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Echo eines Besuches

Von Dr. Ivan Dugandzic, OFM

Aufregende Erklärung
Als ich in ,,Glas Koncila" vom 10. Januar 2010 die Erklärung von Bischof Msgr. Ratko Peric (Ortsbischof von Medjugorje) anlässlich des Besuches des Wiener Kardinals Schönborn in Medjugorje gelesen habe, war ich betroffen und fragte mich: Warum hat der Bischof so nervös und scharf reagiert? Denn er betont selber, dass jeder ,,Kardinal der Heiligen Römischen Kirche das Recht hat, das Evangelium in jeder katholischen Kirche zu verkünden und zu predigen." Aber er fügt gleichzeitig hinzu, dass ,,auch zwischen Bischöfen gewisse kirchliche Gewohnheiten existieren“, dass „man sich beim Ortsbischof anmeldet; das legt auch die kirchliche Klugheit nahe.“
Der Schreiber dieser Zeilen weiß, wie es einigen Bischöfen ergangen ist, die anlässlich ihres Besuches in Medjugorje in einer guten Absicht auch Msgr. Peric besuchten. Es ist bekannt, wie es dem bekannten Theologen und Papstprediger Raniero Cantalamessa ergangen ist, dem er im vergangenen Jahr verboten hat, Exerzitien für hunderte Priester aus der ganzen Welt zu halten. Braucht es uns da nicht wundern, dass Kardinal Schönborn mutig entschieden hat, sich des geschriebenen Rechtes zu bedienen und das Gewohnheitsrecht zu umgehen?
Bischof Peric selbst bekennt, dass es keinen gerechtfertigten Grund gibt, gegen den Privatbesuch von Kardinal Schönborn und dagegen, dass er die hl. Messe gefeiert und gepredigt hat, zu protestieren. Und er protestiert trotzdem. Worin liegt das Problem? Die Gründe seiner Nervosität erkennen wir in der Überschrift seiner Erklärung: ,,Der Besuch des Kardinals bedeutet keine Anerkennung der 'Erscheinungen'". Nicht nur aus dieser, sondern aus jeder Erklärung von Bischof Peric spricht eine sonderbare Angst: Und was ist, wenn hier trotzdem die Gospa am Werk ist!? Aber diese Angst des Bischofs hat wirklich keinen Anhaltspunkt in dem, was Kardinal Schönborn in Medjugorje gesagt hat. Als guter Theologe kennt er die Natur des Phänomens Medlugorje und die Haltung der Kirche dazu sehr gut, und jeder Hintergedanke, dass er durch sein Kommen die Erscheinungen 'anerkennen' könnte, liegt ihm fern. Ganz im Gegenteil, der Kardinal hat klar gesagt, dass zur Zeit die einzige offizielle Stellungnahme der Kirche diejenige ist, die in der ,,Erklärung von Zadar“ von der Bischofskonferenz von Jugoslawien 1991 ausgedrückt wurde, und dass er sich dieser Stellungnahme anschließt. Dort heißt es, dass wenn die Kirche die Übernatürlichkeit der Erscheinungen noch immer nicht anerkennen kann, dass sie diese dann auch nicht verneinen kann. Deshalb wird mit dem endgültigen Urteil gewartet, bis die Erscheinungen aufhören. Bis dahin muss man sich im Einklang mit der Lehre der Kirche und der pastoralen Disziplin um die Pilgerpastoral kümmern, was die Franziskaner, denen diese Pfarre anvertraut ist, nach ihren Möglichkeiten auch tun. ln vielen Fällen hat es sich bisher gezeigt, dass Bischof Peric der einzige ist, der sich nicht an die Erklärung von Zadar hält, sondern sie Unkundigen unermüdlich als Verurteilung von Medjugorje darstellen möchte. So führt er Millionen von Menschen in die lrre.

