Zum Hauptinhalt springen

"Jetzt aber komme ich zu Dir – damit Du meine Freude in Fülle hast"

Eine Betrachtung von Pfr. Stephan Sproll.

Meine Lieben, das was Jesus mit diesen Worten am Ende Seines Lebens zu Seinen Jüngern sagte, spricht Er jetzt ebenfalls zu uns in diese adventliche Zeit hinein. „Jetzt aber komme ich zu Dir. Doch dies rede ich noch in der Welt, damit sie meine Freude in Fülle in sich haben.“ (Joh 17,13)

Jesus sagte nicht, dass Er allgemein zu uns oder zu den Menschen komme, sondern Er betont ausdrücklich: „Ich komme zu Dir! Ich bin dein persönlicher Herr. Ich möchte dir nahe sein.“ Im nächsten Satz erklärt Er dann, was Er tut: „Dies rede ich noch in der Welt.“ Jesus verdeutlicht Seinen Jüngern, dass Er für sie in die Welt gekommen ist, um mit ihnen zu reden. „Was sagt Er denn?“, so könnten wir uns fragen. Das, was Jesus uns mitteilen möchte, ist das Wort des himmlischen Vaters. Wenn wir dieses Wort der Liebe und der Barmherzigkeit des Vaters hören, dann haben wir die Freude in Fülle in uns.

Wir haben eine Sehnsucht, dass Gott uns nahe ist
Am Weihnachtsmorgen hören wir in der Hl. Messe immer das Evangelium aus dem Johannes-Prolog. Dort heißt es unter anderem: „... und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ (Joh 1,14) Wenn wir jene Stelle konkreter übersetzen wollen, so heißt es eigentlich: „und das Wort hat unter uns gezeltet.“ Wie die Bundeslade mit dem Volk Israel von einem Ort zum anderen mitzog, ebenso geht dieses Wort Gottes, der fleischgewordene Logos, auch mit uns von einem Ort zum nächsten, von einer Lebenssituation zur anderen. Was bedeutet dies für uns, die wir uns so erwartungsvoll auf das Geburtsfest Jesu Christi vorbereiten? Wir Menschen, ob wir es wissen oder nicht, haben alle eine Hoffnung, eine Sehnsucht, einen Wunsch in unserem Herzen, dass Gott uns nahe ist. Dies ist ebenfalls auch die tiefste Sehnsucht Gottes selbst, Sein Wunsch ist es, bei den Menschen zu sein. Gott, der Vater, setzte dazu alle Hebel in Bewegung, damit die Menschen, durch die Sünde von Seiner Liebe getrennt, wieder Seine Barmherzigkeit erfahren dürfen. Gott wollte uns in eine ganz neue Kindschaft hineinführen. Wie kann uns aber diese Liebe des Vaters schon in diesem Leben nahe sein? Dazu kann uns das Geheimnis von Weihnachten helfen? Bleiben wir einfach ein wenig beim Bild der Krippe stehen.

1. Gott möchte mir im Äußeren nahe sein.
Die erste Krippendarstellung geht auf den hl. Franziskus zurück. In Grecio hat Franziskus die Geburt Jesu so getreu wie möglich darzustellen versucht. In die selbstgebaute Holzkrippe legte der hl. Franz ein lebendiges Baby. Ihm selbst und auch uns hilft es, das Geheimnis von Weihnachten zu erfahren bzw. zu erahnen. Franziskus nahm dieses Kind auf den Arm und liebkoste es. Durch diese lebendige äußere Darstellung der Geburt Jesu in Bethlehem wurde alles lebendig und auf gleiche Weise möchte Jesus für uns durch diese äußeren Zeichen von Weihnachten lebendig werden und uns nahe kommen. Ich selbst kann mich noch gut an meine Kindheit erinnern, dass es immer etwas Besonderes gewesen ist, als die Krippenfi guren aufgestellt wurden und am Heiligen Abend dann das Jesuskind in die Krippe gelegt wurde. Diese äußere Darstellung von Weihnachten und das ganze Geschehen verdeutlichen uns, dass wir vor Jesus keine Angst zu brauchen haben, und das Jesuskind auch immer wieder aus der Krippe nehmen dürfen, um es in unsere Arme zu legen. Gehen wir mit jenen einfachen Herzen, wie es die Hirten hatten, an unsere Krippe zu Hause, knien wir nieder und beten wir Jesus an. Schenken wir Jesus zu Seinem Geburtstag was wir haben und Er wird unsere Herzen berühren. Wenn wir uns auf Weihnachten vorbereiten, so ist es auch wichtig, dass wir eine Wachsamkeit und die Erwartung über das Kommen des Friedensfürsten in uns tragen. Lassen wir uns von den äußeren Zeichen führen, so wie es die drei Weisen aus dem Morgenland getan haben. Folgen wir selbst jenem Stern, der über der Krippe von Bethlehem stehen bleibt, aber ebenfalls über unserem eigenen Haus stehen bleiben möchte. Manchmal wird das Kommen Jesu in unserem Leben durch eine lange Nacht vorbereitet, bis es schließlich zum Offenbarwerden des Morgensterns kommt.

