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Interview mit Erzbischof Henryk Hoser, Apostolischer Visitator, Sonderbeauftragter für die Pfarrei Medjugorje

Im Mai 2020 äußert sich Erzbischof Hoser zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie und zum JUGENDFESTIVAL

 

Ihre Exzellenz, vielen Dank für die Möglichkeit zu diesem Gespräch. Die Welt blieb seit dem Coronavirus stehen. Vater Erzbischof, sehen Sie etwas Positives, etwas Gutes, das aus diesem großen Drama geboren kann?

Die Epidemie hat uns mit ihrem Ausmaß überrascht. Da sie weltweit aufgetreten ist, nennen wir sie Pandemie. Zu diesem Zeitpunkt hat es die meisten Staaten und Gesellschaften erreicht, und gleichzeitig das Verschwinden des sozialen und wirtschaftlichen Lebens verursacht. Einerseits fühlen die Gläubigen starke Einschränkungen beim Zugang zu öffentlichen religiösen Praktiken; die Kirchen sind oftgeschlossen oder es gibt Regeln; nur sehr wenige Gläubige können eine Kirche gleichzeitig betreten. Dies ist auch eine bislang nie dagewesene Situation. Während früherer Naturkatastrophen oder Kriegen strömten die Menschen in die Kirchen, während sie jetzt dessen beraubt wurden.

Andererseits verweilen sie zu Hause, und dies ist eine großartige Gelegenheit für die Familien zusammen zu sein, wozu sie bisher durch die Beschäftigung der Eltern, dem Aufenthalt der Kinder in Schulen, Kindergärten und Kinderkrippen keine Zeit hatten. Als Folge davon entstand die Situation, dass es zerbrochene familiäre Beziehungen gab, Eltern sprachen nicht mit ihren Kindern, Kinder nicht mit ihren Eltern, Geschwister trafen sich seltener, es gab keine gemeinsamen Mahlzeiten und das gemeinsame Gebet in den Familien war verschwunden.

Jetzt ist eine Gelegenheit für Familien, in ihrem gemeinsamen Leben wiedergeboren zu werden, und deshalb ist diese Zeit für uns völlig einzigartig. Auf der einen Seite haben wir die Beschreibungen dieser Situation in den Statistiken der Infizierten, den Statistiken der Kranken, der Genesenen ect., den Statistiken über die Wirtschaft und die Aussichten für die Zukunft, aber auf der anderen Seite ist es auch ein Zeichen für die ganze Welt.

Dies ist eine große Demütigung für jene, denen es schien, als würden sie die Welt regieren, für diejenigen, die heute die einzig wichtige Ideologie dieser Welt geschaffen haben und das ist die Ideologie des Profits; Der Profit, der das Ziel der gesamten Weltwirtschaft war. Die Unternehmen dominierten über Landesregierungen und einzelne Länder und all dies brach - um es klar auszudrücken - zusammen.

Wir durchleben eine große geistige Erneuerung. Eine geistige Erneuerung, bei der wir über unsere Lebensweise, unseren Lebensstil als Verbraucher, die Müllzivilisation, die die ganze Welt überschwemmt, und gleichzeitig über Ideen, die Müll sind, nachdenken müssen. Diese Ideen geben weder Sinn noch Perspektive. Kehren wir zu den grundlegenden Dingen zurück. Wahrhaftig für die Gläubigen in dieser Zeit, ist es eine Zeitdes Nachdenkens, in dem uns der Zutritt zu den Sakramenten erschwert ist und einige sich sehr nach den Zeiten sehnen, in denen sie die Sakramente wieder empfangen können. Dies ist allgemein die Situation. Ähnliches passiert auch in unserer Region, in Medjugorje.

Pilger kamen das ganze Jahr über nach Medjugorje. Jetzt können Sie die Botschaft von Medjugorje nur im Kreis ihrer Familie, in der Pfarrei, in kleinen Gruppen, empfangen. Auch wenn wir die Livestream-Übertragung haben, die von mehr als 3 Millionen Menschen gesehen wird, kann man sagen, dass wir in Medjugorje eine neue spirituelle Wirklichkeit leben?