(Un)nötiges Erbarmen
Die Pastoral von Medjugorje, inspiriert von den Botschaften der Gospa, hat Frucht getragen und bringt beständig viele gute Früchte, die auf der ganzen Welt erkennbar sind und eine immer größer werdende Anzahl von Pilgern anziehen. Nach dem Urteil vieler muss man zu den wichtigsten Früchten den Geist der Buße zählen, den man an den täglichen langen Schlangen vor den Beichtstühlen in Medjugorje erkennen kann, in denen in sehr vielen Sprachen aus der ganzen Welt gebeichtet wird. Und während sich viele aufrichtig freuen, dass die Kirche auf diese Art und Weise erneuert wird und wächst, wäre es Bischof Peric am liebsten, wenn es das nicht gäbe, denn ,,viele sagen, dass die Beichten in Medjugorje ein starker Beweis dafür seien, dass die Gospa erscheint". ln diesen Worten erkennen wir wiederum die Angst als Grund, warum der Bischof nicht begreifen kann, dass Kardinal Schönborn von der Tatsache so vieler Beichten in Medjugorje, wo sich die Barmherzigkeit Gottes offenbart, ehrlich ,,begeistert" ist. Was soll man auf so eine Reaktion hin sagen? Hier zeigt sich klar der drastische Gegensatz zwischen der ungeheuchelten und ehrlichen Glaubensfreude eines Kirchenhirten, dem das geistige Wohl der Gläubigen ein  Anliegen ist, und der geheuchelten Besorgtheit beziehungsweise Angst um das Schicksal der Kirche des anderen, der Sklave seiner apriori-Einstellung ist, die sich nach irgendeinem sonderbaren lnteresse oder einer Politik richtet, auch wenn sie  Kirchenpolitik heißt. lch habe lange überlegt, ob ich auf die Erklärung reagieren soll oder nicht, denn ich weiß, dass man alles falsch deuten kann. lch möchte nicht auf die tieferen Gründe dieser bischöflichen,,Kirchenpolitik" eingehen, aber als Theologe geht es nicht, dass ich auf seine geringschätzende Rede über,,die Offenbarung der Barmherzigkeit Gottes" nicht reagiere. Denn es geht dabei nicht um etwas Nebensächliches im Christentum, sondern um seinen Kern selbst. Der Mensch, der sündigt, der vor Gott nur bestehen kann, wenn ihm seine Sünde vergeben wird, und  Gott, den die ganze Bibel als Barmherzigen Vater darstellt, machen das Christentum so besonders. lch bin überzeugt davon, dass die Erfahrung der Begegnung mit dem Barmherzigen Vater im Sakrament der Buße der konkreteste Ausdruck der  Verwirklichung der Botschaften der Gospa ist und dass sie deshalb eine besondere Aufmerksamkeit verdient. Das geringschätzige Reden des Bischofs über die Barmherzigkeit des Vaters erklärt auf der anderen Seite sein unbarmherziges Verfahren mit allen, die über Medjugorje anders denken als er.

Wer manipuliert und wodurch?
Eines der Schlüsselworte von Bischof Peric bei der Abrechnung mit den Sehern, mit den Botschaften der Gospa, mit den Franziskanern, mit ihrer pastoralen Tätigkeit und mit den Freunden von Medjugorje ist ,,Manipulation". Für ihn ist in Medjugorje alles eine Frucht der Manipulation. Auch wenn er nicht jedes Mal ausdrücklich sagt, dass die Franziskaner die Manipulatoren sind, wird es im Zusammenhang einfach vorausgesetzt. Wenn man aber seine Erklärung aufmerksam liest, dann wird es einem klarer, wer in Wirklichkeit manipuliert und womit. Mit seiner Erklärung möchte er den völlig privaten Besuch des Wiener Kardinals manipulieren, indem er ihm Absichten unterstellt, die nicht existieren. Aber viel mehr noch, er benutzt diesen Besuch, um auch die kirchliche Öffentlichkeit zu manipulieren, die sich für den Besuch eines so angesehenen Kardlnals wie es Schönborn ist, in Medjugorje interessiert. Bischof Peric möchte diese Öffentlichkeit bewusst verwirren, indem er die Aufmerksamkeit auf etwas völlig anderes lenkt. Das bezeugt unzweideutig der Schlusssatz seiner Erklärung: ,,lch bedauere es, dass der Kardinal mit seinem Besuch, seinem Auftritt und seinen Erklärungen den gegenwärtigen Leiden der Ortskirche noch weitere neue hinzugefügt hat, die nicht zum so nötigen Frieden und zur Einheit beitragen." Während er den Kardinal für seine nicht existierenden Fehler beschuldigt, möchte er gleichzeitig bei den unkundigen Lesern Selbstmitleid erzwingen. Denn wenn ein zu wenig Eingeweihter diese Zeilen liest, wird er vielleicht sagen: Der bemitleidenswerte Bischof, der alles für den Frieden und die Einheit der Kirche tut, und dann kommt ein verantwortungsloser Kardinal und verpatzt alles! Hier drängt sich von selber die Frage auf, wie sich Bischof Peric den Frieden und die Einheit in seiner Diözese vorstellt, wenn er misstrauisch zuschaut, wie sich in einer seiner Pfarren von Tag zu Tag die Kirche aus allen Völkern und Sprachen in Liebe und Einheit versammelt. Das ist einfach die Einheit (koinonia) der ersten christlichen Gemeinschaft, die Lukas folgendermaßen beschreibt: ,,Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten" (Apg 2,42). Die Einheit und das Miteinander entstehen durch das Hören des Wortes Gottes, durch die Feier des Geheimnisses und durch das Gebet, und nicht durch menschlichen Willen. Was geschieht anderes in Medjugorje? Die Pilger, genährt durch das Wort Gottes, durch die begeisternde Feier der Eucharistie und das Gebet, erneuern die wahre Einheit im Glauben. lst es dann ein Wunder, wenn sich einzelne Gläubige genau danach sehnen, weil sie aus jenen Teilen der Kirche aus Europa und Amerika kommen, die durch den übertriebenen Rationalismus der heutigen Theologie, durch die Trägheit eines Teiles der Priester und durch den Materialismus und den Hedonismus der heutigen Gesellschaft geistlich verwüstet sind. Sie alle finden in Medjugorje das Bild der ursprünglichen Kirche, die glaubt, feiert und betet und die fröhlich ist in christlicher Hoffnung.

