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Das zweifache Geheimnis des Advent

Schon eine beträchtliche Zeit vor Beginn des Advent tauchen die Kaufhäuser in weihnachtlichen "Glitzer" und Glamour ein. Kaskaden von Lichtern werden in den Einkaufszonen unserer Städte entzündet; vor den Kaufhäusern posieren und klamauken neuheidnische "Weihnachtsmänner" (mich erinnert dieses Wort an "Hampelmänner"): vorweihnachtlicher Rummel, um die Leute zum Einkaufen zu bewegen. Mittlerweile erhellen sowohl Christen wie auch Nichtchristen ihre Fenster und Häuserfronten mit allerlei Lichtgefunkel und Lichterspielen. Es riecht nach Honigkuchen, Plätzchen, Naschereien, nach brennenden Wachskerzen in gemütlichen, abgedunkelten Zimmern.

Die Verkündigung im Advent
Die „Dunkelheit“ des Advent mit der violetten Farbe der liturgischen Gewänder, das Fehlen des „Gloria“ in der Heiligen Messe kann die Dunkelheit und die Not ins Gedächtnis rufen, die auf der Menschheit lastete, ehe der Erlöser kam; sie kann auch an die Sehnsüchte und Hoffnungen erinnern, die in Israel, dem auserwählten Gottesvolk der Verheißung, das Kommen des Messias- Christus vorbereiteten: „ ,Tauet, Himmel, den Gerechten: Wolken, regnet ihn herab!‘ rief das Volk in bangen Nächten, dem Gott die Verheißung gab...“– „O komm, o komm, Emmanuel, mach frei dein armes Israel!...“ - „Aus hartem Weh die Menschheit klagt, sie steht in großen Sorgen...“ Maria kennt unsere Lebenssituation: „In eurem Leben habt ihr alle Licht und Dunkelheit erfahren. Gott läßt jeden Menschen das Gute und das Böse erkennen. Ich rufe euch auf, das Licht zu tragen für alle Menschen, die sich in der Dunkelheit befinden. Tagein, tagaus kommen Leute in eure Häuser, die in der Dunkelheit leben“ (14.3.85).

Die Liturgie des Advent
Welchen gewaltigen Umschwung brachte das Kommen des Heilandes, die Fleischwerdung des Göttlichen Wortes! Im Licht des großen Jubiläums des Jahres 2000, welches unser Heiliger Vater, Papst Johannes Paul II, mit einer so großartigen Intuition erkannt und proklamiert hatte, feiern wir die Fleischwerdung des Wortes Gottes, empfangen vom Heiligen Geist, geboren aus der Jungfrau Maria. Die neue Grundordnung des Kirchenjahres macht eine wesentliche Aussage zum Sinn der adventlichen Vorbereitungszeit und gibt so einen Impuls für ihre geistliche Gestaltung und Mitfeier: „Die Adventszeit hat einen doppelten Charakter: sie ist einerseits Vorbereitungszeit auf die weihnachtlichen Hochfeste mit ihrem Gedächtnis des ersten Kommens des Gottessohnes zu den Menschen. Andererseits lenkt die Adventszeit zugleich durch dieses Gedenken die Herzen hin zur Erwartung der zweiten Ankunft Christi am Ende der Zeiten. Unter beiden Gesichtspunkten ist die Adventszeit eine Zeit hingebender und freudiger Erwartung“. Hiermit ist der in der römischen Liturgiegeschichte immer beachtete Grundtenor festgehalten, daß der Advent nicht in erster Linie Bußzeit im Hinblick auf das Gericht des wiederkommenden Herrn, sondern feierndes Gedächtnis der Menschwerdung Gottes ist und erst von hier aus hingebende und freudige Erwartung auch der Wiederkunft des Herrn bei der Vollendung der Zeiten. Die Präfationen des Advent bringen dies ins preisende Wort.

