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Die Pilger und ihre Verantwortung Medjugorje gegenüber

 Pater Orec, können Sie sich bitte unseren Lesern kurz vorstellen?

 Ich heiße Pater Leonard Orec, bin 60 Jahre alt, seit 42 Jahren im Franziskanerorden und seit 37 Jahren Priester. Als Priester war ich in der Ausbildung des Ordensnachwuchses und in der Provinzverwaltung tätig. In den letzten elf Jahren war ich Pfarrer in Blankenau (Diözese Fulda). Die Pfarre Medjugorje habe ich am 7. Oktober 1988 übernommen.

 Wie haben Sie die Versetzung nach Medjugorje innerlich angenommen?

 Ehrlich gesagt mit gemischten Gefühlen. In Blankenau hatte ich mich wohl gefühlt. Für einen neuen Anfang, und das in einer Pfarre mit so vielfältiger Problematik, kam ich mir zu alt, ungeeignet, ja unwürdig vor. Allein die vielen Mitbrüder, die mir in meinem Heimaturlaub hier in der Herzegowina begegneten und die mir Mut zusprachen und die vielen Pilger, die ich auf vielen Wegen zu Fuß und barfuß gehen sah, haben mich dazu bewogen, nicht nein zu sagen.

 Was bedeutet es für Sie persönlich, Pfarrer dieses neuen Wallfahrtsortes zu sein?

 Wenn ich schon hier bin, fühle ich mich geehrt, aber noch mehr verantwortlich:
 - für eine Pfarre, die ins Rampenlicht der Öffentlichkeit der Welt geraten und zusätzlichen Schwierigkeiten ausgesetzt ist:
 - für den Plan der Mutter Gottes mit dieser Pfarre;
 - für die Seher, die verschiedensten Versuchungen ausgeliefert zu sein scheinen;
 - für die Pilger, die aus der ganzen Welt mit verschiedensten Anliegen hierher kommen...

 Hier Pfarrer zu sein, bedeutet für mich, allein in unser Haus- und Pfarrgemeinschaft und auch allen jenen, die hierher kommen, zur Verfügung zu stehen. Und es bedeutet für mich auch, diese meine Pflicht vor Gott, vor der Kirche, vor meiner Ordensgemeinschaft gewissenhaft zu erfüllen.

 Ich bilde mir nicht ein, daß ich da so wichtig sei, und daß alles von mir abhänge. Ich bin tief überzeugt, daß weder der Pflanzende noch der Begießende etwas ist, sondern daß alle Ehre Gott allein gebührt, der das Gedeihen gibt.

 Wie denken Sie über die Zukunft von Medjugorje?

 Schon fast von Anfang an (seit August 1981) bin ich davon überzeugt, daß Gott hier auf eine besondere Weise am Werk ist. Das habe ich in langem Beichthören hier an diesem Ort auch selbst erfahren. In den vergangenen Jahren hat Gott hier sozusagen "auf krummen Zeilen ziemlich gerade geschrieben". Ich hoffe, daß es auch weiterhin so sein wird. Wir überlassen uns der Führung der Gottesmutter. Wichtig ist, daß wir uns unsererseits dem Plan, den Gott mit uns hat, keine Hindernisse in den Weg legen, zumindest nicht absichtlich.

 Medjugorje geht immer mehr einer inoffiziellen Anerkennung entgegen. Tausende und Abertausende von Pilgern haben Medjugorje schon besucht und sind gestärkt wieder nach Hause zurückgekehrt. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

 Ich hoffe, daß die Entwicklung auch weiterhin in dieselbe Richtung gehen wird. Mein Wunsch: daß alle, die hierher kommen, im Glauben gestärkt, im innerem Frieden und zu einem neuen Anfang entschlossen nach Hause zurückkehren, bereit, die Botschaften der Mutter Gottes selbst zu leben und weiterzugeben. Das ist der beste Weg zu einer inoffiziellen Anerkennung, von der Sie sprechen.

 Wie steht die Kommission zu dieser Entwicklung?

 Die Aufgabe der Kommission ist es, die Tatsachen zu untersuchen, zu prüfen, zu beurteilen. Je mehr positive Tatsachen sie findet, desto positiver wird ihr Urteil sein. Mein Eindruck ist, daß die Mitglieder der Kommission ihre Aufgabe sehr ernst nehmen.

 Auf Medjugorje gibt es ein großes Echo in der ganzen Welt, wodurch sich immer mehr auch die Frage der weiteren geistlichen Begleitung der Pilger stellt. Wie denken Sie darüber, Pater Orec?

 Nach meiner kurzen Erfahrung kann ich sagen, daß Medjugorje schon in der ganzen Welt bekannt ist. Hierher kommen nicht nur Pilger aus den europäischen Ländern und aus Amerika, sondern auch aus dem Fernen Osten, aus Australien, Afrika. Die Pilger wollen seelsorglich betreut werden. Wir Priester am Ort (zur Zeit sind wir sechs) können nicht alle Arbeit selbst leisten; wir sind auf die Aushilfe der Mitbrüder aus den Nachbarpfarren, aber auch auf die der Pilgerpriester angewiesen. Die Pilger sollten schon zu Hause auf die Wallfahrt vorbereitet werden, sie sollten während der Wallfahrt geistlich begleitet und nach der Wallfahrt zu Hause weiter betreut werden, damit der gute Same keimen und Frucht bringen kann. Und da liegt die große Verantwortung aller, die Wallfahrten organisieren: Es darf nicht einfach nur um Tourismus einer besonderen (religiösen) Prägung gehen. Es geht um viel mehr.

 Alle, ob Privatpersonen oder Unternehmer, die Pilger nach Medjugorje bringen, sollten sich dessen bewußt sein, daß es nicht nur darum gehen darf, Geld zu verdienen, sondern daß sie, indem sie diese Pilgerfahrten organisieren, auch in geistlicher Hinsicht eine Verantwortung für die Pilger haben. Es darf nicht nur darum gehen, ob es Reisen mit Halb- und Vollpension sind, mit Besichtigungen von Sehenswürdigkeiten unterwegs; vielmehr wollen die Pilger Zeit und Gelegenheit haben zum Beten, zu einer guten Vorbereitung auf die Beichte. Sie wollen Gott erfahren, und das braucht Zeit und auch die richtige geistliche Atmosphäre, und das nicht nur in Medjugorje, sondern während der ganzen Pilgerreise. Die Pilger dürfen nicht um ihre Urabsicht betrogen werden.

 Aber auch die Pilger selbst haben Medjugorje gegenüber eine Verantwortung. Sie sollten, wenn sie wieder in ihre Heimat zurückkehren, nicht nur von Medjugorje erzählen, sondern durch ihr persönliches Leben ihre Umkehr bezeugen. Nicht schönes Reden, sondern unser glaubwürdiges christliches Leben soll Zeugnis geben vom Erscheinen der Mutter Gottes in Medjugorje.

Quellenangaben: www.gebetsaktion.at/cms/media/Heft012.pdf im Jahre 1989