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Leserbrief

Den Beitrag von Prof. Hauke empfinde ich als sehr unausgewogen, einzig dem Ziel verpflichtet, Medjugorje zu zerstören. Dabei wird ein wesentliches Element – die weltweit von den Bischöfen beobachtete Erneuerung der Kirche durch Medjugorje –, dem Teufel zugeschrieben. Sehr gut dokumentierte wissenschaftliche Untersuchungen, die auch dem Vatikan vorliegen, werden einfach verschwiegen, Äußerungen des Ortsbischofs werden irreführend als offizielle und aktuelle Meinung der Kirche dargestellt, Heilungswunder geleugnet, weniger bedeutende Begebenheiten in den Vordergrund geschoben und teilweise nicht korrekt wiedergegeben, z. B. Differenzen zwischen der Diözese Mostar und dem Franziskanerorden. Zu einzelnen Punkten des Beitrags:

Hat nun der Teufel den Verstand verloren und kämpft gegen sein eigenes Reich in der irrigen Hoffnung, durch Medjugorje der Kirche zu schaden? Zu dieser abenteuerlichen Umdeutung der Früchte von Medjugorje hatte sich bereits vor Jahren Bischof Hnilica (1921-2006), der im Auftrag P. Joh. P. II. in Medjugorje war, geäußert: „Wenn Medjugorje vom Teufel käme, würde ich ihm die Hand küssen und sagen: Geh voran, du bist auf dem richtigen Weg!“ Oder an anderer Stelle: „Satan vermag vieles zu tun, aber eines kann er sicher nicht, dass er die Leute zur Beichte schickt, um sie von sich selbst zu befreien.“ Wenn ein Reich in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben (Mk 3,24). P. Gabriele Amorth, bekanntester Exorzist der Welt, besuchte 2002 Medjugorje und nannte den Ort eine „Festung gegen den Teufel“. P. Amorth ist überzeugt: „Satan hasst Medjugorje, weil es ein Platz der Bekehrung und des Gebetes ist.“ (www.kath.net).

Prof. Hauke zitiert in seinem Beitrag eine Erklärung von Bischof Ratko Peric, Mostar, vom 01. September 2007 zu Medjugorje. Das Zitat suggeriert, der Bischof von Mostar verkünde mit kirchlicher Autorität den neuesten Sachstand. Diese Verantwortung wurde der Diözese Mostar bereits 1986 abgenommen, nachdem der Vatikan das ablehnende Urteil des damaligen Bischofs verworfen hatte. Zu eindeutig waren die wissenschaftlichen Untersuchungen der Forschergruppen aus Frankreich (1984) und aus Italien (1985). Die Erklärungen des Bischofs, z.B. die von den angeblichen Halluzinationen, waren danach nicht mehr haltbar. Man hat ihm von Rom aus Zurückhaltung empfohlen, allerdings ohne Erfolg. Seit 1986 sind deshalb Meinungen des Bischofs von Mostar zu Medjugorje als rein privat zu betrachten, so privat, wie die aller anderen Bischöfe auch. Die Verantwortung liegt beim Vatikan. Es ist unredlich, den Lesern diese Informationen vorzuenthalten.  

In seinem Beitrag stellt Prof. Hauke die Frage, ob bezüglich der Seher Illusion, Suggestion,  Halluzination auszuschließen und die Seher glaubwürdig seien. Offensichtlich sind dem Verfasser die gesamten Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen von 1984 bis 2005 entgangen. Deshalb sei hier an wesentliche Erkenntnisse erinnert:

Besonders bekannt sind die Arbeiten von Prof. Joyeux aus Montpellier und seinem Team (1984). Die Ergebnisse wurden auf Empfehlung Kardinal Ratzingers (Schr. v. 27. Juli 1988 an Kardinal Albert Decourtay) an die jugoslawische Bischofskonferenz weitergeleitet. Ärzte aus Italien haben diese Untersuchungen 1985 wiederholt, bestätigt und um eine breite Palette neuer Tests erweitert. Alle Tests ergaben, dass die jugendlichen Seher in Ekstase weder schlafen noch träumen oder sich in einem krankhaften Zustand befinden. Halluzination war ausgeschlossen. Diese Fakten wurden Bischof Zanic bereits nach den Untersuchungen von 1984 in detaillierter Form mitgeteilt. Trotzdem hat Bischof Zanic auch nach diesen wissenschaftlichen Ergebnissen die These von den Halluzinationen aufrechterhalten und der ganzen Welt verkündet. Hier liegt einer der Gründe, warum man seinen Untersuchungsbericht von 1986 in Rom verwarf und ihm die Zuständigkeit entzog.

