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Monatsbotschaft vom 25. Juli 2022

Zum Phänomen Medjugorje - Teil 2

Der geschichtliche, kirchliche und theologische Kontext der Ereignisse von Medjugorje - von Pater Tomislav Pervan, Medjugorje

Die Seher aus Medjugorje und ihre Rolle
Diese sechs jungen Leute sind in diese Sache hineingefallen wie Pilatus in das Glaubensbekenntnis: Mirjana Dragicevic, Vicka Ivankovic, Ivanka Ivankovic, Marija Pavlovic, Ivan Dragicevic und Jakov Colo. Sie waren in nichts auffällig, haben sich in nichts hervorgehoben, weder im Gebet, noch in der Frömmigkeit, im Wissen, im Verstand oder in der Intelligenz. Mirjana war sicher die intelligenteste, belesenste, die beredsamste von allen, die anderen blieben auf der Ebene der gewöhnlichen Ausdrucksweise und Schulbildung. Sie hatten keine höhere Schulbildung und wurden mitten in ihrer Teenagerzeit in die Umlaufbahn von etwas hinausgeworfen, was später ihr Leben bestimmt hat.
Wie oben erwähnt, hat sie alles überrascht, überschattet, sodass sie zitterten und weinten und davongelaufen sind (das ist das, was man „mysterium tremendum et fascinosum“ nennt: das heißt ein Geheimnis, das zugleich ein heiliges Erschauern wie auch ein heiliges Sehnen hervorruft). Betroffenheit, Gerührtheit, Angst, Flucht, und dann doch irgendein inneres Vorwärtsdrängen an den darauffolgenden Tagen, ob sich dieser Augenblick wiederholen würde. Und als er sich wiederholte, waren sie überglücklich, entzückt. Sie bleiben ohne Worte. Das ist typisch für die biblischen Propheten, sie fliehen vor der Sendung, aber sie können ohne sie, ohne den Herrn, ohne seine Erfahrung und Nähe nicht sein.
Sie stammen nicht aus angesehenen, sondern aus durchschnittlichen Dorffamilien, aus Arbeiterfamilien, eine von ihnen aus einer Arbeiterfamilie aus Sarajevo. Der Vater von Vicka und der Vater von Ivanka haben in Deutschland gearbeitet und so ihre Familien ernährt. Vicka hatte acht Geschwister, auch die Mutter und die Großmutter lebten noch im Haus. Sie alle ernährte der Vater Pero, der in Deutschland arbeitete und pendelte. Zu Beginn der Erscheinungen drohten sie ihm, sie würden ihm den Reisepass wegnehmen, wenn Vicka nicht abschwöre. Was bedeutete es, sie zu zehnt ohne Brot zurückzulassen, wenn man ihm den Reisepass wegnimmt? Hungern und nichts haben. Aber Vicka konnte ihre Überzeugung nicht aufgeben. Und so auch alle anderen Seher nicht.
Alles erhob sich gegen sie, die ganze Öffentlichkeit, sie aber blieben aufrecht. Sie leugneten das, was ihnen passiert ist, nicht, sie könnten es nicht leugnen. Weder die Drohungen der Polizei, das Hinbringen zu den Ärzten, nach Citluk, nach Mostar, die Gefangennahme der Nachbarn und das Hinbringen auf die Polizeistation nach Citluk konnten sie verwirren.
Für sie hörte mit der Tatsache der Erscheinungen jegliches Privatleben auf. Tag und Nacht waren ihre Häuser belagert, die Leute wollten sie sehen, ihnen ihre Bedürfnisse, Nöte und Krankheiten erzählen. Sie blieben geduldig, auch wenn sie an der Grenze der Erschöpfung waren. Die Drohungen der Machthaber wurden immer stärker, sie aber gaben nicht nach. Das war nicht der kindliche Trotz, sondern eine innere Überzeugung. Auch nicht das Vertreiben vom Erscheinungsberg, die Verfolgung auf den Feldern durch die Polizei, die sie festnehmen und einsperren wollte, nicht einmal die Festnahme des Pfarrers Pater Jozo konnte sie verwirren: Ja, im Gegenteil, an jenem Abend, als Pater Jozo verhaftet wurde, nahm der kleine Jakov vor der hl. Messe, die Pater Stanko Dodig feierte, das Mikrofon auf dem Altar in der Kirche und sagte unerschrocken, das Pater Jozo nichts passieren würde, weil ihn die Gospa beschützt. Woher hatte er diesen Mut?