Ankunft Christi in Herrlichkeit
Die Zeit vom ersten Adventssonntag bis zum 16. Dezember leitet uns an, die zweite Ankunft des Herrn bei der Vollendung der Zeiten hingegeben und freudig zu erwarten. „Seit der Himmelfahrt steht die Ankunft Christi in Herrlichkeit bevor, nur steht es uns nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat“ (Apg 1,7). Diese eschatologische Ankunft kann jederzeit geschehen. Die erste Adventspräfation, überschrieben „Das zweimalige Kommen Christi“, sagt dem Allmächtigen Vater für Jesus Christus Dank: „Denn in seinem ersten Kommen hat er sich entäußert und ist Mensch geworden. So hat er die alte Verheißung erfüllt und den Weg des Heiles erschlossen. Wenn er wiederkommt im Glanz seiner Herrlichkeit, werden wir sichtbar empfangen, was wir jetzt mit wachem Herzen gläubig erwarten.“ An den drei Sonntagen wird aus den Evangelien gelesen: Am ersten Sonntag aus den Reden Christi über die Endzeit, am zweiten und dritten Sonntag Evangelienabschnitte, in deren Mitte die Predigt Johannes des Täufer steht. Durch die Lesungen an den Wochentagen bis zum 16. Dezember verkündet die Kirche unüberhörbar: Im Messias Jesus von Nazaret ist die an die Väter ergangene Verheißung endlich erfüllt; dies ist die Fülle der Zeit, die Endzeit hat in Jesus, dem Christus, begonnen. Das Glaubensgeheimnis der Ankunft oder Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit ist schon formuliert in den Gebeten der Eucharistiefeiern; dafür einige Beispiele: „Herr, unser Gott, alles steht in deiner Macht; du schenkst das Wollen und das Vollbringen. Hilf uns, daß wir auf dem Weg der Gerechtigkeit Christus entgegengehen und uns durch Taten der Liebe auf seine Ankunft vorbereiten, damit wir den Platz zu seiner Rechten erhalten, wenn er wiederkommt in Herrlichkeit“ (Tagesgebet vom Ersten Adventssonntag). „Hilf uns, Gott, daß wir voll Freude in diesen Tagen die Ankunft deines Sohnes erwarten. Nimm alle Trägheit von uns und mache uns bereit, zu wachen und zu beten, damit Christus uns nicht schlafend findet, wenn er kommt und anklopft“ (Montag der ersten Adventswoche). „Herr, unser Gott, in unserer Bedrängnis rufen wir zu dir, erhöre die Bitten deines Volkes. Bewahre uns vor aller Ansteckung des Bösen und tröste uns durch die Ankunft deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus“ (Dienstag der ersten Adventswoche). Damit ruft uns die Kirche ein Glaubensgeheimnis jedes Jahr neu ins Gedächtnis und in die Erinnerung, was viele der Christen schlicht vergessen haben: viele rechnen einfach nicht mehr mit einer Wiederkunft Christi. Sie haben einfach vergessen oder nehmen dies einfach nicht mehr ernst, was wir in jeder Eucharistiefeier feierlich proklamieren: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit“, und was wir im Credo bekennen: „...er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebendigen und die Toten.“ Dieses Thema klingt schon am Ende des Kirchenjahres an in den Wochen vor dem Advent: An den Wochentagen wird in der Eucharistiefeier fortlaufend aus der Offenbarung des Johannes bzw. aus dem Buch des Propheten Daniel berichtet; und aus dem Evangelium trifft die große „Rede über die Endzeit“ (Lk 21). Und am letzten Sonntag des Kirchenjahres feiern wir das Hochfest Christus König. „Wenn einst die ganze Schöpfung seiner Herrschaft unterworfen ist, wird er dir, seinem Vater, das ewige, alles umfassende Reich übergeben“, singt die Kirche am Christkönigssonntag in der Präfation. Und wir alle kennen die Weise: „Christkönig, Halleluja, Halleluja“. (GL 560).

