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Auf den Empfang Jesu im Herzen vorbereiten

Eine Adventsbetrachtung von P. Oliver Heck SVD.

Wird Jesus auch für das Jahr 2019 geboren?
Im Haus gegenüber blinkt schon ein Stern mit bunten Lichtern auf. Die Nachbarn haben ihn Ende November ans Fenster gehängt. Wer es bis jetzt noch nicht weiß: Weihnachten ist nahe. In der Stadt gibt es den Markt, den man mit dem heiligen Namen unseres Herrn bezeichnet. Dort klingt es überall „Jingle Bells“ und Glühwein verströmt seinen Duft. Vor dem Kaufhaus lädt ein Mann, ganz in rot gekleidet, mit Pausbäcken und roter Stoffmütze ins Kaufhaus ein. Auch zu Hause laufen die Vorbereitungen schon auf Hochtouren.

Ist es ein Weihnachtsfest wie „alle Jahre wieder“?
Ob wir Weihnachten auf besondere Weise erleben, hängt davon ab, was wir im Herzen tragen, weniger davon, was um uns herum geschieht. Darauf weist Maria in Medjugorje hin: „Liebe Kinder ich wünsche, dass ihr diese Tage so erlebt, wie ich sie erlebe.“ (Bot 11.12.86) – Wie aber erlebt die Muttergottes diese Tage? Wie erlebt die Muttergottes das Fest der Geburt ihres Sohnes? Diese Frage ist bestimmt nicht einfach zu beantworten. Am ehesten gelingt es uns, wenn wir uns fragen, wie die Muttergottes damals in Israel das Warten auf die Geburt ihres Sohnes erlebte.

Was erfreute sie? Was machte sie traurig? Was empfand sie?
Ein Teil Ihrer Erlebnisse können wir erahnen. Sie erlebte eine mehrfache freudige Erwartung:

  1. Die erste war die ganz natürliche Freude einer Mutter, die ihr Kind erwartet: Ihr Kind wächst in ihrem Schoß heran. Sie neigt sich voller Liebe über den kleinen Menschen in ihrem Leib und wartet sehnsuchtsvoll darauf, endlich in die Äuglein ihres Sohnes schauen zu können, ihn liebkosen zu dürfen und für ihn zu sorgen.
  2. Hinzu kommt eine noch größere Freude: Ihr Kind ist das Licht der Welt, das geboren wird, um die Welt zu erleuchten. Voller Dankbarkeit denkt Maria daran, dass sich nun die Geschichte der Welt endlich zu wenden beginnt. Ihr Sohn ist ihr eigener Sohn und gleichzeitig der Sohn Gottes. Sie freut sich nicht nur über ihren Sohn, sondern auch über die Geburt des Sohnes Gottes. Maria kann darüber jubeln, dass ihr Sohn der Sohn Gottes in menschlicher Gestalt ist. Gemeinsam hat sie mit Gott einen Sohn: Jesus Christus.
  3. Dieser Sohn Gottes wird die Menschheit erlösen. Endlich erfüllt sich die große Sehnsucht von Generationen nach Erlösung. Maria freut sich mit allen erlösten Menschen. In ihr hallt die Freude aller Menschen wider.

Da sind die durch ihren Sohn Geheilten. Viele werden durch ihren Sohn befreit von Irrtum und Sünde und finden eine neue Heimat. Maria erlebt ihre Freude mit. Es ist die Freude so vieler Neugeborener über ihr neues Leben in Christus. Gewissermaßen gebärt Maria nicht nur ihren Sohn, sondern die Zukunft der ganze Menschheit. Deshalb wird sie auch die neue Eva, die Mutter aller Lebenden, genannt. Indem sie Jesus zur Welt bringt, wird sie schon anfanghaft unsere Mutter. In Bethlehem werden mit Jesus alle Menschen, die an ihn glauben, neu geboren. Auf dem Weg der Hl. Familie nach Bethlehem, wächst diese dreifache Freude Mariens mit jedem Schritt, mit dem sie sich dem Ort des verheißenen Messias nähert. Maria lobpreist unaufhörlich den Herrn (Bot. 12.12.85), – ein unbeschreiblicher Jubel quillt aus ihrem Herzen hervor (vgl. Lk 1,47). Alle Wörter unserer Sprache wie: jauchzen, frohlokken, jubilieren, glücklich sein, selig sein – können nur ansatzweise beschreiben, was im Herzen Marias vorgeht.