Medjugorje sieht wie eine Wüste aus, in dem Sinne, dass es keine Menschen auf den Straßen gibt oder nur sehr wenige. Es gibt keine Spuren der Anwesenheit von Pilgern und auch die Einwohner von Medjugorje, unsere Pfarrgemeindemitglieder, haben aufgrund der hohen Anforderungen wegen der Gesundheitsvorsorge keinen Zutritt zur Kirche. Dies sind jedoch vereinte Familien mit mehreren Generationen, die immer noch den Brauch haben, gemeinsam zu beten, vor allem den Rosenkranz. Anderseits gibt es die Live-Übertragungen in die ganze Welt, in der für Medjugorje typischen Liturgie: Die Heilige Messe und die Anbetung. Auf diese Weise bleibt die Verbindung zwischen Medjugorje und den Pilgern erhalten, die sich ebenfalls nach diesem Ort sehnen und auf die Zeit warten, in der sie hierher zurückkehren können.

Am 12. Mai, ist ein Jahr vergangen, seit dem Papst Franziskus offizielle Pilgerreisen nach Medjugorje genehmigt hat. Wie erinnern Sie sich an dieses Ereignis, das großartig für uns alle war?

Es war eine große Freude für uns alle in Medjugorje. Ich erinnere mich, dass wir das Privileg hatten, der Welt diese Erklärung des Heiligen Stuhls in der Kirche in Medjugorje zu verkünden; in der Kirche des hl. Apostels Jakobus, der der Schutzpatron der Pilger ist. Von dort ging diese gute Nachricht hinaus. Ich möchte Sie an den Inhalt dieser Erklärung erinnern: Es gibt keine Hindernisse bei der Organisation von Pilgerreisen nach Medjugorje, an denen alle Menschen, aus denen die Kirche besteht, teilnehmen können, ausgehend von der hohen Hierarchie, den Kardinälen, Erzbischöfen, Bischöfen, Priestern aus aller Welt, aber auch den Menschen, die sorgenlos an diesen Ort kommen können, der durch diese Erklärung zusätzlich bereichert wurde. Dort finden die Menschen wirklich das, was sie in ihrem Leben verloren haben. Sie bekommen die Begegnung mit dem zurück, der dort auf sie wartet, und das ist Gott, das ist der Herr Jesus, das ist die Muttergottes. Es war eine große Freude, die sich auf der ganzen Welt verbreitete, denn sie unterstreicht die universelle Rolle dieses Heiligtums, das von Pilgern aus allen Kontinenten besucht wird; ein Heiligtum, das für die Universalität der Kirche offen ist. Wir freuen uns darüber und dies zeigt auch die Zukunft von Medjugorje, die im Rhythmus des Herzens der Universalkirche gelebt werden sollte.

Wie beurteilen Sie diese Entscheidung und ihre Früchte aus der Perspektive des vergangenen Jahres?

Diese Entscheidung hat sichtbare Früchte, in der Zunahme der Zahl der Pilger und der Zahl der Priester, die sie begleiten, gebracht. Es kamen auch hochrangige Vertreter der Kirche, beginnend mit dem Jugendfestival im letzten Jahr, und dauerte an bis zum Ausbruch dieser Epidemie. Ich denke, dass es, wenn diese Epidemie vorüber ist, zur Rückkehr der Pilger an diesen Ort kommen wird - sehr charismatisch - weil dies ein Ort ist, an dem das Licht des Evangeliums, das Licht Christi leuchtet.

Diese Woche ist reich an marianischen Inhalten. Der 13. Mai ist der Jahrestag der Erscheinungen von Fatima und des Attentats auf Papst Johannes Paul II. Erinnern Sie sich an diesen tragischen Tag? Was ist damals geschehen, wie haben Sie es erfahren?

Wir haben dies von Erzbischof André Perraudin erfahren, der uns, wie ich mich erinnere, mittags in der Pfarrei besuchte, als ich in der Mission in Ruanda war. Dies war eine tragische Nachricht, die uns auf irgendeine Weise gelähmt hat. Wir alle beteten für die Rettung des hl. Johannes Paul II. In den Stunden nach dem Attentat saßen wir atemlos da, und erlebten seine dramatischen Erfahrungen erneut, den Kampf um sein Leben im Gemelli-Krankenhaus und endlich eine langsame, lange und schwierige Rehabilitation mit begleitenden Komplikationen, die dazu führten, dass der Papst dann langsam zu seinen üblichen Aktivitäten zurückkehrte. Aber schon von seinem Krankenbett, vom Krankenhausfenster aus, segnete er jene, die vor der Klinik standen und für ihn beteten.