Woran ist eigentlich Sr. Elvira schuld?
Um zeichenhaft zu zeigen, dass er nur ein Pilger ist, war Kardinal Schönborn nicht Gast im Pfarrhof bei den Franziskanern von Medjugorje, sondern hat einige Tage in der Gemeinschaft ,,Cenacolo" verbracht, indem er seine Aufmerksamkeit, seine Liebe und Unterstützung denen geschenkt hat, die gegen die Hölle der Droge kämpfen und wieder in das normale Leben zurückkehren wollen. Für mich persönlich ist diese Geste voll von einer starken Symbolik und sie erinnert mich spontan daran, dass sich Jesus mit Leuten fragwürdiger Moral abgegeben hat, die von anderen verstoßen wurden, was ihm seitens der Pharisäer die spöttische Bezeichnung ,,Freund der Zöllner und Sünder,' eingebracht hat. Welch ein Glück, hätten wir in der Kirche und in der Gesellschaft mehr von solchen Beispielen! Für den Bischof aber ist auch diese Geste des Kardinals problematisch. Und wieder können wir aus seiner Erklärung herauslesen, dass es sich um Angst handelt, dass nicht das ,,Cenacolo" und dieser Besuch des Kardinals als ,,Anerkennung" von Medjugorje aufgefasst werden. lch glaube, dass die Worte der bischöflichen Erklärung jedem a priori  unvoreingenommenen Menschen sehr wehtun werden: ,,Seinen Besuch im ,Cenacolo', das heißt bei Schwester Elvira, die – nebenbei gesagt - als Ordensfrau nicht das Recht hat, auf dem Gebiet dieser Diözese zu sein und zu wirken, könnte man auch als Unterstützung ihr gegenüber interpretieren." Wenn er auch mit dieser edlen Geste des Kardinals manipuliert, vergisst Bischof Peric nicht, wie er sagt, ,,beiläufig" auch mit dem ,,Cenacolo" selber und mit Sr. Elvira zu manipulieren, die durch ihr selbstloses Leben, das auf der ganzen Welt den in der Gesellschaft am meisten Gefährdeten dient, ein Netz dieser Häuser ausgebreitet hat. Es gibt fast kein katholisches Land auf der Welt ohne eine Niederlassung des,,Cenacolo", in Kroatien sind es mindestens zehn. lch bin kein Fachmann für Kirchenrecht, aber ich bin überzeugt davon, dass es für die Gründung eines therapeutischen Hauses, wie es das ,,Cenacolo" ist, keine bischöfliche ,“Erlaubnis des Aufenthaltes und des Wirkens“ braucht. Sie wohnt übrigens nicht in diesen ihren Häusern, sondern  besucht sie nur von Zeit zu Zeit, sie haben ihre eigene Ordnung, nach der sie  funktionieren. Statt das Werk dieser opferbereiten Ordensfrau anzuerkennen, eine Ohrfeige und die Verurteilung. Auch hier hat die Angst jedes Gefühl von Barmherzigkeit jenen gegenüber zurückgedrängt, die sie am notwendigsten brauchen, und die edlen Absichten jener, die es ausdrücken, entwertet. lch weiß, dass Bischof Peric Sr. Elvira angeboten hat, ein ,,Cenacolo" zu eröffnen, wo immer sie will, nur nicht in Medjugorje.