Im März 2000 wurden die Ergebnisse der in Fachkreisen weltbekannten medizinischen Untersuchungen des Jahres 1998 (psychophysiologische und psychodiagnostische Tests) an den Sehern von Medjugorje veröffentlicht. Mit diesen Untersuchungen konnte nochmals bewiesen werden, dass wichtige Teile der bischöflichen Argumentation nicht begründet sind. Die entsprechende Arbeitsgruppe aus 12 Wissenschaftlern leitete Prof. DDr. Pater Andreas Resch, Innsbruck. Zu diesen Arbeiten bemerkte Prof. Resch: “Es dürfte wohl so sein, dass es im Laufe der Geschichte, der Kirchengeschichte, eine so eingehende Untersuchung an Sehern noch nie gegeben hat.“ Der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Ratzinger, wurde von Prof. Resch informiert. Kardinal Ratzinger bedankte sich bei den Wissenschaftlern für die sachliche Untersuchung, die zur Frage der Anerkennung einen Beitrag leisten kann. Nach diesen Arbeiten ist lt. Prof. Resch die “Echtheit des Erlebnisses einer außergewöhnlichen Erfahrung der Seher“ wissenschaftlich abgesichert. Die Untersuchungen haben noch einmal die Glaubwürdigkeit der Seher bestätigt: Die Hypothese der bewussten Täuschung und des Betruges fand keine psycho- und neurophysiologische Unterstützung. Die Seher hatten eine außergewöhnliche Initialerfahrung, welche dann für ihr weiteres Verhalten bestimmend war und zeigen 17 Jahre nach ihren Erscheinungserfahrungen keinerlei pathologische Symptomatik, wie Trancestörungen, dissoziative Störungen oder Derealisationsstörungen. Die Phänomenologie der Ekstase war jener von 1985 vergleichbar. Selbst durch hypnotische Suggestion war es nicht möglich, den ekstatischen Zustand auszulösen, sondern er hat die Seher überkommen. Am 25. Juni 2005 hatte ein Ärzteteam unter Leitung von Prof. Henri Joyeux unangekündigte wissenschaftliche Untersuchungen an zwei Sehern (Marija, Ivan) durchgeführt und erneut die positiven Ergebnisse früherer Untersuchungen bestätigt. Auch diese Untersuchungsergebnisse dienten dem Vatikan zur weiteren Beurteilung des Phänomens Medjugorje.

Zum Thema Heilungen sind die Schlussfolgerungen von Manfred Hauke nicht nachvollziehbar: Mehrere Hundert dokumentierte Heilungsberichte liegen vor. Stellvertretend für viele erinnere ich an die weltbekannte Heilung von Multipler Sklerose von Frau Diana Basile aus Ferro bei Mailand in der Kirche von Medjugorje im Mai 1984. Wieder zurück in Mailand bildeten die Ärzte sofort eine Untersuchungskommission und hielten den früheren und den jetzigen Zustand in 142 Dokumenten fest. 25 Ärzte versicherten, dass die Heilung natürlich nicht erklärbar sei. Die Ärzte übergaben die Dokumente dem Bischof von Mostar, dem Erzbischof von Split für die Bischofskonferenz und der Pfarrei Medjugorje. Der Ortsbischof leitete im September 1984 die Dokumente an das Ärztebüro in Lourdes weiter und erhielt von dort die Empfehlung, mit einer Anerkennung oder einer Ablehnung noch drei bis vier Jahre zu warten. Doch der Bischof hatte keine Geduld und verkündete sofort, der Fall Diana Basile beweise nichts. Es war sicher nicht Aufgabe der jugoslawischen Bischofskonferenz von 1991 mit ihrem Zwischenbericht, der alle Möglichkeiten offen ließ, bereits alle Heilungsberichte abschließend zu beurteilen. Erst eine künftige Vatikan-Kommission wird als Teilaufgabe die bis dahin vorliegenden Berichte prüfen können.   