Johannes Paul II. hat selbst gesagt, dass die Hand „Unserer Lieben Frau“ die Kugel von Ali Agca leitete. Dank der Hand der Muttergottes, die die Kugel führte, überlebte er, da sie seine lebenswichtigen Organe umging.

Der Heilige Vater selbst sagte, dass die Muttergottes diese Kugel geführt hatte, die seine lebenswichtigen Organe umging. Heute befindet sich diese Kugel in der Krone der Muttergottes in Fatima, da der Tag des Attentats der Jahrestag der Erscheinungen in Fatima war und der Heilige Vater ein angesehener marianischer Papst war. Er nahm sogar als seinen bischöfliches Wahlspruch das Motto: „Totus tuus“, Ganz dein Maria.

Sein ganzes Leben lang lebte er eine tiefe marianische Spiritualität, die er von zuhause mitbrachte, und die er später selbst weiter formte. Bei der Arbeit im Steinbruch trug er in seiner Hosentasche eine Broschüre des hl. Ludwig Maria Grignon von Montfort über die Verehrung der Heiligen Jungfrau Maria. Und sein ganzes Leben lang betonte und entwickelte er die Mariologie des 20. Jahrhunderts im Geiste des II. Vatikanischen Konzils und der Konstitution von Lumen Gentium, Kapitel 8; dies war der Ausgangspunkt seiner gesamten Überlegungen. Er war auch der Nachfolger des marianischen Papstes Paul VI., der sich bewusst war, dass die nachkonziliare Krise dazu führte, dass die marianische Frömmigkeit als Volksfrömmigkeit aufgegeben wurde, da sie den Intellektuellen der offenen Kirche als wertlos erschien. Deshalb, gab der Heilige Vater Paul VI. drei wichtige Dokumente zum Thema des Marienkultes heraus, insbesondere das Hauptdokument "Marias cultus". Von Anfang an vertraute Johannes Paul II. sich Maria an und er sprach ständig von ihr. Er pilgerte zu den Marien-Heiligtümern, und so hatte seine erste Reise nach Mexiko das Ziel, die Muttergottes von Guadalupe zu besuchen.

Auch später besuchte er während seines gesamten Pontifikats hunderte von Marienheiligtümern, und dank ihm wurde das Bild der Muttergottes auf die Vorderseite des Apostolischen Palastes gehängt und ist vom gesamten Petersplatz aus zu sehen. Auch dies zeigt die Liebe von Johannes Paul II. zur Heiligen Jungfrau Maria.

Das Pontifikat des hl. Johannes Paul II. war zu der Zeit, als sich in Medjugorje die Verehrung der Mutter Gottes entwickelte. Vater Erzbischof, kennen Sie die Meinung Johannes Paul II. über das, was in Medjugorje geschah, über die Verehrung der Mutter Gottes dort?

Johannes Paul II. war von Anfang an sehr zugeneigt und interessiert an den Ereignissen in Medjugorje, die wir heute entdecken, denn der Marienkult, den wir hier entfalten, ist die Verehrung der Königin des Friedens, die tiefe Wurzeln in den Erscheinungen von Fatima hat. Heute gedenken wir ihrer, am Jahrestag der ersten Erscheinungen, die im sogenannten „Tal des Friedens“ 1917 stattfanden. 8 Tage später hat Papst Benedikt XV. die Anrufung „Königin des Friedens“ in die Lauretanische Litanei eingefügt. Diese Erscheinungen schützten unsere Zukunft vor Konflikten und riefen zur Bekehrung auf. Die Bekehrung ist die Einführung des Friedens zwischen den Menschen und Gott. Das ist Bekehrung - Gottes Frieden im Herzen des Menschen. Denn zuallererst wohnt der Unfriede in jedem von uns und bewirkt, dass dieser Unfriede sich negativ auf unsere Umwelt auswirkt. Bevor wir uns nicht mit Gott und im Anschluss daran mit unserem Nächsten versöhnen, haben wir große Schwierigkeitenuns überhaupt zu versöhnen, um mit den anderen leben zu können wie mit Brüdern und Kindern desselben Gottes.