Die Freude, die Maria in Israel empfand, lebt in ihr weiter bis ins Jahr 2000 hinein. Sie freut sich in vollkommener, rein geistiger Seligkeit. Diese ihre Seligkeit verdirbt nicht wie das kurzlebige Glück der weltlichen Freude. Bis heute jubelt Maria an dem Geburtstag ihres Sohnes, in dreifacher Freude. (vgl. Bot. 12.12.85). Sie lädt uns ein, gemeinsam mit ihr Jesus zu loben. Wer ihren Jubel betrachtet, wird von ihr angesteckt und freut sich mit ihr. Ihr Lob hallt in unserer Seele wider und sie nimmt unseren schwachen Lobpreis an und trägt ihn zum Herrn. Sie verleiht ihm Ausdruck und Kraft.

Maria übergibt uns ihren Sohn. Es bleibt aber nicht bei der Freude. Maria will nicht nur, dass wir Anteil an ihrer Freude haben; sie „übergibt uns ihren Sohn“ (Bot. 12.12.85). Was dies für jeden Einzelnen bedeutet, hängt von der Persönlichkeit eines jeden ab. Um eine Ahnung davon zu bekommen betrachten wir das, was zwei Mystikerinnen über dieses Thema schrieben:

Die heilige Ordensschwester Margareta Maria Alacoque († 1690, in Frankreich) schildert in ihren Aufzeichnungen ein mys-tisches Erlebnis mit der Muttergottes und ihrem Sohn, das ich hier wörtlich wiedergebe: „Während meiner Exertitien beehrte mich meine heilige Befreierin [Maria] mit ihrem Besuch, ihren Sohn in den Armen haltend; sie legte ihn in die meinen und sagte. ,Hier hast du Den, der dich lehren wird, was du tun sollst.‘ Ich fühlte damals große Freude und hatte den lebhaften Wunsch, ihn zu liebkosen; er ließ es mich auch tun, so viel ich nur wollte, und als ich endlich so müde wurde, dass ich nicht mehr konnte, fragte er: ,Bist du jetzt zufrieden? Das soll dir für immer eine Hilfe sein, denn ich will, dass du ganz meiner Macht ausgeliefert seist, wie ich mich dir überlassen habe. Ob ich dich liebkose oder martere, du sollst keine andere Regungen haben als jene, die ich dir eingeben werde.‘ Von da an fühlte ich etwas wie eine beglükkende Unfähigkeit, ihm zu widerstehen.“ (Hl. Margareta Maria Alacoque, Leben und Offenbarungen (Freiburg, CH 1974) S. 179). Nur wenige Menschen erreichen einen solchen Grad der Vollkommenheit und noch weniger Menschen erhalten die Gabe der Vision. Dennoch sind diese Visionen nützlich für alle. Die Schilderung regt zum Meditieren an und erfüllt die Seele mit dem Frieden des Heiligen Geistes.

Ähnliches wie die Hl. Margareta erlebte die Selige Schwester Maria Faustyna Kowalska († 1938, in Polen). Auch sie war eine Mystikern. Sie erhielt von Jesus den Auftrag, die Göttliche Barmherzigkeit zu verbreiten. An einem Heiligabend schrieb sie in ihr Tagebuch: „Heute vereinigte ich mich innigst mit der Gottesmutter; ich erlebte Augenblicke Ihres Inneren. Am Abend, vor dem Oblatenbrechen, ging ich in die Kapelle, um im Geist mit den mir teuren Personen die Oblate zu teilen. [ein polnischer Brauch an Weihnachten]. Ich bat die Gottesmutter um Gnaden für sie. Mein Geist war ganz in Gott vertieft. Während der Christmette erblickte ich in der Hostie das kleine Jesuskind. Mein Geist vertiefte sich ganz in Gott. Obwohl nur ein kleines Kind, so durchdrang doch Seine Majestät meine Seele. Das Geheimnis berührte mich tief – diese große Herablassung Gottes, Seine unfassbare Entäußerung. Die ganzen Feiertage hindurch war dies in meiner Seele lebendig. Oh, wir werden diese große Herablassung Gottes nie begreifen ...“ („Tagebuch der Schwester Faustyna Kowalska“, CH-Hauteville 1993, S. 88). Zwei Abschnitte weiter berichtet sie, was sie während einer Anbetungstunde erlebte: „Im Laufe dieser Stunde bemühte ich mich, über das Leiden des Herrn zu meditieren. Doch meine Seele wurde von Freude überfüllt und plötzlich erblickte ich das kleine Jesuskind. Seine Majestät durchdrang mich derart, dass ich sagte: Jesus, Du bist so klein, aber ich weiß, dass Du mein Schöpfer und mein Herr bist.‘ Jesus entgegnete: ,Ich bin es, doch gehe ich mit dir als Kind um, weil Ich dich Demut und Schlichtheit lehren will.‘“ („Tagebuch der Schwester Faustyna Kowalska“, CHHauteville 1993, S. 89.)