Die Manipulation mit dem “Fall Herzegowina”
Wenn der Bischof eine solche Versammlung der Kirche in Medjugorje verachtet, dann wäre es interessant zu hören, womit er dann den Frieden und die Einheit in seiner Kirche besser herstellen möchte? lst eine Kirche, die er oft erwähnt, nicht irgendeine sonderbare Fiktion, die nirgendwo existiert? Dass es wirkIich so ist, zeigt am besten sein permanentes Manipulieren mit dem ,,Fall Herzegowina", den er Unkundigen als eine der Früchte von Medjugorje präsentieren möchte. Er selber weiß genau, dass es nicht so ist. Der ,,Fall Herzegowina" kam im Jahr 1968 an die Öffentlichkeit, also 13 Jahre vor Beginn der Erscheinungen. Aber schon davor herrschte in der Kirche in der Herzegowina eine große Angespanntheit und eine Uneinigkeit, was die Frage der Aufteilung der Pfarren betrifft. 1968 wurde daraus ein offener Streit. Seither wird der,,Fall Herzegowina" als Streit der Franziskaner mit dem Weltklerus dargestellt, man spricht aber nicht davon, dass diese beiden Blöcke in sich nie ein Stein aus einem Guss waren. Auf beiden Seiten gab es jene, die - mehr getrieben von bestimmten lnteressen – den Fall kraft des Kirchenrechts und menschlicher Argumente lösen wollten, aber es gab Gott sei Dank auch jene, denen es mehr um die Einheit der Kirche in Liebe ging, für die sie persönlich litten und beteten. Meist waren sie wegen der Übermacht der ,,Kirchenpolitik" hilflos, seine Lösung stärker zu beeinflussen. Das wäre ein Thema nicht nur für einen Artikel, sondern für ein ganzes Buch. Es ist nicht im Geringsten in guter Absicht, wenn man in der kirchlichen Öffentlichkeit ständig den Eindruck erweckt, dass es in der Herzegowina zwei unversöhnliche Blöcke gibt, die Franziskaner und die Weltpriester. Genauso ist es nicht in guter Absicht, wenn man immer von neuem auf den ,,Fall Herzegowina" hinweist, der für die Kirche und für den Franziskanerorden im Jahr 1999 definitiv geregelt wurde, als die umstrittenen Pfarren dem Bischof übergeben  wurden. Formalrechtlich ist der Fall gelöst, aber die Wunden am Leib der Kirche der Herzegowina sind noch nicht verheilt. Von jenen neun Franziskanern, welche die Pfarren nicht zurückgegeben haben, sondern geblieben sind, spricht der Bischof selber als von ,,Ex-Franziskanern, die von ihren Ordensoberen aus dem Orden der Minderbrüder entlassen wurden." Auch wenn er sehr genau weiß, dass ihre früheren Oberen, nachdem diese Priester aus dem Orden entlassen worden waren, in bezug auf sie und ihr Verhalten hilflos sind, so wie er als Bischof hilflos ist. Er möchte immer den Eindruck hinterlassen, dass der ,,Fall Herzegowina" noch nicht gelöst ist, weil es die Franziskaner nicht wollen. Und was noch ärger ist, er möchte dadurch Medjugorje kränken, auch wenn jeder Priester in seiner Diözese weiß, dass diese neuen Priester nicht im Geringsten irgendwie mit Medjugorje verbunden waren. Was ist also dann zu tun? Schon in den ersten Jahren der Erscheinungen habe ich dem damaligen Bischof Msgr. Zanic (ehemaliger Ortsbischof von Medjugorje) geschrieben, dass wir Medjugorje und den Fall ,,Herzegowina" nicht vermischen dürfen, denn damit würden wir ein zweifaches Problem schaffen. Im Gegenteil, wenn wir Medjugorje gesondert und unbelastet vom ,,Fall Herzegowina" betrachten, werden wir auch diesen Fall, der die Kirche in der  Herzegowina schon viel länger belastete als die Erscheinungen begannen, viel leichter lösen. Er hat diesen Vorschlag nicht angenommen, und der jetzige Bischof  setzte in seinem Geist fort. lch habe Sorge, dass die formal-rechtliche Lösung nur ein toter Buchstabe auf dem Papier bleiben wird, und dass die Wunden am Leib der Kirche auch weiterhin offen bleiben werden, so lange bis wir nicht alle zusammen an ihrer Heilung arbeiten, und zwar gerade im Geist von Medjugorje. Wir alle,  Franziskaner und Weltpriester, wie auch unser Volk, brauchen den Geist der wahren Buße und Umkehr, der Bischof aber mehr Barmherzigkeit des Vaters.

Quellennachweis: Gebetsaktion Wien 2. Quartal 2010 Nr. 97