Wenn wir über Fatima sprechen, muss ich Sie etwas fragen, das die Menschen manchmal in Aufruhr bringt. Kennen wir alle Erscheinungen von Fatima? Wurden sie irgendwo veröffentlicht? Wissen wir, was die Mutter Gottes uns vermitteln wollte?

Ich denke, das Mysterium ist etwas, was wir immer nur teilweise entdecken, wir haben keine absolute Gewissheit auf diesem Gebiet, aber das, was veröffentlicht wurde, zeigt mehr oder weniger den Sinn dieser Erscheinungen und ihre Notwendigkeit für die heutige Welt. Diese Erscheinungen geschehen in einer apokalyptischen Perspektive, beziehungsweise in der Zukunft, mit dem ständigen Kampf zwischen Gut und Böse, dem ständigen Kampf um die Herrschaft Christi, damit sein Gegner, der Herrscher dieser Erde, nicht mehr sichtbar sein möge.

Kehren wir zurück zu Medjugorje. Zahlreiche Pilger stellen die Frage, ob sie in diesem Jahr am Jugendfestival und anderen wichtigen religiösen Veranstaltungen in Medjugorje teilnehmen können?

Wir alle sehnen uns nach dem Jugendfestival, weil es das wichtigste Ereignis im gesamten liturgischen Jahr in Medjugorje war, aber natürlich sind wir von der epidemiologischen Situation abhängig. Wenn sie sich beibehält, wird es in diesem Jahr leider nur ein virtuelles Treffen mit Medjugorje geben, aber kein reales, physisches, zu dem die Menschen kommen können, da nicht nur die Grenzen geschlossen sind, sondern auch der Transport nicht funktioniert, so dass es nicht einmal Bedingungen gibt, hierher zu kommen. Dementsprechend wird dasJugendfestival höchstwahrscheinlich in diesem Jahr nicht stattfinden.

Vater Erzbischof, wann wird die endgültige Entscheidung gefällt, ob das Jugendfestival stattfindet?

Vielleicht Ende Juni, weil wir Zeit für die Vorbereitungen geben müssen, nicht nur vor Ort, bei der Organisation des Festivals, sondern auch den Pilgern, um alle notwendigen Dokumente, die Transportmittel usw. anfordern zu können, um nach Medjugorje zu reisen.

Vater Erzbischof, welche Botschaft möchten Sie  am Ende dieses Treffens  unseren Zuschauern,  Medjugorje Pilgern und Freunden dieses Ortes geben?

Liebe Freunde von Medjugorje, liebe Pilger, liebe Gemeindemitglieder, ich wende mich an Sie mit einer großen Bitte: Lebt im Geist der Hoffnung; denn Medjugorje hat die Aufgabe, die Hoffnung im Menschen zu erwecken, die theologische Hoffnung, die Hoffnung Gottes, das bedeutet, dass Gott immer derjenige ist, der uns mit großer Liebe und Barmherzigkeit führt, und dass er uns die Mutter Gottes sendet, damit auch sie uns zu Gott führt. Sie zeigt uns immer Jesus, sowie es auch in Medjugorje geschieht, und ich bitte Sie, wirklich der Säemann des Friedens, des Vertrauens und der Nähe Gottes zu sein, die uns in diesen Momenten nicht verlässt. Schaut auf eure Weinberge, Olivenhaine. Sie erinnern an das Heilige Land, wo Jesus lebte. Und er begleitet uns auch weiterhin in aller Ewigkeit und sendet uns seine Mutter, damit sie uns beschützt; auf dass sie die Beschützerin unseres inneren, familiären und sozialen Friedens sei. Deshalb werden wir auch weiterhin durch die Medien, die heute ständig aktiv sind, mit ihnen verbunden sein, damit Sie geistlich mit Medjugorje vereint sein können, betend für den Moment, in dem wir uns dort wiedersehen und Gott danken werden, für alle Gaben, die wir erhalten haben. Gelobt seien Jesus und Maria!


+ Henryk Hoser, S.A.C.

Apostolischer Visitator

Quelle: www.medjugorje.hr/de/aktualitaten/interview-mit-erzbischof-henryk-hoser-apostolischer-visitator-sonderbeauftragter-f%c3%bcr-die-pfarrei-medjugorje,10713.html

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