2. Jesus möchte Dir nahe sein! Aber nur im Äußeren? Nein!
Wir haben bereits erkannt, dass dieses äußere Nahe sein Gottes zu einem tieferen Nahe sein Gottes in deinem Leben führen möchte. Wenn wir uns in der Adventszeit auf Weihnachten vorbereiten, so versuchen wir bei allem äußeren Trubel, doch mehr in die Stille zu gehen. Schon der äußere Rahmen lädt uns dazu ein. Die Tage sind kürzer, mitunter haben wir dadurch auch mehr Zeit zum Gebet, zur persönlichen Begegnung mit Jesus. Vorbild eines betenden Menschen, besonders auch in dieser vorweihnachtlichen Zeit, dessen ganzes Leben Gottesdienst mit Christus war, ist Maria. Sie, die in höchster Erwartung lebte, möchte uns selber in das Gebet einführen. Diejenige, die alle Worte in ihrem Herzen bewahrte, möchte auch uns alle ihre Geheimnisse preisgeben, um selber die Gottes erfahrung zu machen. Das Gebet ist die wichtigste und wesentlichste Tätigkeit in der Zeit der Vorbereitung auf das Kommen des Herrn. Dadurch bereiten wir Jesus die eigene Krippe des Herzens. Wir können dankbar sein, dass Jesus nicht in einem großen Palast geboren werden wollte, sondern in der Einfachheit des Stalles. Hier gilt es jedoch zu schauen, wo kann ich in meinem eigenen Leben Jesus den Weg bereiten, damit Er mich noch näher an Sein Herz heranziehen kann.

Näher kann uns Gott kaum kommen!
Betrachten wir einmal die Sehnsucht, den Durst und die Erwartung Gottes, der sich uns an diesem Geburtsfest neu schenken will. Es geht um ein Hören auf das Wort, das der Sohn Gottes selbst ist, und zugleich um eine bedingungslose Zustimmung zu dem, was das Wort von mir in meiner Situation verlangt. Es ist mitunter ein Ringen bei dem es gilt, sein Herz und seine Gedanken ins Licht des Wortes zu heben und sich dem Hauch des Geistes auszusetzen, der in uns flüstert: „Komm zur Krippe!“ „Komm nach Bethlehem!“ „Komm zum Sohn!“ „Komm zum Vater!“ Das Wort Gottes führt uns ein in das Geheimnis des Sohnes. Wenn wir in der Adventszeit die Bibel lesen, so sind es immer Worte, die aus dem Herzen des Vaters selber kommen. Näher kann uns Gott kaum kommen. Schließlich möchte Jesus uns aber auch in den Sakramenten nahe sein, etwa in der Eucharistie, wo Jesus immer wieder aufs Neue auf den Altar in unsere Mitte hineingeboren wird. Eine gute Bekannte von mir bezeichnet das Korporale als die Windeln Jesu. Schließlich werden wir selbst zu Bethlehem, zum Haus des Brotes, wenn wir den Leib Christi in der Hostie empfangen. Wir werden hineingenommen in das Geheimnis Seiner Menschwerdung und selber zu neuen Menschen geboren. Der hl. Augustinus sagte: „Wir werden zum neuen Christus!“ Aber auch im Sakrament der Versöhnung begegnen wir dem Jesuskind. Wir schenken Ihm gewissermaßen alle unsere Fehler, Sünden und Unvollkommenheiten. Das Holz der Krippe ist jener Hinweis auf das Holz des Kreuzes, wo Jesus für meine Sünden starb. Bei der Lossprechung durch den Priester legt der himmlische Vater das Jesuskind neu in unser Herz, in unsere Seele und schenkt uns ein neues Leben. Eine zweifache Geburt: Jesus wird in mir geboren und ich komme ebenfalls zu einem neuen Leben. Bei jeder Beichte dürfen wir deshalb gewissermaßen auch Weihnachten feiern. Die Liturgie, die wir in der Adventszeit oder an Weihnachten feiern, muss sich jedoch mit dem persönlichen Gebet verbinden, damit sie schließlich zur „Liturgie des Herzens“ wird. Wenn sich beides miteinander verbindet, geschieht wirklich Weihnachten. Eine Begebenheit, die dies ein wenig verdeutlicht, stammt vom hl. Joseph von Copertino, der in der Adventsund Weihnachtszeit seine Mitbrüder in die Zelle einlud, und dem Jesuskind immer die schönsten Weihnachtslieder vorsang. Dabei war er häufi g zu Tränen gerührt. Jesus offenbarte sich ihm dabei als der menschgewordene Gott, jedoch nicht nur äußerlich, sondern in dem Er die Seele des Heiligen berührte und in die Krippe seines Herzens sein heiliges Wort hineinlegte.