Qualität und Anzahl der Botschaften werden im Bericht kritisch erwähnt. Es ist zu bedenken, dass die Botschaften keine theologische Vorlesung sein wollen, sondern eine liebevolle Hinführung zu einem tieferen geistlichen Leben in einer schwierigen Zeit. In diesem Sinne haben viele kompetente Fachleute die Inhalte, die auch immer von der Eigenart und Bildung der Seher mitgeprägt werden, positiv gewertet. Bis heute sind etwa 430 Botschaften für die Allgemeinheit bekannt (Konkordanz zu den Botschaften, 2. Auflage, 2008, Gebetsaktion Medjugorje, Wien). Daneben gibt es private Worte an die Seher, die nicht als Botschaften zu werten sind.

Die Hinweise zum erwarteten Zeichen bedürfen einer Ergänzung:

Am 25. Dezember 1982 hatte die Seherin Mirjana das letzte von insgesamt 10 Geheimnissen erhalten, verbunden mit dem Auftrag, die nicht persönlich bestimmten Teile erst nach Anweisung der Gottesmutter durch einen Priester ihrer Wahl (Franziskanerpater Petar Ljubicic) bekannt zu geben. Nach übereinstimmenden Angaben der Seher betrifft eines dieser Geheimnisse das zugesagte sichtbare Zeichen am Ort der ersten Erscheinungen als Beweis für die Glaubwürdigkeit der Ereignisse.

Prof. Hauke hat die altbekannten Anschuldigungen gegen die Franziskaner kritiklos übernommen. Zu den Vorwürfen in den ersten 20 Jahren der Erscheinungen ist sehr ausführlich von Professor Dr. Ljudevit Rupcic (1920-2003) recherchiert worden. Prof. Rupcic war 13 Jahre Mitglied der jugoslawischen Bischofskonferenz und galt als einer der führenden Theologen Jugoslawiens. Seine Analyse widerlegt die Darstellung des Bischofs in allen wesentlichen Punkten und wurde im Miriam-Verlag (Die Wahrheit über Medjugorje, 1991) und in einem weiteren Buch im Verlag K. Kresimir in Zagreb (Noch einmal die Wahrheit über Medjugorje, 2003) veröffentlicht. Die im Beitrag von Prof. Hauke erwähnte Suspendierung der beiden Franziskaner(Ivica Vego und Ivan Prusina), veranlasst durch Bischof Zanic (1981/1982) ist völlig irreführend wiedergegeben: Die Franziskaner wurden ohne kirchenrechtliches Verfahren und damit gegen klare Vorschriften des Kanonischen Rechtes bestraft. Jemand hatte die Idee, der Muttergottes über die Seher eine Frage zum Fall der beiden Kapläne zu stellen. Diese Frage bezog sich nicht auf das allgemeine Verhalten der beiden Priester, sondern nur auf das Vorgehen des Bischofs und die zugewiesenen Strafen. Bischof Zanic bezichtigte die Seher der Lüge und brachte mit der Antwort der Muttergottes (die Franziskaner sollten Geduld üben und Ruhe bewahren, denn der Bischof habe vorschnell gehandelt) alles in Verbindung, was sowohl vorher als auch nachher vorgefallen war. Das war unredlich. Übrigens wurden die beiden Franziskaner später rehabilitiert. Elf Jahre nach dem Urteil wurde die verhängte Strafe von der Apostolischen Signatur in Rom aufgehoben (Urteil vom 27. März 1993).

Zum angesprochenen Vergleich mit Fatima ist festzuhalten, dass sich dieser in erster Linie auf den Kernbereich, auf Impulse zur Erneuerung der Kirche und nicht auf einen Vergleich von Lebensumständen zu einer völlig anderen Zeit beziehen sollte. Papst Johannes Paul II. sah  in Medjugorje die Fortsetzung der Fatimabotschaft. Auch Kardinal Frantisek Tomasek, Prag, war, wie viele andere Theologen auch, dieser Meinung. So wurde z.B. beim Mariologischen Kongress in Lourdes im September 2008 der Vergleich Medjugorjes mit Fatima und Lourdes positiv gesehen. Auch P. Gabriele Amorth sieht Medjugorje als Fortführung von Fatima.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Autor offensichtlich sehr einseitig die Argumente der Medjugorje-Gegner zu Papier gebracht hat, ohne sich selbst umfassend zu informieren.

Wie kann man nur so leichtfertig einen wichtigen Beitrag zur pastoralen Erneuerung der Kirche aufs Spiel setzen? Wo bleibt hier „die Liebe zur Wahrheit“ die Prof. Hauke in seinem Beitrag mehrfach einfordert?

Günter Seiwert, Konstanz

05. Februar 2010