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Die Vorurteile gegen Medjugorje - eine Versuchung für „Theologen“?

Anmerkungen zu einem Beitrag von Manfred Hauke über Medjugorje mit dem Titel „Die Anhänger nicht ins Leere fallen lassen“, „Die Tagespost“, 15. Januar 2010

Wie schon andere vor ihm erliegt Manfred Hauke, Professor für Dogmatik und Patrologie in Lugano, in seinen Ausführungen betreffend die Ereignisse von Medjugorje einer verhängnisvollen Versuchung: Er ignoriert die Aussagen der unmittelbaren Zeugen des Phänomens, und stützt sich in seinen Reflexionen ausschließlich auf Sekundärliteratur, also auf Berichte, Beiträge und Aussagen von Personen, die darin bereits ihre persönliche Meinung wiedergeben. Wenn das Gute von einer unversehrten Quelle, das Übel aber aus einem Mangel komme, wie Hauke an ein wesentliches Prinzip bei der Suche nach der Echtheit eines Phänomens erinnert, dann wundert man sich, warum er selbst nicht diesem Prinzip gehorcht und nicht an die Quellen geht, nämlich zu den Sehern und frühen Zeugen, und sie befragt. Stattdessen zitiert er völlig unwissenschaftliche Werke wie „Der Medjugorje-Betrug“ von E.M. Jones, oder „Eine Reise nach Medjugorje“ von Rado Franken, erwähnt nur wie nebenbei „Presseberichten zufolge“ oder nennt überhaupt keine Quelle. Wie konnte Hauke in seinen Ausführungen derart gegen die von ihm selbst im Beitrag geforderte Liebe zur Wahrheit verstoßen?

So gibt Manfred Hauke eine Fülle fragwürdiger Vorurteile und falscher Aussagen über die Ereignisse von Medjugorje völlig unreflektiert  wieder. Ein Beispiel: Der angebliche „Kleine Krieg in der Herzegowina“ mit den 140 Toten in Medjugorje aus dem Jahr 1992, die es in Wirklichkeit nie gab. Hauke zählt offenbar zu den wenigen „Medjugorje-Kennern“, an denen die Aufdeckung dieses Betrugsfalls völlig spurlos vorüber ging. (siehe auch Norbert Mappes-Niediek /DER STANDARD,  „Frankfurter Rundschau“, 27.8.2008)
Der niederländische Anthropologe Mart Bax veröffentlichte 1995 ein Buch mit dem Titel „Medjugorje: Religion, Politics, and Violence in Rural Bosnia“, in dem er packend die Geschichte vom „kleinen Krieg in der Herzegowina“ erzählt: Eine Fehde zwischen zwei Clans in Medjugorje hätte mindestens 140 von 3000 Dorfbewohnern das Leben kostete und weitere 600 in die Flucht geschlagen. Der Grazer Historiker Hannes Grandits hatte schon kurz nach der Veröffentlichung des Buches von Bax in Medjugorje herumgefragt. Aber niemand wusste etwas von einem kleinen Krieg. Auch den Friedhof, den Bax so genau beschrieben hatte, fand er nicht. Gegen das Bax‘sche Buch gab es von Anfang an heftigen Einspruch. So wiesen die Franziskaner von Medjugorje die Geschichte vom „kleinen Krieg“ entschieden zurück und bezeichneten sie als erfunden. Ihre Presseerklärung wurde nicht zur Kenntnis genommen: Den herzegowinischen Patres, die als Extremisten galten, glaubte man damals nichts. Obwohl es für Wissenschaftler einfach gewesen wäre, die Bax`schen Thesen zu überprüfen, machte sich niemand die Mühe, vor Ort im Sterberegister nachzusehen oder Zeitzeugen zu befragen. Der Zagreber Historiker Ivo Zanic listete etliche historische Fehler in Bax‘ Buch auf und erbrachte den Nachweis schwerer Schlamperei. Seine kritische Rezension erschien 1998 auch auf Englisch, wurde aber nicht weiter zur Kenntnis genommen. Das gut geschriebene Buch von Mart Bax wurde in den folgenden Jahren viel zitiert und als „Geheimtipp“ herumgereicht. Bis heute ist nicht geklärt, ob Bax das Ganze selbst erfunden hat oder der Lügengeschichte eines Informanten aufgesessen ist. Erstaunlich aber ist, dass die wissenschaftliche Community die erfundene Blutfehde bis zum Jahr 2008 ohne nachzuprüfen glauben konnte.

Professor Hauke glaubt offenbar jetzt noch daran. Auch weitere Aussagen in seinem Beitrag schockieren wegen der Unkenntnis des Universitätsprofessors. Hauke schreibt: „Schwerwiegende moralische Vorwürfe werden auch gegen Zovko vorgebracht, den Pfarrer der Anfangsmonate und langjährigen geistlichen Betreuer der Sehergruppe (E.M. Jones, Der Medjugorje-Betrug, 2001).“ P. Jozo Zovko wurde Mitte August 1981, also weniger als zwei Monaten nach dem Beginn der Erscheinungen, von den Kommunisten verhaftet und bis Februar 1983 eingesperrt. Anschließend war er in verschiedenen Pfarren tätigt. Er konnte durch seine Abwesenheit von Medjugorje gar nicht langjähriger geistliche Begleiter der Seher sein und war es auch nicht.