Wenn alles nur Einbildungen von Kindern oder Halluzinationen gewesen wären, wie Bischof Zanic später behauptete (wobei man weiß, dass es keine kollektiven Halluzinationen gibt!), wenn es nur ihre Erfindung gewesen wäre, hätte dieses Spiel nach zwei Monaten sein Ende gehabt. Der Spaß wäre ihnen vergangen, spätestens als der Pfarrer verhaftet wurde.
Ich erinnere mich daran, als ich sie zum ersten Mal traf, am 30. Juni, zirka um 9.30 Uhr, im Pfarrhof. Ich sagte ihnen, dass sie den Blödsinn und die lächerlichen Spiele lassen sollen, wenn das alles ein geschmackloser Scherz ist. Der Glaube sei nicht dazu da, dass ihn die Kommunisten auslachen, dass sie uns verspotten. Ich war beim Gespräch bis zum äußersten energisch, ja sogar hart, sodass sie später gesagt haben, dass ich strenger war als die Polizei. Es war mir ein Anliegen, dass der Glaube nicht wegen irgendwelcher Seher in Bijakovici dem Spott preisgegeben würde. Sie waren beharrlich: „Wir sehen und sehen…“ Besonders hervorgehoben haben sich Vicka und Jakov.
Viele Geistliche oder Theologen haben vergessen, dass die Seher trotz der Erscheinungen begrenzt bleiben und diese Begrenztheiten mit sich tragen. Quidquid recipitur, per/ad modum recipientis recipitur. (Was immer empfangen wird, wird entsprechend dem Zustand des Empfängers empfangen.) Und sie überbringen es gemäß ihrer Fähigkeiten.
Die Seher haben keine theologische Ausbildung, sie haben kein abgeschlossenes Theologiestudium, um gut antworten zu können. Die Erscheinungen dienen in erster Linie dazu, die Wahrheit des Evangeliums zu bekräftigen, zur Bekehrung, zum Glauben, zum Gebet und zum sakramentalen Leben einzuladen. Das war ihre Aufgabe bei allen bisherigen ähnlichen Erscheinungen.
Ja selbst die Anrufung „Königin des Friedens“, ist keine Erfindung der Seher. Ich erinnere mich persönlich daran, dass Pater Dr. David Zrno, der Franziskaner, der in unserer amerikanischen Kustodie lebte, in jenem Jahr als Greis nach Medjugorje kam und die Seher in etwa so fragte: „In Lourdes hat sich die Gospa als „Unbefleckte Empfängnis“ vorgestellt und in Fatima als „Rosenkranzkönigin“. Welchen Namen hat sie hier in Medjugorje? Wie möchte sie hier in Medjugorje genannt werden?“ Und ich erinnere mich, wie Jakov nach der Erscheinung sagte, dass die Gospa geantwortet hat: „Königin des Friedens“. Woher hatte er diese Erkenntnis?
Auch als das Schuljahr begann, blieben sie bei ihren Behauptungen und Überzeugungen. Es folgten Schikanen in den Schulen, die sie besuchten. Mirjana musste die Schulen in Sarajevo im gemischten Zentrum wegen des untragbaren Zustandes und der ständigen Provokationen wechseln. Vielleicht ist das auch der Grund, dass ihre Erscheinungen nach eineinhalb Jahren, zu Weihnachten 1982, aufhörten. Auch Ivan war als Seminarist in Visoko als „Seher“ Gegenstand des Stänkerns der Kollegen, aber auch einiger Professoren. Auch Marija und Vicka hatten in Mostar Unannehmlichkeiten in den Schulen, sodass Marija öfter zu Pater Cavar ins Franziskanerkloster kam und vor ihm wegen der Kalamitäten in der Schule weinte. Jakov war hier in der Schule und hatte von Seiten der Schüler keine größeren Probleme, und Ivanka besuchte keine Schule mehr. Sie war mit ihrer jüngeren Schwester und ihrem Bruder bei der Großmutter zu Hause. Keiner von ihnen leugnete bis zum heutigen Tag, was ihnen in jenen schicksalhaften Tagen im Juni 1981 passiert war.

Pater Tomislav Pervan - ehemaliger Provinzial

Quellennachweis:  Gebetsaktion Wien II/2011