3. Doch haben wir nicht alle die große Sehnsucht in uns, dass Gott uns immer nahe ist?
Der Mensch trägt den Wunsch in sich, glücklich zu sein und Freude zu haben. Es handelt sich dabei jedoch um eine Freude, die nur Gott selbst schenken kann, wenn Er bei uns ist bzw. wenn wir zu Ihm gehen und nicht von Ihm weglaufen. Wo fi nden wir nun diese Freude? Da haben wir es eigentlich nicht besonders schwer, da wir diese Freude bzw. Gott selbst in uns tragen. Wir suchen Gott immer außerhalb von uns zu begegnen. Doch der hl. Augustinus sagte einmal: „Gott ist uns näher, als wir uns selber nahe sind.“ Wir brauchen die Nähe Gottes gar nicht außerhalb suchen, sondern wir müssen uns auf den Weg machen, Gott in unserem Herzen zu finden. Das Geheimnis von Weihnachten könnte ich, da Gott in meiner Seele wohnt, jeden Augenblick in meinem Leben erfahren. Entscheidend ist nur, dass ich an jenen Ort des Schweigens meiner Seele hinabsteige, wo Gott auf mich wartet. An diesem Ort meines Lebens wird Jesus jeden Augenblick neugeboren. Ein Kartäuser-Mönch schrieb einmal, dass die innergöttliche Zeugung, deren wir an Weihnachten auch gedenken: „Im Anfang war das Wort und das Wort war von Gott“ (Joh 1,1), in jedem Moment in meiner Seele neu geschieht. Hier findet die persönliche Begegnung zwischen Gott und dem Menschen statt. In unserer Seele ist jeden Tag Weihnachten, da Er uns nahe sein will. Wie kann ich dies jedoch erfahren? Dazu gibt es nur einen einzigen Weg. Es ist der Weg über das Schweigen, der Weg der Stille. Die heutige Zeit treibt uns von einem Termin zum nächsten, von einem Punkt zum anderen, den ich unbedingt noch brauche oder zu erledigen habe. Dadurch verlieren wir aber den Blick des Lebens in der Gegenwart. Wir sollten uns bewusst machen, dass dieses Geboren werden Jesu im Jetzt, in diesem Augenblick meines Lebens geschieht. Es geschieht in diesem Augenblick, wo du diese Zeilen liest. Versuchen wir doch einfach einmal, eine Zeit  des Schweigens zu halten und an den Ort der Seele zu gehen, um uns das Geheimnis von Weihnachten neu schenken zu lassen, dass in uns selbst stattfindet.

4. Maria bewahrte alles in ihrem Herzen
Wenn man in Medjugorje den Erscheinungsberg besteigt, und die Geheimnisse des Freudenreichen Rosenkranzes betrachtet, so ist bei der dritten Station, der Geburt Jesu in Bethlehem, auf der Bronzetafel etwas Besonderes: der Kopf des Jesu Kindes ist genau an der Stelle des Herzens Mariens. Schon in der Bibel lesen wir: Maria bewahrte alles in ihrem Herzen. Sie ist diejenige, die uns lehrt, wie wir selber erfahren dürfen, dass Gott in mir nahe ist. Sie ist unsere Mutter, die mit ihren offenen Händen alles von uns in Empfang nimmt, um es Jesus weiter zu geben. Sie ist aber auch diejenige, die uns das Jesuskind immer wieder neu in unsere Herzen hineinlegt. So wird auch in Medjugorje das Geheimnis von Weihnachten besonders sichtbar. Die Gottesmutter ist beim himmlischen Vater, um dort Sein Wort für uns in Empfang zu nehmen, um es uns jeden Tag neu in unsere Seele hineinzulegen. Genau dies ist das Geheimnis von Weihnachten. Gott ist dir nahe, Er wird in dir geboren!

Von Pfr. Stephan Sproll.

Quelle: Zeitschrift "medjugorje aktuell", 2011.