Eine weitere unrichtige Aussage: „Der Pater (gemeint ist Tomislav Vlasic) hatte in der Tat, unter Berufung auf die Einsprechung durch die „Gospa“ und die Seherin Marija Pavlovic, eine „mystische Ehe“ mit einer Dame aus Deutschland geführt.“ Es ist völlig absurd, dass Marija Pavlovic oder die Gottesmutter eine solche „mystische Ehe“ jemals gutgeheißen haben sollen. Die Seherin hat das wiederholt auf Anfrage unmissverständlich klargestellt.

Hauke spricht über die negativen Folgen, die mit dem Phänomen der Erscheinungen verbunden sind: „Dazu gehört die Ermunterung an zwei Franziskanerpatres, die von der Seherin Vicka im Namen der „Gospa“ vorgenommen wurde, sich den kanonisch legitimen Anordnungen des Ortsbischofs bezüglich ihres pastoralen Einsatzes zu widersetzen.“ Die Aussagen von Bischof Zanic dazu unterscheiden sich von jenen von Vicka Ivankovic. Tatsache jedoch ist, dass das Urteil gegen die beiden Franziskanerpatres aus dem Jahr 1982 von der Apostolischen Signatur, dem obersten Gerichtshof des Heiligen Stuhls, im März 1993 aufgehoben wurde.

Hauke sagt: „Gegenwärtig gibt es im Bistum Mostar-Duvno neun Ex-Franziskaner, die von ihrem Dienst suspendiert sind, aber sich in den usurpierten Pfarreien als legale Priester aufführen.“
Tatsache ist, dass der Franziskanerorden jene ungehorsamen Priester schrittweise bis zum Jahr 2005 entlassen hat. Es bleibt jedoch die Frage stehen, was den Bischof – und auch Professor Hauke – bewogen hat, den Fall jener Ex-Franziskaner mit den Ereignissen von Medjugorje in Verbindung zu bringen und weshalb sie diese ehemaligen Franziskaner, die mit Medjugorje nichts zu tun hatten, als „weitere Früchte“ bezeichnen, „die mit der erwähnten Aufforderung zum Ungehorsam verbunden sind.“

Wenn Professor Hauke fordert, dass die Seher auf ihre psychische Gesundheit untersucht werden müssen, kann ich mir ein kleines Schmunzeln nicht zurückhalten. Denn es gibt in der Geschichte der Marienerscheinungen keinen weiteren Fall, der medizinisch so genau untersucht und studiert worden ist wie das Phänomen Medjugorje. Schon in den ersten Tagen der Erscheinungen führten die Kommunisten die Seher in Mostar einer Psychiaterin vor. Die zusammenfassende Aussage der Ärztin nach ihrer eingehenden Untersuchung der Jugendlichen: „Nicht ihr seid verrückt, sondern die, die euch zu mir gebracht haben.“ In weiterer Folge wurden die Seher von mehreren internationalen Teams von Ärzten und Psychologen untersucht. Am aufschlussreichsten waren wohl jene von Prof. Henry Joyeux von der Universität Montpellier und seinem Team im Jahr 1984 und 2005. Trotz des langen Zeitabstandes brachten die Untersuchungen im Jahr 2005 die selben Ergebnisse wie 21 Jahre davor. Natürlich kann die Wissenschaft selbst mit modernsten Apparaturen keine Visionen nachweisen. Die Wissenschafter konnte aber ausschließen, dass an den Sehern krankhafte Störungen wie Halluzinationen, Hysterie, Neurosen, Katalepsie oder pathologische Ekstasen vorliegen und sie konnten zeigen, dass in der Zeit, über die sie später sagten, dass sie die Gottesmutter gesehen hätten, an ihnen messbare Veränderungen vorgegangen sind, deren Ursache man naturwissenschaftlich nicht nachweisen konnte. (Siehe „Medizinische Untersuchungen in Medjugorje“, René Laurentin, Henri Joyeux; „Die Seher von Medjugorje im Griff der Wissenschaft“, Andreas Resch)

Bleibt jetzt noch die Frage offen, weshalb Wissenschafter wie Manfred Hauke in ihren ausführlichen Statements über Medjugorje Feldstudien missachten, die Aussagen der unmittelbaren Zeugen der Geschehnisse ignorieren und Vorurteile ungeprüft weitergeben. Sind sie etwa der Meinung, dass ihre Position in der Wissenschafts-Gemeinde ausreicht, um sie zu einem derartigen Vorgehen zu legitimieren?

Dr. Christian Stelzer, Wienwww.oasedesfriedens.at/

„Die Tagespost“ 11. Februar 2010