellennachweis: www.gebetsaktion.at/ - 4. Quartal 2008