Ankunft Christi in Niedrigkeit
In der Feier des Advent machen wir uns bewußt, daß unser persönliches Leben und die ganze Menschheitsgeschichte nicht in einem ewigen Kreislauf verläuft, für uns gilt nicht die verhängnisvolle ewige Wiederkehr des Gleichen; sondern unser Leben ist zielgerichtet: Wir haben eine Herkunft, und wir haben eine Zukunft. Und unsere Zukunft ist eine Person, sie ist der immer auf uns zukommende Jesus Christus. Und darum haben wir Christen immer Zukunft, weil ER immer auf uns zukommt. Unsere Lichter gehen nicht aus, weil ER das Licht der Welt ist. Wir sollten uns dies nicht nehmen lassen durch eine allzu vorzeitige und allzu ausschließliche Fixierung auf das Geburtsfest Christi, und schon gar nicht durch Besinnungsstreß und Kaufrausch und Geschenk-Terrorismus („Voriges Jahr hat dieser und jener mir dies und das geschenkt, jetzt muß ich ihm das schenken“). Die Tage vom 17. bis 24. Dezember sind in besonderer Weise auf Weihnachten hingeordnet. Der wesentliche Inhalt der Vorbereitungszeit ist die Bereitung auf Weihnachten, auf das „Hochfest der Geburt des Herrn“ (Adventspräfation II). Und die Gospa: „Heute lade ich euch ein, daß ihr euch auf das Kommen Jesu vorbereitet. Bereitet besonders eure Herzen vor“ (25.11.98). Diese Präfation ist charakterisiert durch die Überschrift „Das Warten auf den Herrn einst und heute“. Wir danken durch unseren Herrn Jesus Christus: „Von ihm redet die Botschaft aller Propheten, die jungfräuliche Mutter trug ihn voll Liebe in ihrem Schoß, seine Ankunft verkündete Johannes der Täufer und zeigte auf ihn, der unerkannt mitten unter den Menschen war. Er schenkt uns in diesen Tagen die Freude, uns für das Fest seiner Geburt zu bereiten, damit wir wachend und betend erwarten und bei seinem Kommen mit Liedern des Lobes empfangen.“ Die Evangelien der Voroktav charakterisieren die zweite Phase des Advents als die Zeit des Wartens auf die Ankunft Christi in Niedrigkeit. Am Sonntag und den Wochentagen hören wir die Frohbotschaft aus den Kindheitserzählungen; die alttestamentlichen Lesungen sind im Blick auf diese Evangelien ausgewählt worden. Das Tagesgebet am Vierten Adventssonntag ist ein aus der Volksfrömmigkeit weithin geläufiges Gebet, die Oration, die den „Engel des Herrn“ abschließt: „Allmächtiger Gott, gieße deine Gnade in unsere Herzen sein. Durch die Botschaft des Engels haben wir die Menschwerdung Christi, deines Sohnes, erkannt. Führe uns durch sein Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung. Darum bitten wir...“ In dieser zweiten Phase des Advent können wir jene Lieder betrachten und singen, die von der Ankunft Christi in Niedrigkeit handeln: „Komm, du Heiland aller Welt; Sohn der Jungfrau, mach dich kund. Darob staune, was da lebt: Also will Gott werden Mensch. Nicht nach eines Menschen Sinn, sondern durch des Geistes Hauch kommt das Wort in unser Fleisch und erblüht aus Mutterschoß. Glanz strahlt von der Krippe auf, neues Licht entströmt der Nacht. Nun obsiegt kein Dunkel mehr, und der Glaube trägt das Licht“ (GL 108). „Es kommt ein Schiff, geladen bis an sein‘ höchsten Bord, trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort. Das Schiff geht still im Triebe, es trägt ein teure Last; das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast. Der Anker haft‘ auf Erden, da ist das Schiff am Land. Das Wort will Fleisch uns werden, der Sohn ist uns gesandt“ (GL 114). „Zu Betlehem geboren im Stall ein Kindelein, gibt sich für uns verloren: Gelobet muß es sein“ (GL 110). Hier gehören auch manche Marienlieder hin: „Ave Maria klare, du lichter Morgenstern!... Dies Lob sei dir gesungen, Frau, hochgebenedeit. Von dir ist uns entsprungen der Brunn der Seligkeit. Empfiehl uns deinem Sohn und bitte für uns Sünder allzeit an Gottes Thron.“ (GL 581). Wir bitten Maria, für uns Sünder bei Gott einzutreten; Maria antwortet in einer Botschaft vom 5.12.85: „Ich lade euch ein, daß ihr euch mit Buße, Gebet und mit Taten der Liebe auf Weihnachten vorbereitet. Schaut nicht, liebe Kinder, auf das Materielle, denn dann werdet ihr Weihnachten nicht erleben können.“ Und am 12.12.85: „In Vorbereitung auf Weihnachten lade ich euch ein, daß wir gemeinsam Jesus loben. An diesem Tag übergebe ich euch Jesus auf besondere Weise, und ich lade euch ein, daß wir an diesem Tag Jesus und Seine Geburt lobpreisen. Liebe Kinder, an diesem Tag betet mehr und denkt mehr an Jesus.“ Was aber Maria von uns für sich zu Weihnachten wünscht, das vertraute sie Jelena in der Botschaft vom 21.12.84 an: „Ich wünsche, daß ihr eine Blüte seid, die zu Weihnachten für Jesus blühen wird. Eine Blüte, die nicht aufhört zu blühen, wenn die Weihnachtszeit vorbei ist. Ich wünsche, daß eure Herzen Hirten Jesu werden.“ „Ich wünsche, daß jedes Mitglied der Familie eine Blume neben die Krippe legt, damit Jesus kommen und eure Hingabe an Ihn sehen kann“ (20.12.84).

Von Pater Willibrord Driever.

Quelle: Zeitschrift "medjugorje aktuell", 2000.