Diese beiden Visionen können uns helfen zu verstehen, was die Muttergottes uns für Weihnachten wünscht. Es geht ihr nicht um Visionen oder um ganz außergewöhnliche Erlebnisse: „Glaubt nicht, dass Jesus sich noch einmal in der Krippe zeigen wird, er wird in euere Herzen geboren“ (Bot. 8.1.84). Jesus in unserem Inneren auf geistige Weise empfangen, ihm eine Wohnung bereiten, seinem Willen freien Raum geben, das wünscht die Muttergottes für uns. Dies geschieht, wenn wir die Ereignisse von Bethlehem so betrachten wie die Muttergottes: Uns mit ihr freuen 1.) über ihr Kind, 2.) über den Sohn Gottes, der geboren wird und schließlich 3.) über die Erneuerung der Menschheit. Ein Anzeichen seiner Gegenwart ist untrüglich: Der Friede. – Ein Friede, für den jede Seele ursprünglich geschaffen wurde und auf den hin jede Seele veranlagt ist. Dieser Friede reicht weit über die Zufriedenheit hinaus. Er ist Erfüllung, Rückkehr zur Urheimat der Seele, ein Stück Himmel auf Erden – Eben Jesus im Herzen.

Woher kommt dieser Friede? Was muss ich tun um den Frieden zu finden?
Wir Menschen besitzen nur einen Willen, ein Herz, nur einen Verstand und nur eine Aufmerksamkeit. Je mehr wir diese unsere Fähigkeiten den vergänglichen Dingen zu-wenden, desto weniger Reserven haben wir für die ewigen Dinge. Wir können nicht zwei Herren dienen! Unser Verstand kann nicht zwei Gedanken auf einmal denken und unser Herz kann nicht geteilt werden. Gerade vor dem Weihnachtsfest fordern tausenderlei Dinge unsere Aufmerksamkeit. Da sind die Fragen: „Was schenke ich wem“? Und dann der „Einkaufsstress“ – und nicht selten ist da die Langeweile an den Festtagen, die man versucht mit dem Fernseher zu vertreiben. Wo bleibt da noch Platz für Jesus, wenn unsere Aufmerksamkeit so total in Anspruch genommen ist? Deshalb sagt die Muttergottes: „Öffnet euer Inneres dem Herrn, dass Er aus euch eine schöne, harmonische Blume für den Himmel machen kann.“ (Bot. 18.12.86). Denn jeder Mensch ist vor Gott unendlich viel wert. Jeder kann sich deshalb sagen: „Ich bin vor Gott viel zu wertvoll, als dass ich mich von Dingen dieser Welt vereinnahmen lasse.“

Haben wir unsere wahre Größe und unsere Aufgabe erfasst? Oder lassen wir uns vom Trubel allzusehr mitreißen?
Die Muttergottes lädt uns zu den wesentlichen Dingen ein: Zum Gebet und zu ganz konkreten Taten der Nächstenliebe: „Wenn ihr den Nächsten liebt, werdet ihr Jesus mehr erfahren, besonders am Weihnachstag. Gott wird euch mit reichen Gaben beschenken, wenn ihr euch Ihm hingebt!“ (Bot. 19.12.86) „Versöhnt euch und helft mit eurem Leben, dass der Friede auf der ganzen Welt zu herrschen beginnt.“ (Bot. 25.12.90). „Ihr sagt, dass Weihnachten ein Familienfeiertag ist; deshalb liebe Kinder, gebt Gott in euren Familien den ersten Platz, damit Er euch den Frieden gibt ...“ (Bot. 25.12.91).

Die Vorbereitung auf das Fest der Geburt Jesu in diesem Sinne schafft den Raum für die Weihnachtsgeschenke, d.h., die Gnaden, die uns Jesus durch Maria geben will. In diesem Sinne wünsche ich Euch ein gnadenreiches Fest der Geburt Jesu Christi.

Quelle: Zeitschrift "medjugorje aktuell", 1999.