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Fürchtet euch nicht: Es ist der Herr!

Ein Artikel von Pater Lukas Temme, Passionist.

An Ostern feiern wir die Auferstehung unseres Herrn: Jesus Christus. Er hat den Tod überwunden und uns jetzt schon ein neues Leben geschenkt.
In meiner Aufgabe als Krankenseelsorger durfte ich vor einiger Zeit einen jungen Mann auf dem letzten Stück seines Weges auf dieser Welt begleiten. Es war eine sehr intensive Zeit, in der ich selbst viel lernen durfte. Eines Tages fragte er mich: "Herr Pater, haben Sie eigentlich keine Angst vor dem Tod?" Ich antwortete ihm: "Nein, eher vor dem Sterben." Er gestand sich ein, große Angst vor dem Tod zu haben und ob ich nicht etwas wüsste, was ihm diese schreckliche Angst vor der Ungewissheit nehmen könnte. So kamen wir auf das Osterevangelium zu sprechen, und als er wenige Tage später starb, lag die Heilige Schrift aufgeschlagen auf dem Schränkchen an seinem Bett. Zwei Stellen hat er sich auf dieser Seite angestrichen. Es war im 28. Kapitel des Matthäusevangeliums, einmal den Satzteil „denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf". Die zweite Stelle, welche er unterstrichen hatte, war: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden."

Jesus ist es, der uns die Angst nimmt
Für mich war klar, was in diesem jungen Mann in den letzten Tagen vor sich gegangen war: er hatte den Stein der Angst weggewälzt und erkannt, dass Jesus Christus dieses Mittel sei, welches die Angst nehmen kann. Und wir? Wie schaut es in unserem Leben aus? Welche Hoffnung oder besser gesagt welcher Glaube trägt mein Leben, besonders im Hinblick auf unsere letzte Wegstrecke? Wir haben doch in der Taufe alle diesen Stein, den Stein der Erbschuld von unseren Herzen gerollt bekommen, aber leben wir eigentlich in diesem Bewusstsein? Unser ewiges Leben hat doch schon mit der Taufe begonnen und beginnt nicht erst nach dem Tod. Bei Ostern geht es im wahrsten Sinn um Leben und Tod. Ich meine, wir stellen uns dieses Fest vielleicht etwas zu harmlos vor: Ja, der Karfreitag ist der Tag des Scheiterns und des Todes - aber Ostern ist alles wieder ok. Schauen wir doch etwas genauer hin; der Tod ist nicht abgeschafft, einfach erledigt. Wenn wir den Auferstanden anschauen, so fallen uns seine Wunden auf, sie gehören ganz fest zu seiner Person, es sind die Male der Liebe, an ihnen können wir den Herrn erkennen, so wie die Jünger damals. Doch sie sind uns auch Zeichen dafür, dass nach dem Tod nicht etwas ganz Neues beginnt, sondern es geht weiter in einer verklärten Weise. Wir sollten unsere Vorstellung korrigieren, die meint, erst kommt dieses Leben, dann das neue Leben. Ostern steht für 'ein bestimmtes Leben', für ein Leben, das durch den Tod hindurch gegangen ist. Jesus zeigt uns, dass unsere gängige Vorstellung von Leben und Tod hier zu kurz greift: Wir werden geboren, und über kurz oder lang müssen wir sterben. Die Lebenskurve führt vom Leben zum Tod. Doch Ostern zeigt in die umgekehrte Richtung: vom Tod zum Leben! Ein Leben, nicht ohne den Tod, nicht am Tod vorbei, sondern durch den Tod hindurch. Man kann nicht von Ostern sprechen und den Tod übergehen. Jesus ist durch das Dunkel des Todes in das ewige Licht der Herrlichkeit gegangen und hat uns diese Tür geöffnet, sie steht offen für alle, die diesem Jesus glauben und ihr Leben an ihm festmachen.

Er ruft jeden von uns beim Namen
Für den sterbenden Mann, von dem ich oben erzählt habe, hat sich diese Tür geöffnet und er ist hindurch gegangen; der Stein des Zweifels wurde weggerollt und so konnte der Auferstandene auch an ihn herantreten. So wie Maria Magdalena Jesus erkennt, als er sie mit ihrem Namen angesprochen hat, so wurde auch dem jungen Mann in seiner Krankheit, seinem Leiden der Weg geöffnet zu seiner Begegnung mit dem Auferstandenen, der auch ihn beim Namen ruft. Auch uns wird der Herr beim Namen rufen, so wie er uns bereits in der Taufe gerufen hat. Wir brauchen keine Angst zu haben vor einer ungewissen Zukunft. Denken wir doch an die Begegnung des Auferstandenen mit seinen Jüngern am See von Tiberias: Die Jünger sind auf dem See unterwegs, bei ihrer Arbeit, Jesus steht in den frühen Morgenstunden am anderen Ufer des Sees am brennenden Feuer und erwartet ihre Ankunft. Kann das nicht ein wunderschönes Bild unseres Lebens sein. Wir sind unterwegs auf dem See unsers Lebens, dem Alltag, beschäftigt mit ganz gewöhnlichen Dingen, am Ufer des Sees steht der Herr und erwartet uns. Er hat all unsere Nöte, Leiden und Sorgen durch oder besser hinübergetragen, und in der Verklärung leuchten seine Wunden, die Wunden der Liebe. An diesen Wunden können wir den Herrn erkennen. Wir brauchen keine Angst zu haben vor dem, was auf der anderen Seite des Sees unseres Lebens auf uns wartet, wir wissen es doch schon. Um es mit Johannes zu sagen: „Es ist der Herr!" 

Quelle: Zeitschrift "medjugorje aktuell", Heft Nr. 77.